Schlagwort: Feminismus

„Geschichten wie jene von Kerstin schärfen unseren Blick auf das, wo wir hinschauen sollten: Gewalt, Not, Bedürftigkeit.“ – ein Interview mit Judith Leopold

Kerstin Opiela wird 1991 geboren, wächst in Wien auf, geht zur Schule, erlebt aber eine Kindheit, die weit von einer Bilderbuchvorstellung entfernt ist. Da ist ein Vater, der nicht da ist, und eine Mutter, die Betreuungspflichten nicht wahrnehmen kann und darf, Armut, Kinderheime, die höchstens Aufbewahrungsstätten sind. Es folgen Obdachlosigkeit, Teenager-Schwangerschaft und Teenager-Mutterschaft. Kerstins Teilnahme bei „Teenager werden Mütter“ verändert schließlich (fast) alles. Was einerseits eine Einladung zur Massenkritik und Belustigung bietet, ist andererseits ein Sprungbrett, eine neue Möglichkeit, das Leben wieder selbst gestalten zu können.

Heute geht es Kerstin darum, Mut zu machen. Den Mädchen und Frauen, die Ähnliches erleiden, denen, die von Gewalt betroffen sind. Und dabei auch die Kontrolle über das Narrativ rund um ihre Person zurückzuerlangen. Kerstin hat ihre Geschichte der Journalistin Judith Leopold erzählt, die sie seit langem begleitet. Judith hat diese Geschichte aufgeschrieben – ein emanzipatorischer Akt, der die Kerstin hinter der Schlagzeile zeigt.

Im Interview sprechen wir mit Judith über die Entstehung von „Kerstin unscripted“, Kerstins vielschichtige Persönlichkeit, den Umgang mit sensiblen Themen wie Gewalt und Missbrauch sowie die Relevanz ihrer Geschichte für uns alle.

Kerstin kennen viele aus „Teenager werden Mütter“ als Person aus dem „Trash TV“, als eine Person des öffentlichen Lebens. Wie oder als wen kennst du Kerstin?

Am Anfang des Buches nenne ich sie Rockstar-Elfe, weil sie viele Seiten hat: Kerstin ist ein bisserl verrückt, ziemlich chaotisch, wie sie sich oft selber beschreibt, dazu verpeilt, lustig. So kommt sie auch bei „Teenager werden Mütter“ rüber. Aber sie hat auch noch ganz andere Seiten, die nicht so grell sind. Ich habe sie in den letzten Jahren als liebevoll, verzeihend, reflektiert und tief empathisch für Familie und Menschen in ihrer Umgebung erlebt. Öfter schien sie mir durch ihre Ansichten und Werte vernünftiger als viel älteren Menschen in ihrem Umfeld. Aber: Wenn ihr etwas gegen den Strich geht, sie zum Beispiel im Netz gehated wird, kann sie auch aufdrehen und sehr wütend werden. Das ist aber bis zu einem gewissen Grad auch eine wichtige, sehr gesunde Reaktion.

 

Schon der Titel „Kerstin unscripted“ deutet darauf hin, dass das Buch eben keine Standardbiografie sein soll, sondern hinter die Kulissen, hinter die Schlagzeilen blicken möchte. Wie bist du auf die Idee gekommen, so ein Buch zu schreiben? Was war dir besonders wichtig bei diesem Buch und warum braucht es genau dieses Buch?

Kerstin und ich kennen uns flüchtig seit vielen Jahren, weil ich immer wieder Storys über sie und die Show gebracht habe in meiner redaktionellen Tätigkeit für eine große Tageszeitung. Vor einiger Zeit hat sie den Wunsch geäußert, ihre Geschichte umfassend zu erzählen. In Buchform! Sofort war klar, dass wir das miteinander machen wollen. Warum? Weil ich selber sehr neugierig war und hinter die Fassade dieser Frau schauen wollte. Mich hat schon lange interessiert, wer sie wirklich ist. In „Teenager werden Mütter“ hat Kerstin immer wieder kleine Details ihrer Vergangenheit preisgegeben. Dass sie als Kind im Heim war, dass es mit ihren Eltern schwierig gelaufen ist, wie viel Gewalt sie erfahren hat, dass sie als Jugendliche auf der Straße gelandet ist. All diese Themen, wie sie sie geschildert hat, fast nebenbei, das hat etwas mit mir gemacht. Da wollte ich wissen, wie diese junge Frau es von so weit unten wieder hinaufgeschafft hat.

