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Wenn nicht nur Kunstblut fließt – Theresa Prammer und Ursula Poznanski im Gespräch über Krimi und Theater, Realitäten und Fiktion

Krimi und Theater – diese Mischung verspricht abendfüllende Unterhaltung. Nicht nur im Burgtheater, sondern auch Zuhause. Denn: Manche Kriminalromane nehmen uns direkt mit hinter den Vorhang und auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Theresa Prammer lässt die Schauspielschülerin Toni Lorenz zusammen mit Privatdetektiv Edgar Brehm in „Falsche Masken“ bereits zum dritten Mal ermitteln: im Umfeld von Filmsets und Theaterbühnen genau so wie auf den Straßen Wiens. Intrigen, Probleme mit dem allgegenwärtigen Machtgefälle und große Gefühle stehen an der Tagesordnung. Bei Ursula Poznanski mischt sich in „Böses Licht“ Theaterblut mit Mord: Eine Leiche auf der Bühne verwischt die Grenze zwischen Schauspiel und Realität.

Haymon Krimi Verlagsleiterin Linda Müller, Autorin Ursula Poznanski, Autorin Theresa Prammer und Literaturwissenschaftlerin und Podcasterin Irene Zanol präsentieren die Krimi und Theater Bücher, über die sie gesprochen haben

Von links: Linda Müller, Ursula Poznanski, Theresa Prammer und Irene Zanol präsentieren das Thema ihres Gesprächs: Krimis, in denen Film und Theater im Zentrum stehen. In „Schattenriss“ und „Lockvogel“ von Theresa Prammer ermittelt Schauspielschülerin Toni Lorenz, in „Böses Licht“ und „Stille blutet“ von Ursula Poznanski treffen Medienwelt und Theater auf Thriller und (Kunst-)Blut.

 

Haymon Krimi Verlagsleiterin Linda Müller und Literaturwissenschaftlerin und Podcasterin Irene Zanol haben mit den Autorinnen und Schauspielerinnen Theresa Prammer und Ursula Poznanski über „Tod und Theater“ gesprochen. Dafür getroffen haben sie sich im Rahmen des Kultursommers Wien. Krimi und Theater – diese Mischung verspricht nicht nur durchlesene Nächte, sondern auch Einblicke in die Welt hinter Scheinwerferlicht und Kamera. Welche Stücke Theresa Prammer und Ursula Poznanski inspirieren und wie sich die Debatte um MeToo auch in ihren Krimis spiegelt, kannst du hier nachlesen.

Irene Zanol und Linda Müller: Es macht uns allen viel Spaß, mithilfe von Kriminalromanen durch die Orte zu schreiten, die man kennt oder sogar bewohnt; oder auch Sehnsuchtsorte zu bereisen. Ursula, du wählst gerne ausgefallene Schauplätze für deine Krimis. Dein Buch „Böses Licht“ führt die Leser*innen zum einen ins Burgtheater und zum anderen zu den Salzburger Festspielen. Nach welchen Kriterien wählst du Schauplätze aus? Warum fiel die Wahl bei „Böses Licht“ aufs Theater?

 

Ursula Poznanski: Ich hatte schon ganz lange den Wunsch, einmal einen Krimi zu schreiben, der im Theater spielt. Ich habe lange in der Wiener Staatsoper statiert und habe mir gedacht, vielleicht mach ich was, das in der Oper spielt – die kenn ich ja noch ein bisschen besser … aber dann habe ich mir überlegt, das, was mir vorschwebt, funktioniert im Sprechtheater einfach besser; es haben sicher mehr Leute eine Vorstellung davon. Die Oper hat ja doch ein sehr spezifisches Publikum und Shakespeare, damit ist fast jeder schon einmal in Berührung gekommen. Man muss nie im Burgtheater gewesen sein, um sich vorstellen zu können, wie ein Theater aussieht. Das gesprochene Wort lässt sich auch viel besser in den Plot hineinarbeiten, weil ein Buch, das hat mehr mit Sprache zu tun und weniger mit Musik.

