16 Tage gegen Gewalt an Frauen – 16 feministische Buchtipps
„Diese Geschichte, die ich erlebt habe, ist nicht nur meine alleine. Die Details sind meine persönlichen Erlebnisse. Aber das große, beängstigende Ganze ist etwas, das viele Frauen erleben. Tagtäglich. Junge, alte, reiche, arme, komplett wurscht, wie sie ausschauen, wer sie sind, wo sie im Leben stehen. Es kann alle treffen. Ich rede von Gewalt. In allen grausigen Facetten: körperlich, psychisch. Schläge, Watschen, Tritte, Würgerei, Beschimpfungen, Anschreierei, Niedermachen. Meine Geschichte ist eine von vielen. Und ja, leider auch eine von vielen, die nicht verhindert wurde. Nicht von mir selbst, nicht von anderen. Denn die Gewalt, die mir ein Mann antat, die fand nicht (nur) im stillen Kämmerlein statt. Sondern auch oft genug auf der Straße, in einer U-Bahn-Station, vor Zeug:innen.“
Das Zitat stammt aus unserer aktuellen Neuerscheinung „Kerstin unscripted“ und zeigt uns, dass Gewalt gegen Frauen unzählige Facetten hat und so viele Frauen betrifft.
Ein Blick auf die Statistiken bestätigt das:
Im Jahr 2023 wurden weltweit 85.000 Frauen und Mädchen getötet, 51.100 Frauen und Mädchen davon von einem Partner oder einem Familienmitglied. Das bedeutet: Im Durchschnitt wird alle zehn Minuten eine Frau getötet. (Quelle: Destatis) In den letzten zehn Jahren gab es in Österreich 349 Femizide. (Quelle: Autonome Österreichische Frauenhäuser) In Deutschland wurde 2023 fast jeden Tag eine Frau getötet – 360 Femizide. (Quelle: Bundeskriminalamt)
Jede dritte Frau in Österreich ist von Gewalt betroffen – 34,51 % aller Frauen haben inner- oder außerhalb einer intimen Beziehung ab dem Alter von 15 Jahren körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt. 36,92 % haben innerhalb einer intimen Beziehung bereits psychische Gewalt erlebt. (Quelle: Statistik Austria)
In Deutschland wurden 2023 52.330 Frauen und Mädchen Opfer von Sexualstraftaten, wovon die Hälfte unter 18 Jahren war. 70,5 % der Opfer von häuslicher Gewalt in Deutschland sind Mädchen und Frauen. (Quelle: Bundeskriminalamt)
Gewalt gegen Frauen zählt nach wie vor zu den am meisten verbreiteten Menschenrechtsverletzungen. Am 25.11. ist deshalb jedes Jahr der Tag gegen Gewalt an Frauen. Er läutet die Kampagne #orangetheworld ein, die bis zum 10.12., dem Internationalen Menschenrechtstag, andauert. Diese 16 Tage sollen ein weltweites Zeichen gegen Gewalt an Frauen setzen.
In diesem Magazinbeitrag findest du 16 feministische Buchtipps, die sich in verschiedenster Form mit Gewalt gegen Frauen auseinandersetzen. Sie machen Lebensrealitäten von Frauen sichtbar und sie machen uns darauf aufmerksam, welch ein strukturelles, tief verankertes Problem diese Gewalt ist. Sie erinnern uns, wie dringend wir Gewalt gegen Frauen, patriarchale Strukturen und misogyne Haltungen bekämpfen müssen – jeden einzelnen Tag. Denn Hass gegen Frauen ist lebensgefährlich.
„Kerstin unscripted“ von Judith Leopold und Kerstin Opiela, Haymon Verlag
Kerstin wächst in Armut und Gewalt auf, erlebt Obdachlosigkeit und Teenager-Mutterschaft. Reality-TV macht sie bekannt – und angreifbar. Heute erzählt sie ihre Geschichte, um Kontrolle zurückzuholen, Mut zu geben und Hoffnung zu schenken.
„Niemals aus Liebe“ von Miriam Suter und Natalia Widla, Limmat Verlag
In der Schweiz werden alle zwei Wochen Frauen von Partnern getötet, jede Woche überlebt eine Frau einen Angriff. Die Autorinnen untersuchen Täter, psychologische und gesellschaftliche Mechanismen, Prävention und Strafverfolgung durch Gespräche mit Expert*innen aus Justiz, Politik und Psychologie.
„bluten“ von Stefanie Jaksch und Magdalena Stammler, Haymon Verlag
Frauen bluten: im Alltag, körperlich und gesellschaftlich. 15 Autorinnen zeigen in kraftvollen, zarten, wütenden Texten, wie Schmerz, Widerstand, Zyklus, Gewalt, Mutterschaft und Normen ineinandergreifen. Eine Anthologie über Kampf und Überleben.