Das ist auch der Grund, warum es dieses Buch dringend braucht: Durch persönliche Geschichten werden uns Erlebnisse, die viele Menschen betreffen, nähergebracht. Wir schauen hin, wo wir sonst lieber ausblenden, weil es weh tut oder unangenehm ist. Ich kenne das selbst auch, sich einzulassen holt uns aus der Komfortzone raus, in der wir doch gerne gemütlich verharren wollen. Aber andere Lebensrealitäten kennenzulernen hilft uns, Empathie für jene Menschen zu empfinden, die wir nicht kennen, die es aber auch gibt. Geschichten wie jene von Kerstin – wie wir uns sehr wünschen würden – schärfen unseren Blick auf das, wo wir hinschauen sollten: Gewalt, Not, Bedürftigkeit. Und sehend durch die Welt zu gehen, mehr wahrzunehmen, was um uns passiert, das ist der erste Schritt, etwas besser zu machen.

Das Buch befasst sich mit Themen wie (Macht-)Missbrauch und mit traumatischen Ereignissen. Wie war der Entstehungsprozess des Buches, die dazugehörenden Gespräche mit Kerstin und das Niederschreiben für dich? Gab es Besonderheiten oder Herausforderungen im Schreibprozess und worauf musstest du spezifisch achten?

Für mich hat das Projekt so richtig angefangen mit der prall gefüllten, schweren blauen Ringmappe, in der Kerstin alle medizinischen Unterlagen, Berichte von Psycholog*innen, Briefe und Protokolle vom Jugendamt und ihren Heimaufenthalten gesammelt hat. Die hat sie mir eines schönen Frühlingstages rübergeschoben und gemeint: „Das nimmst jetzt mit.“ Ohne den geringsten Zweifel hat sie mir in dem Moment große Stücke ihres Lebens überlassen. Ich habe sie genommen, und da wussten wir beide: Wir können und wollen einander vertrauen.

Diese Unterlagen, wo ich plötzlich von tiefgehenden Schwierigkeiten in der Kindheit gelesen habe oder Medikamentengaben, von Familienaufstellungen oder Tagebucheinträgen, waren oft Ausgangspunkt für unsere zahlreichen Gespräche. Das war in Summe sehr herausfordernd für mich, weil vieles an Kerstins Leben mich tief berührt hat. Ich musste darauf achten, immer wieder Pausen einzulegen, damit ich die nötige Distanz und Objektivität, die es für ein solches Projekt auch braucht, nicht verliere. Besonders wichtig war für mich von der ersten bis zur letzten Zeile, Kerstin gerecht zu werden, sie bestmöglich einzufangen, Zusammenhänge zu erklären und in Perspektive zu setzen. Da waren auch alle vom Verlag mehr als hilfreich und haben mich in allen Punkten unterstützt.

 

Kerstins Erzählungen werden immer wieder mit Einschüben ergänzt, in denen Expert*innen das Geschehene einordnen und auch versuchen, es zu erklären. Wie war es für dich, zusätzlich eine außenstehende Perspektive auf die Geschehnisse einzubinden? Ist es dir schwergefallen, diese Einordnungen beziehungsweise Erklärungen mit Kerstins Geschichte zu verknüpfen?

Jede einzelne Expert*inneneinschätzung hat dem Projekt sehr gutgetan und ich bin dankbar, dass fast alle, die ich dabeihaben wollte, gleich mitgemacht haben. Yvonne Widler und Agota Lavoyers Expertisen zum Thema Gewaltstrukturen zeigen zum Beispiel deutlich: Kerstin ist nicht die einzige Frau, die Gewalt so oder ähnlich erlebt hat. Es ist schauderhaft, wie sehr sich Schicksale wiederholen können, wie viel wir über Opferschutz wissen und doch zu wenig verhindern können.