 

Linda Müller: Eine, die die Szenerie hinter den Kulissen und im Theater sehr genau kennt, die Ursula Poznanski beschreibt, ist Theresa Prammer. Im Buch „Böses Licht“ werden die Gefühle von Jasper geschildert, der auf Knien rutschen möchte aus Dankbarkeit für seinen Beruf als Schauspieler. Theresa, inwiefern kommt dir das bekannt vor?

Theresa Prammer: Wahnsinnig bekannt! Nein, ich war ja fast bis 2015 hauptberuflich Schauspielerin und als dann die „Wiener Totenlieder“ draußen waren und es absehbar war, dass sich beides nicht mehr hundertprozentig ausgeht … da muss ich sagen, ich hab mich sofort fürs Schreiben entschieden. Und ich bin sehr glücklich damit. Schauspielerin ist ein wahnsinnig toller Beruf und es ist ein schöner Beruf, aber es ist hart. Du hast so viele Vorsprechen und Castings, in der Woche circa drei bis vier. Und wenn du einmal im Monat irgendwas kriegst, dann bist du gut unterwegs. Dann sind’s aber manchmal Sachen, die du überhaupt nicht machen willst. Also was ich da schon für G‘schichtln mit Regisseuren und Regisseurinnen kenne, die Bierdosen wirklich knapp an dir vorbei geschmissen haben, weil sie das Gefühl hatten, du bist nicht wach genug bei der Probe … Es ist ein Traumberuf, es ist ein schöner Beruf, aber am Boden der Realität liebe ich das Schreiben ein bisschen mehr.

 

Linda Müller: Theresa, gibt es eine Rolle, die du gespielt hast und die dir besonders positiv in Erinnerung geblieben ist?

Theresa Prammer: Ja, tatsächlich schon. Das war mein Debüt am Burgtheater, das war von Turrini „Die Liebe in Madagaskar“. Ich habe die Tochter von Otto Schenk gespielt. Der nicht so schmeichelhafte Rollenname war „der fette Engel“, ich hab einen Fatsuit angehabt, aber es war super.

 

Linda Müller: Gibt’s für euch beide, abgesehen von Shakespeare, Theatertexte oder -stücke, die euch sehr geprägt haben im Schreiben?

Ursula Poznanski: In „Böses Licht“ probt das Ensemble relativ flott „Dantons Tod“ von Büchner, das mag ich sehr gern, von dem gibt’s ja nicht so viel, weil er nicht sehr alt geworden ist. Aber nicht jeder meiner Romane spiegelt jetzt zwingend was Theatralisches – aber doch immer wieder. Ich hab auch in einem Jugendroman einen Protagonisten, der sich gerade auf eine Aufnahmeprüfung in einer Schauspielschule vorbereitet und ich genieße es dann schon sehr, die Texte durchzuarbeiten und mich zu fragen: „Hehe, was lasse ich ihn jetzt vorsprechen?“ Ich hab schon eine große Affinität zum Theater und zu Theatertexten … vielleicht schreib ich einmal ein Stück, weiß ich nicht. Also konkrete Pläne gibt’s keine.

Theresa Prammer: Ja, also, in „Falsche Masken“ hat es mir gut gefallen, dass ich im Burgtheater eine Inszenierung von „Cyrano de Bergerac“ spielen lassen kann, bei der ich die Geschlechterrollen vertauscht habe. Der Cyrano ist bei mir die Cyrano und ich hab da alles umgedreht. Das Stück find ich wahnsinnig toll und ich hab’s irrsinnig gern. Ich glaub, dass die Geschlechterrollen umgedreht sind, das gibt’s tatsächlich noch nicht.
Und sonst, ich schreib ja auch Theaterstücke und ich hab ein großes Vorbild, neben Shakespeare: Neil Simon. Ich weiß nicht, ob der jetzt so bekannt ist. Der hat in den 60er Jahren „Ein ungleiches Paar“ – besonders den Film kennt man – und „Barfuß im Park“ geschrieben. Er hat so einen wahnsinnigen Wortwitz, aber so einen unaufdringlichen und so einen ganz intelligenten … und seine Figuren haben so viel Tiefe, obwohl es unglaublich lustig ist und manchmal auch Klamauk, aber es funktioniert auf so vielen Ebenen.


