Ein Gespräch mit der Autorin und Aktivistin Phenix Kühnert
Phenix Kühnert schreibt, als würde sie eine Nacht lang erzählen … Dieser Satz trifft so sehr zu, denke ich, während ich an diesem Magazinbeitrag sitze – aber ganz allgemein bringt diese Formulierung die Gespräche und Arbeit mit Phenix Kühnert auf den Punkt (im allerbesten Sinne). Und so erleben auch sehr viele Leser*innen ihren Text. Phenix Kühnert ist trans, und sie ist ein Mensch, der sich öffnet, der für mehr Empathie kämpft, der sich selbst und die eigene Geschichte „bloßlegt“, um zu zeigen, wie wichtig es ist, dass wir alle gemeinsam für trans* Rechte einstehen. Denn letzten Endes geht es um uns alle, geht es um Gleichberechtigung, um Akzeptanz und eine klare Positionierung gegen Diskriminierung.
Katharina Schaller hat sich mit der Autorin über Sprache, den Drang nach Kategorisierung und das Erfüllen von Erwartungen unterhalten.
Inklusive Sprache ist eines der Themen, mit denen du dich auseinandersetzt. In deinen Videos und Beiträgen auf Social Media erklärst du auf zugängliche Weise, wie wir uns möglichst diskriminierungsfrei ausdrücken können. Ich war vom ersten Moment an begeistert davon, wie einfach und verständlich du Informationen aufbereitest, wie du die Menschen abholst, ohne unnötige Verkomplizierung. In deinem gesamten Buch nutzt du kein Gendersternchen – aber nicht, weil du nicht durchgängig inklusiv formulieren würdest. So zeigst du mit deinem Text, dass es möglich ist, geschlechtsbezogene durch genderneutrale Begriffe zu ersetzen. Und schaffst damit praktische Beweise – eine Antwort an die Personen, die die Genderdebatte nicht abflauen lassen wollen, weil sie gegen den Wandel, gegen das Gendern, gegen [beliebig einfüllbar] sind.
Phenix Kühnert will mehr. Mehr Rechte, mehr Stimmen, mehr Inklusivität. Sie ist Aktivistin, Model und seit 2018 Host des Podcasts „FREITAGABEND“.
Phenix, was glaubst du, inwiefern du selbst davon beeinflusst wirst – und vor allem: Wie möchtest du Sprache prägen?
„Ich versuche, Prägung von Sprache und der Gesellschaft allgemein immer mehr abzulegen. In den letzten Jahren habe ich viele Strukturen, in denen wir leben, hinterfragt. Und wenn ich selbst sprachlich etwas weitergeben kann, dann, dass mit mehr Wissen und Umsicht inklusive Sprache gar nicht so schwer ist. Einmal den Horizont erweitert, kommt es wie von selbst. Meine Erfahrung ist zudem, dass die Diskussion eigentlich nur von Gegner*innen aufrechterhalten wird, denn wer sich offen mit sprachlichem Fortschritt auseinandersetzt, versteht schnell, dass diese Thematik keines Aufruhrs bedarf.“
In deinem Buch legst du eindringlich dar, wie sehr unsere Gesellschaft auf Kategorisierung aufbaut. Alles soll „einfach“ sein, in dem Sinne, dass es klare Regeln, ein klares Falsch oder Richtig gibt. Oder anders gesagt: Menschen mögen es, alles in Schubladen zu ordnen. Passt man nicht in den vorgegebenen Rahmen, bekommt man das schnell zu spüren. Was ich so schön an deinem Blick auf die Gesellschaft, auf deine Umwelt empfinde, ist die Empathie, die du aufbringst. Gleichzeitig bist du bestimmt, benennst Probleme und diskriminierende Verhaltensweisen. Du kämpfst dafür, dass wir starre Vorgaben, wie Menschen zu sein haben, anders betrachten, aufweichen, verändern.
Welche Schubladen würdest du gern aus den Schienen reißen?
„Es ist irgendwie auch menschlich, eine Zugehörigkeit finden zu wollen. Auch ich tu’ dies sicher nach wie vor, egal wie sehr ich versuche, es nicht zu tun. Die Frage ist, ob wir es überhaupt irgendwann schaffen, dieses Schubladendenken abzulegen und was das für unsere Gesellschaft bedeuten würde. Ich glaube, letztendlich ist das Wichtigste, zu verstehen, dass die Wände dieser Schubladen offen sind. Wir sind Menschen und nichts zu 100 %, wir entwickeln uns weiter, wir verändern uns, wir wachsen.“
Eng zusammenhängend mit Kategorisierungen sind die Erwartungen, die wir an Menschen, an ihre Rollen stellen. Wir wurden ähnlich sozialisiert, wir haben bestimmte Bilder davon in unseren Köpfen, was als „männlich“, was als „weiblich“ gilt. Das binäre System – Frau und Mann – ist vorherrschend. Aus diesen Vorstellungen ergeben sich ganz konkrete Regeln und Vorgaben, die eingehalten werden, Erwartungen, die erfüllt werden müssen. Ansonsten fallen wir aus der Normativität. Wir fallen auf.
Oft verbiegen wir uns also, um einer Rolle, einer Erwartung zu entsprechen. Wie schaffst du es, einfach du zu sein?
„Letztendlich war es ein kitschiger Kalenderspruch, der einiges in mir bewegt hat: Sei die Version von dir, die du bist, wenn keine*r hinschaut. Es gab viele Gedanken und Gefühle, die ich versuchte, in meinen eigenen vier Wänden zu halten. Aber was bringt mir das? Ich möchte glücklich sein, das ist meine Priorität. Und für mich gehört dazu, mein authentisches Selbst zu leben. Ich hatte keine Wahl: Vor der Transition sah ich keine Zukunft für mich. Lieber eine Zukunft mit Hürden als gar keine.“