Der Versuch, die Welt durch die Begegnung von Zufallsfragmenten aufzuzeichnen: die Logbuch-Trilogie von Aleš Šteger im limitierten Schuber
Die extremste Form der schriftstellerischen Wachsamkeit
Zwölf Jahre lang reist Aleš Šteger um die Welt, besucht zwölf Orte. Zwölf Stunden seines Aufenthalts nutzt er, um zu schreiben: Er zückt Stift und Papier und lässt seine Umgebung auf sich wirken, schreibt Eindrücke nieder, hält Momentaufnahmen mit seiner Kamera fest. Es sind lebendige Orte, die oft unvorhersehbare Geschichten erzählen, die ihm unvergessliche Erinnerungen bescheren, sowohl schöne als auch welche, die betroffen zurücklassen. Das Ergebnis findet sich in drei Bänden, den Logbüchern, die auf eindrucksvolle Weise gesellschaftliche, politische, historische Zustände und Entwicklungen beleuchten. Das Logbuchprojekt versucht, literarisch mit Unmittelbarkeiten und dem reinen, pulsierenden Leben zu arbeiten Mit klarer und doch bildreicher und poetischer Sprache schildert Aleš Šteger von seinen Begegnungen, setzt die Gegenwart in den Kontext geschichtlicher Ereignisse und blickt damit tiefer, taucht unter die Oberfläche, abseits der Touristenpfade.
Auch inmitten einer Katastrophe macht es keinen Sinn, die Katastrophe auszurufen. Aleš Šteger schlägt nur leise Töne an.
Im ersten Band taumelt Aleš Šteger am Tag des prophezeiten Weltuntergangs durch die Hauptstadt seiner Heimat Slowenien, Ljubljana, gefolgt von Minamisoma, das nahe dem Atomkraftwerk von Fukushima liegt. In Mexico City wird er Zeuge einer Demonstration gegen den Umgang der Regierung nach dem Mord an 43 Studenten. Abschließend findet sich der Autor in Belgrad an einer Busstation wieder, trifft syrische Flüchtlinge während ihres Zwischenstopps auf dem Weg nach Ungarn. ´
Das zweite Logbuch der Gegenwart wird mit einem Blick nach Shanghai und der kritischen Auseinandersetzung mit der Überwachung der Menschen durch Künstliche Intelligenz aufgemacht, gewährt einen Eindruck in das pulsierende Leben und die gleichzeitige Bedrohung durch allgegenwärtige Kontrolle. Die traumatische Gulag-Vergangenheit auf den russischen Solowezki-Inseln wird greifbar nahe. Im sächsischen Bautzen erhält der Autor Einblicke in ein ehemaliges Stasi-Gefängnis und sieht sich mit dem Rechtsruck in Politik und Gesellschaft konfrontiert. In Kochi in Südindien endet die Reise, die im zweiten Logbuch beschrieben wird.
Im dritten und letzten Teil findet dieses einzigartige Schreibprojekt seinen Abschluss. Aleš Šteger reist zuerst nach Santiago de Compostela, beobachtet das Aufgehen der Sonne und wandelt auf den Spuren der Covid-Pilger, danach besucht er Feuerland in Chile und berichtet von den kolonialen Ereignissen, angestoßen durch Magellan. In Hargeysa, Somaliland lernt er Überlebende eines vergessenen Völkermords und deren interessante Kultur kennen, und schließt mit einem letzten Tag in White Sands, am Ort der ersten Atombombenexplosion, seine Reise ab.