Foto: © Janine Guldener

Es war mir ein großes Anliegen, über die MeToo-Thematik zu schreiben, weil es wirklich Teil einer Realität ist.

– Theresa Prammer

Linda Müller: Nicht nur auf der Bühne passieren tragische und schlimme Dinge, auch in der Realität von Schauspielerinnen und Schauspielern, Theater- und Filmmachenden gibt es oft sehr dunkle und düstere Seiten. Und es kommt nicht von ungefähr, dass beide Bücher von dir, Theresa, auch „MeToo“ thematisieren. Eure Bücher zeigen sehr eindringlich die Mechanismen von Machtmissbrauch in der Theater- und Filmszene. Inwiefern war es euch ein Anliegen, dieses Thema in eure Kriminalromane einzubringen und inwiefern gehört es zum Themenkomplex Theater und Film dazu?

Ursula Poznanski: Die Idee dazu ist in mir gewachsen, weil zu dem Zeitpunkt, als ich begonnen habe, mir die Handlung zu überlegen, gerade eine Reihe von Schauspielerinnen und Regisseuren gesagt haben: „Ja super, dass es jetzt in Amerika alle möglichen Maßnahmen gibt, bei uns gibt’s die nicht und wir haben aber genau die gleichen Probleme. Und sie sind schlimm.“ Es gibt eine Reihe von sehr etablierten Regisseuren und Schauspielern, die es beinhart ausnutzen, dass sie so einen großen Namen haben und es jungen Schauspielerinnen super schwer machen, auf ‚normale‘ Art und Weise Karriere zu machen. Grad auch auf der Bühne ist das ein Thema. Ich hab das in meiner Zeit an der Staatsoper am Rande mitbekommen, wobei einen das als Statistin nicht in dem Maß betrifft, weil man dort nicht seine Karriere machen will. Und wenn einen jemand begrapschen möchte, kann man ganz gut die Kurve machen, weil niemand weiß, wie man heißt und niemand weiß, wer man ist. Man verschwindet einfach um die nächste Ecke und alles ist gut. Für jemanden, der seinen Beruf dort haben möchte und sein Geld dort verdienen möchte, ist das eine viel schwierigere Situation. Die sich auch einfach wahnsinnig gut in einem Krimi verarbeiten lässt.

MeToo-Debatte 

Die Diskussion um Machtmissbrauch, vor allem sexuelle Belästigung gegenüber Frauen, in der Film- und Theaterszene geht auf den Hashtag „MeToo“ zurück. Dieser greift eine ältere feministische Online-Kampagne auf, die Empathie und Zusammenhalt für afroamerikanische Frauen fördern sollte, die Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch machen mussten. 2017 wurde daran angeknüpft, um öffentlich über Machtmissbrauch zu sprechen und diesen publik zu machen.