„Heimat bist du toter Töchter“ von Yvonne Widler, Kremayr & Scheriau
Österreich gilt als „Land der Femizide“: 60 Frauen starben 2020–21, 319 in 11 Jahren, meist durch Partner oder Ex-Partner. Yvonne Widler beleuchtet Täter, systemische Gewalt, Medienrolle und Schutzmöglichkeiten und gibt den Opfern ihre Geschichten zurück
„Eine Blume ohne Wurzeln“ von Nada Chekh, Haymon Verlag
Nada Chekh erzählt vom Aufwachsen zwischen Gemeindebau, familiären Erwartungen und kulturellen Widersprüchen. Sie beschreibt Selbstbestimmung, Konflikte, patriarchale Normen und den Schmerz einer Jugend zwischen mehreren Welten – und wie Nähe trotz Distanz entsteht.
„Gestapelte Frauen“ von Patricía Melo, Unionsverlag
Nach einer gewalttätigen Beziehung zieht eine junge Anwältin nach Cruzeiro do Sul. Bei Gerichtsprozessen zu Frauenmorden kommt sie den Opfern – Töchtern, Müttern, Freundinnen – immer näher. Zwischen Realität und Traumwelt kämpft sie mit Gewalt, Schuld und unerreichbarer Gerechtigkeit.
„Alles ganz schlimm“ von Julia Pustet, Haymon Verlag
Ein Text über Susannes Vergangenheit wird gestohlen und veröffentlicht. Ihr Leben, das sie mühsam im Gleichgewicht hielt, gerät ins Rutschen. Zwischen Gerüchten, alten Wunden und familiären Spannungen kämpft sie darum, nicht erneut den Boden unter den Füßen zu verlieren.
„Feministisch morden“ von IRENE, Unrast
Die baskische Aktivistin IRENE erzählt von Frauen, die sich gegen patriarchale Gewalt zur Wehr setzen. Sie zeigt, dass Feminismus niemandem schadet, und wirft die Frage auf, wie friedlicher Widerstand eine von Misogynie geprägte Gesellschaft herausfordern kann.
„Patriarchale Belastungsstörung“ von Beatrice Frasl, Haymon Verlag
Beatrice Frasl erklärt, wie das Patriarchat psychische Gesundheit prägt. Frauen sind häufiger von Depression und Angst betroffen, während Rollenbilder und Ungleichheit im Gesundheitssystem die Behandlung erschweren. Über psychische Gesundheit zu sprechen, ist ein feministischer Akt.
„Witches, Bitches, It-Girls“ von Rebekka Endler, Rowohlt
Rebekka Endler untersucht, wie patriarchale Mythen unser Denken prägen, beleuchtet historische und kulturelle Mechanismen – von Kunst über Romantik bis zu Rollenbildern und aktuellen Feminismusdebatten – und zeigt humorvoll und kämpferisch, wie wir das Patriarchat erkennen und verändern können.
„Entromantisiert euch!“ von Beatrice Frasl, Haymon Verlag
Beatrice Frasl zeigt, wie romantische Liebe Frauen strukturell benachteiligt: Sie übernehmen unbezahlte Arbeit, verdienen weniger und geraten in Abhängigkeiten. Aus feministischer Perspektive plädiert sie für ein Umdenken und eine selbstbestimmte Definition von Liebe jenseits patriarchaler Normen.
„Backlash – Die neue Gewalt gegen Frauen“ von Susanne Kaiser, Klett-Cotta
Susanne Kaiser zeigt, wie Gleichberechtigung Frauen auch angreifbar macht: Abtreibungsverbote, häusliche Gewalt, digitale Bedrohungen. Sie beleuchtet gesellschaftliche, politische und private Ebenen und macht deutlich, wie die toxische Dynamik männlich-weiblicher Rollenklischees durchbrochen werden kann.
„Warum wir noch hier sind“ von Marlen Pelny, Haymon Verlag
Aus der Perspektive der Hinterbliebenen nach einem Femizid: Die Erzählerin kämpft mit Trauer, Erinnerungen und Alltag, nachdem Etty, die Tochter ihrer besten Freundin, gewaltsam starb. Ein kraftvoller, zarter Roman über Verlust, Liebe und Überleben.
„Lilianas unvergänglicher Sommer“ von Cristina Rivera Garza, Klett-Cotta
„Lilianas unvergänglicher Sommer“ ist ein vielschichtiges, intimes Porträt einer Schwester. Es folgt der Suche nach Lilianas Spuren, dem Versuch, Grauen und Trauer zu fassen, und erschafft ein funkelndes literarisches Werk von großer emotionaler und globaler Strahlkraft.
„Herz. Rhythmus. Störungen“ von Yara Nakahanda Monteiro, Haymon Verlag
Yara Nakahanda Monteiro verbindet in Gedichten und Erzählungen Lissabon und Angola, Vergangenheit und Gegenwart. Zwischen Feminismus, Heilung und Verlust verwebt sie persönliche, historische und ökologische Erfahrungen zu magischer Lyrik, die Widerstand, Erinnerung und Menschlichkeit entfaltet.
„Mit Männern leben“ von Manon Garcia, Suhrkamp
Manon Garcia dokumentiert den aufsehenerregenden Prozess um Gisèle Pelicot, die jahrelang von ihrem Mann und anderen Männern missbraucht wurde. Sie verknüpft Beobachtungen und eigene Erfahrungen, beleuchtet patriarchale Strukturen und fragt existenziell: Wie noch mit Männern leben?