Theresa Prammer: Es war mir ein großes Anliegen, weil es wirklich Teil einer Realität ist. Was sehr interessant war bei diesem ganzen „MeToo“: Wie das auf einmal aufgekommen ist, da war ich noch hauptberuflich Schauspielerin und erst da sind wir wirklich drauf gekommen, aha, diese Sachen haben System. Das ist gar nicht etwas, das zum Alltag gehört.
Rückblickend wirken viele Situationen absurd. Ganz am Anfang meiner Schauspielkarriere hatte ich ein Vorsprechen bei einem sehr renommierten Regisseur. Nachher hat der mir gesagt: „Ja, das war sehr gut, das hat mir sehr gut gefallen und wenn wir jetzt miteinander ins Hotel gehen und du gefügig bist, dann werde ich was für deine Karriere tun.“ Ich war so überrascht! Ich war damals wahnsinnig naiv, ich hab gelacht, weil es mir so unangenehm war. Ich hab gesagt: „Vielen Dank“, bin gegangen und hab nie wieder was von dem gehört. Aber wenn man das jetzt rückblickend betrachtet, was der da gemacht hat – das ist eigentlich irre und für mich noch immer unverständlich. Aber es war damals nicht ungewöhnlich. Hut ab vor allen, die in die Öffentlichkeit gehen und das sagen. Ich kenne noch sehr viele weitere Fälle, wo das öffentliche Aufzeigen von Problemen nicht so glimpflich ausgegangen ist: Bei denen wird gleich dagegen geklagt und die werden mundtot gemacht. Weil: Weg ist das Problem noch immer nicht. Daher find ich es gut, wenn man das immer wieder hervorholt; realistisch und ruhig beschreibt, wie es ist.
Manchmal ist es auch so zwiespältig. Weil bei den Proben besteht ein ganz nahes Verhältnis mit dem Regisseur, man ist dann sehr körperlich – der kommt zu dir und zeigt dir, wie er was gespielt haben will und wie du dein ganzes Talent einbringst und deine Leidenschaft. Da werden schon Grenzen überschritten. Und wenn er sehr freundlich zu dir ist, dann weißt du nicht, ist er jetzt so nett zu mir, weil wir ein gutes Arbeitsverhältnis haben, oder ist das jetzt mehr? Das ist, überhaupt als junge Schauspielerin, verwirrend. Es ist ja jetzt nicht so, dass ich sage, das ist ein grauslicher Grabscher, den will ich nicht mehr. Es sind diese Zwischenebenen, in denen die Position, in der du als Schauspielerin bist, eine sehr verletzliche ist. Und die wird manchmal beinhart ausgenutzt.

 

 

Hörempfehlung: 

Wer nicht nur mehr zu den Themen Krimi, Theater und MeToo wissen will, sondern auch Theresa Prammer aus „Falsche Masken“ und Ursula Poznanski aus „Böses Licht“ lesen hören möchte, kann das ganze Gespräch als Podcast bei „Auf Buchfühlung“ nachhören!

 

 

Live-Fernsehen mal anders! Die berühmte Schauspielerin Julia Didier gesteht einen Mord: live auf Sendung. Aber warum? Trotz dieses öffentlichen Schuldbekenntnisses bleibt die Kriminalpolizei am Anfang ihrer Ermittlungen stecken, denn das Motiv ist völlig unklar und weitere Aussagen von Julia Didier sind vorerst nicht zu erwarten: Sie befindet sich mittlerweile im Koma! Währenddessen sind Privatdetektiv Edgar Brehm und Schauspielschülerin Toni Lorenz mit einem Fall von Einbruchsdiebstahl beschäftigt. Ihr Auftraggeber ist der Psychologe der österreichischen High-Society, der auch das Ehepaar Didier behandelt hat. Dass die Akten seiner Patient*innen verschwunden sind, macht ihn nervös. Was verbergen Fernsehwelt und Theaterbühne und was kommt zum Vorschein, wenn die Masken fallen?

das Cover zu Böses Licht von Ursula Poznanski

„Böses Licht“ von Ursula Poznanski

erschienen bei Droemer Knaur 2023

 

 

Ein Mord im Burgtheater: alltägliche Inszenierung oder reales Entsetzen? Shakespeares Richard III wird am Wiener Burgtheater gespielt – dabei darf eine Menge Kunstblut nicht fehlen. Daher fällt es zunächst niemanden auf: Die Leiche, die von der Bühnentechnik ins Rampenlicht befördert wird, ist echt. Dass es der altgediente Garderobier ist, löst Unbehagen und Ratlosigkeit aus – der Mann hatte keine Feinde und war bei allen beliebt. Trotz dieser Umstände muss das Ensemble nach Salzburg reisen: Die Festspiele rufen! Mit ihnen kommt die junge Wiener Kommissarin Fina Plank, die zwischen hysterischen Künstler*innen, verstörenden Drohungen und einem unliebsamen Kollegen ermitteln muss.

Wenn die Realität der Fiktion in nichts nachsteht. True Crime von Mark Benecke und Romy Hausmann

Mark Benecke und Romy Hausmann denken sich nicht nur ihre eigenen Kriminalgeschichten aus, sondern bereiten in ihren Büchern auch tatsächliche Mordfälle auf. Sie nehmen uns mit zu forensischen Untersuchungen, lassen uns an den Ermittlungen teilhaben, bringen die Hintergründe ans Licht und geben Einblicke ins Denken von Täter*innen und die Empfindungen von Opfern und Hinterbliebenen.

Massenphänomen mit Tradition

Wenn wir ehrlich miteinander sind, dann ist sie schon etwas makaber, unsere Lust an Kriminalfällen abseits der Fiktion. War es in unseren Breiten lange ein Nischeninteresse für eingeschworene Kenner*innen – Medical Detectives um 02:00 auf Vox –, für das man zuweilen verstörte Blicke erntete, hat True Crime in den letzten Jahren einen absoluten Boom erlebt. Podcasts schossen wie Pilze aus dem Moos. Zahlreiche TV-Produktionen über die unglaublichsten Morde und abscheulichsten Serientäter*innen wurden aus dem Boden gestampft.

Das Interesse für wahre Kriminalfälle war allerdings immer schon da.

Im 19. Jahrhundert etwa hielt die Boulevardpresse ein Millionenpublikum in Atem, das gespannt die Gräueltaten von Jack the Ripper mitverfolgte. Doch was macht sie nun aus, unsere Faszination für die schonungslose Realität, die oft grausamer ist als die Fiktion selbst?

Nervenkitzel oder Verteidigungsstrategie?

Ist es etwa das Adrenalin, das unser Hirn überschwemmt und uns süchtig macht, daheim unter der sicheren Decke? Ist es die Neugier, einen Blick in den Kopf von Gewalttäter*innen zu wagen, in menschliche Abgründe zu blicken, immer in der Hoffnung, dass niemand zurückblickt? Ist es eine fast schon spielerische Freude am Rätsel oder gar der Wunsch nach Gerechtigkeit, der uns über ungelöste Kriminalfälle brüten lässt? Oder geht es um einen Lerneffekt, um Wissen, das hilft, nicht selbst zum Opfer zu werden?

Die Grenzen zum Voyeurismus sind fließend und schnell vergessen wir, dass es sich nicht nur um echte Fälle, sondern auch um echte Personen handelt, die diesen spektakulären Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sind. Individuen mit Gefühlen, mit einer Vergangenheit und einer Zukunft, die ihnen gewaltsam geraubt wurde. Um sich mit True Crime jenseits von Sensationsgier und Effekthascherei zu befassen, braucht es vor allem eines: Empathie; die Bereitschaft, sich nicht nur in die Opfer sondern auch in deren Angehörige hineinzuversetzen, die nicht nur mit dem Verlust, sondern auch damit leben müssen, dass ihre ganz persönliche Tragödie öffentlich diskutiert und in gewisser Weise auch vermarktet wird.

Romy Hausmann, fotografiert von Christian Faustus.

Romy Hausmann: viel mehr als Fakten

Eine Autorin, die Unterhaltung und Feingefühl souverän verbindet, ist Romy Hausmann. Die Spiegel-Bestseller-Autorin ist nicht nur für ihre Thriller bekannt, sondern zeigt in ihrem Buch „True Crime. Der Abgrund in dir“ (2022, dtv), dass das echte Leben mit jedem Thriller mithalten kann.

Einfühlsam sammelt sie nicht nur Fallbeispiele, sondern verdichtet die Erkenntnisse, die sie im Gespräch mit Opfern, Hinterbliebenen und Expert*innen gewonnen hat in Tagebucherzählungen, die abseits von reinen Fakten auch die Gefühle der Betroffenen in den Blick nehmen und auch danach fragen, wie diese mit dem Unfassbaren abschließen können.

Dipl.-Biol. Dr. rer. medic., M.Sc., Ph.D. Mark Benecke

Mark Benecke fotografiert von Thomas van de Scheck.

Mark Benecke: von Insekten und Kannibalen

Tiefe Einblicke in die Welt der Kriminalbiologie und forensischen Entomologie – also die Wissenschaft von Krabbeltierchen und wie man sie für Ermittlungen nutzen kann – gibt Dr. Mark Benecke, Tausendsassa und einer der prominentesten Sterne am heimischen True Crime-Himmel. Obwohl Stern vielleicht der falsche Begriff ist, denn Mark Benecke findet man eher auf der dunklen Seite des Mondes, gilt seine Leidenschaft nicht nur der Forensik, sondern auch düsterer Musik, Vampiren, Tattoos und der Gothic-Szene. In seiner Rolle als True Crime Experte, sei es in TV-Serien oder seinen eigenen Büchern, zeigt der Kriminalbiologe immer wieder, dass es sich lohnt, auf das vermeintlich Unscheinbare zu achten und das scheinbar Unmögliche in Betracht zu ziehen. Mark Beneckes Expertise und besondere Perspektive fließt auch in seine Kriminalromane ein. Zuletzt erschienen ist „Kannibal. Jagdrausch“, in dem bei den Ermittler*innen der grausige Verdacht aufkommt, dass sie es vielleicht mit einem Fall von Kannibalismus zu tun haben.

„Es sind die Tiefen und die Wahrhaftigkeit der Personen, die mich interessieren.“ – Theresa Prammer im Interview

Auf der Bühne verkörpert Theresa Prammer die Charaktere anderer und inszeniert Geschichten. In ihren Büchern erweckt sie ihre eigenen Figuren zum Leben. Buch oder Bühne? Für Theresa Prammer ist klar, es muss kein Entweder-Oder sein. Nach wie vor ist die Autorin auch als Schauspielerin und Regisseurin tätig. Für ihre Leser*innen öffnet sie, vor allem durch die Schauspielschülerin Toni in „Schattenriss“, weit den Theatervorhang und lässt hinter die Kulissen blicken.

Du erzählst nicht nur in deinen Büchern, sondern auch auf der Theaterbühne Geschichten. Welche Gemeinsamkeiten gibt es bei den verschiedenen Erzählarten und welche Unterschiede? Welche Herausforderungen begegnen dir dabei und wie gehst du damit um?

Ich liebe beides, beim Roman entstehen die Bilder im Kopf, im Theater auf der Bühne. Beim Schreiben sehe ich die Szene immer vor mir – beim Buch eher wie im Film, die fünf Sinne der Protagonisten, ihr Innenleben und die Umgebung/Atmosphäre spielen eine große Rolle. Beim Schreiben eines Stücks ist das zwar auch wichtig, aber da fokussiere ich mich mehr auf die Interaktionen und den Dialog.

Die Herausforderungen sind immer die gleichen – die Seele und das Hirn beim Schreiben auf einen Nenner zu bringen.

Wie bereitest du dich für die Verkörperung von Rollen vor und wie gehst du bei der Erschaffung von Figuren vor?

Theresa Prammer, fotografiert von Janine Guldener.

Das Wichtigste in beiden Fällen, egal ob Rolle oder Figur, ich muss sie verstehen. Und zwar richtig verstehen, ihre Geschichte, ihre Vergangenheit, ihre Beweggründe. Im Theater kann ich den Subtext nur zeigen – das, was die Rolle vielleicht überspielt, nicht zugeben will, während sie mit dem Text etwas anderes sagt. Im Roman habe ich mehr Freiheit, ich kann die Leser ganz nah an die Person heranführen, sie in die Seele hineinführen und diese Ambivalenz direkt miterleben lassen. Ob Theater oder Buch, in beiden Fällen sind die Tiefen und die Wahrhaftigkeit der Personen das, was mich interessiert. Und ich bin sowohl beim Schreiben als auch auf der Bühne immer ein bisschen verliebt in meine Figuren.

Inspirieren dich Theater und Film für deine eigenen Geschichten als Autorin?

Unbedingt. Und auch Musik und Bücher (ich könnte ohne Buch nicht einschlafen).

Helfen dir deine Erfahrungen als Schauspielerin und Regisseurin als Autorin oder greifen diese Tätigkeiten sogar ineinander?

Auf jeden Fall. Ich glaube generell, die eigene Kreativität ist wie eine große üppige Torte. Und alles, was man kreativ tut, dekoriert diese Torte. Da kommen brennende Kerzen dazu, eine weitere Cremeschicht, Zuckerguss, Marzipan, etc. Diese Torte gehört gepflegt und beschützt, sonst schmilzt sie dahin.

Einen Einblick in ein Leben auf der Bühne erlaubst du deinen Leser*innen mit der Schauspielschülerin Toni, welche Edgar Brehm bei seinen Ermittlungen unterstützt. Wie entscheidest du, wie weit du den Vorhang für deine Leser*innen lüftest?

Ich schreibe immer mit ganz weit geöffnetem Vorhang 🙂 .

Zum Mitfiebern: „Schattenriss” von Theresa Prammer.

Decken sich Tonis Erfahrungen als Schauspielschülerin mit deinen eigenen?

Was die Schauspiel-Übungen betrifft – alles was Toni macht, habe ich auch gemacht. Und da mein Mann und ich seit sieben Jahren eine Schauspielakademie für Jugendliche leiten, bin ich da auch recht nah dran. Tonis direkte Erfahrungen decken sich vielleicht manchmal mit meinen eigenen, aber in ganz anderer Form.

Welche Tipps würdest du Toni und anderen angehenden Schauspieler*innen für ihren Traumberuf geben?

Glaub an dich. Hör nie auf zu lernen und dich weiterzuentwickeln.
Sei mutig und radikal ehrlich zu dir selbst. Finde etwas an jeder Rolle, das du liebst.
Geh mit ganzem Herzen rein, riskiere es, Fehler zu machen und zu scheitern.
Wenn du mit Rückschlägen kämpfst, frage dich: Warum geschieht das FÜR mich?
Hör dir Kritik von den für dich richtigen Leuten an. Wenn sie dich trifft, schlaf drüber, schreib deine Gedanken dazu am nächsten Morgen auf und entscheide dann, ob sie (oder welcher Teil davon) berechtigt ist. Und vergiss nie, alle „kochen nur mit Wasser“.

Edgar Brehm, ehemaliger Kommissar und jetzt Privatdetektiv, verschlossen und mürrisch, aber mit einem riesigen Herz, und Toni Lorenz, Schauspielschülerin am Konservatorium in Wien, offen, mutig und mit ihrem persönlichen Rucksack voller negativer Erfahrungen beladen: ein Ermittlerteam, das ungleicher nicht sein könnte. Und dabei doch so gut zusammenpasst.
Wenn Toni und Edgar an einem Fall arbeiten, gönnt uns Theresa Prammer keine Atempause: auf Theaterbühnen und Filmsets, auf den Straßen Wiens, von der Donau bis in den Prater lösen die beiden Fälle, die unter die Haut gehen. Emotional, aufwühlend und mitreißend bis zum letzten Wort.

Mehr Infos zum Buch gibt es hier!