Die Verknüpfungen zwischen Kerstins Leben und einem großen Ganzen waren sehr wichtig für das Buch. Schwergefallen ist mir interessanterweise, dass ich an manchen Stellen fast zu detailliert gedacht habe. Gerne noch mehr und weiter erforscht hätte, wie Kerstins Leben anders laufen hätte können. Lösungen finden. Doch auch das ist wichtig, den roten Faden, die eigentliche Mission nicht aus den Augen zu verlieren. Und das ist: Kerstins Geschichte zu erzählen.

 

Im Buch lesen wir folgende Stelle:

„Diese Geschichte, die ich erlebt habe, ist nicht nur meine alleine. Die Details sind meine persönlichen Erlebnisse. Aber das große, beängstigende Ganze ist etwas, das viele Frauen erleben. Tagtäglich. Junge, alte, reiche, arme, komplett wurscht, wie sie ausschauen, wer sie sind, wo sie im Leben stehen. Es kann alle treffen. Ich rede von Gewalt. In allen grausigen Facetten: Körperlich, psychisch. Schläge, Watschen, Tritte, Würgerei, Beschimpfungen, Anschreierei, Niedermachen. Meine Geschichte ist eine von vielen. Und ja, leider auch eine von vielen, die nicht verhindert wurde. Nicht von mir selbst, nicht von anderen. Denn die Gewalt, die mir ein Mann antat, die fand nicht (nur) im stillen Kämmerlein statt. Sondern auch oft genug auf der Straße, in einer U-Bahn-Station, vor Zeug:innen.“

Was muss sich in der Gesellschaft ändern, damit Frauen mehr gehört werden, damit ihnen geglaubt wird, damit sie geschützt werden?

Darauf würde ich gerne die ultimative Antwort haben, die ich, SPOILER, leider nicht habe. Aber: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir viel für unsere eigenen Leben mitnehmen können, wenn wir einander zuhören, wenn wir offen sind für die Geschichten und Erlebnisse anderer Menschen. Besonders auch, wenn es sich um andere Lebensrealitäten dreht. Das kann ein Beginn sein: offen zuhören, ohne Erwartungen zu haben, das Gehörte wirken lassen. Manche Strukturen, wenn es zum Beispiel um Gewalt geht, werden uns immer wieder begegnen. Die Ähnlichkeiten sind erschreckend. Und dann sollte irgendwann der Punkt kommen, an dem sich die Frage stellt: Wie gehe ich damit um, was kann ich in meinem Umfeld ändern? Es ist, wie die Expertinnen Yvonne Widler und Agota Layover im Buch sagen: Es muss ein strukturelles Umdenken stattfinden. Mit den Männern und nicht gegen sie. Das kann bei unseren Söhnen anfangen, denen wir Empathie lehren und nicht nur vorleben, ein „hoarter Kerl“ zu sein. Das kann in der Schule sein, dass wir einfordern, Rollenklischees stärker aufzubrechen. Und ja, es muss auch immer wieder die Forderung an unsere Politik sein, dass Frauen Männern gleichgestellt werden, die Care-Arbeit aufgeteilt wird. Wir müssen zusammen Verantwortung tragen und nicht nach Geschlecht einteilen.

 

Beim Lesen wird auch deutlich, dass Kerstin trotz alldem, was ihr widerfahren ist, hoffnungsvoll geblieben ist. Das zeigt diese Stelle sehr eindrücklich:

„Mit wild klopfendem Herzen setze ich mich neben den Schienen ins Gras und spüre deutlicher als je zuvor, dass ich leben will! Ich will dieses Leben genießen, Freude haben, ich will alle Facetten erleben, ich will mich verlieben, will vielleicht einmal eine Familie gründen, etwas Sinnvolles anfangen mit meinem Dasein. Das ist mein Pakt mit mir selbst in dieser kühlen Nacht, unter den Sternen, als der Zug längst vorbeigefahren ist an mir und ich dort bin, wo ich hingehöre: im Leben. Kurz denke ich noch nach über meine Gefühle, die mich fast überwältigt hätten. Die Gedanken sausen mir noch immer durch den Kopf, aber es gelingt mir, ein bisschen stiller zu werden. Vielleicht schaffe ich das jeden Tag, nehme ich mir vor, ein bisschen mehr Stille im Kopf und in meinem Herzen, Ruhe und, wenn ich Glück habe, etwas Zufriedenheit zu fühlen. Nach einer Weile breche ich auf, erfüllt von diesen neuen Vorhaben und mit Bildern einer Zukunft, die ich mir erträume. Ein Mann in meinem Leben, der mich sehr gern hat, Kinder und ein Zuhause, in dem ich mich wirklich angekommen fühlen kann. Und singen will ich! So laut, dass alle mich hören können!“

Was ist für dich die wichtigste Botschaft, die wir aus Kerstins Geschichte mitnehmen sollten?

Eine wichtige, für mich sehr kraftvolle Botschaft aus Kerstins Geschichte ist, dass wir für unser Leben immer wieder kämpfen sollten, auch in harten Zeiten, denn es zahlt sich aus. Wir wissen nicht, ob es morgen oder nächste Woche nicht schon besser läuft! Positiv bleiben, auch wenn es schwerfällt; andere Menschen unterstützen, wenn diese es zurzeit nicht leicht haben. Für mich ist Kerstins Geschichte eine tief Menschliche, aus der viele Menschen (hoffentlich) etwas mitnehmen können. Ich habe mitgenommen, dass man auch ganz unten zumindest immer noch sich selber hat und vielleicht ein bisserl Humor, um schwere Zeiten zu ertragen.


Über Machtmissbrauch, Resilienz und den Menschen, der hinter der Schlagzeile steht: Kerstin

Kerstin spricht über die unzähligen Momente, in denen sie stark sein musste, sich allein fühlte, über die Momente, in denen sie trotz allem optimistisch in die Zukunft blickte. Leser*innen lernen die Kerstin hinter der Kulisse – hinter der Schlagzeile – kennen. Kerstins Ziel: Jenen Hoffnung zu geben, die nicht mehr weiterwissen, und eine Stimme zu sein für die, die keine eigene haben. Das hier ist ihre Geschichte.

Erhältlich online und überall, wo es Bücher gibt.

„Lyrik ist immer Verdichten“ – ein Interview mit Jule Weber

Wie navigiert man durch eine laute Welt voller Geräusche, Gedanken und Erinnerungen, wenn Worte oft im Chaos untergehen? Wenn sich Zeit in kleine, fast unhörbare Geräusche zerlegt?
Die Gedichte von Jule Weber erzählen vom Suchen – vom Versuch, sich selbst und das Leben zu verstehen. Dabei entstehen Texte, die mehr spüren lassen als erklären wollen. Gedichte, die von stillen Krisen, von Sehnsucht und Nähe berichten.

Ihr Lyrikdebüt  „ich zeichne meinen standort auf die haut“ klingt wie das Rauschen des Windes in einem Wald, während fern das dumpfe Dröhnen einer Autobahn zu hören ist. Zwischen diesen Gegensätzen entfaltet sich ein roter Faden, der sich nicht sofort offenbart, sondern leise spürbar bleibt.

Wir sprechen mit der Autorin über Zeilen, die man fast hätte streichen können, über den überraschenden Moment, in dem einzelne Gedichte zu einem Ganzen wurden, und über die Gewissheit, dass Lyrik nicht verstanden werden muss, um zu wirken.

Was war dein persönlicher Zugang zur Lyrik – und was hat dich letztlich dazu bewegt, selbst Gedichte zu schreiben?

Ich mag es, Sachen auf den Punkt zu bringen und Lyrik ist immer Verdichten. Dadurch entsteht die Dichtung. Für mich ist es dann ein natürlicher Prozess, dass dieses Auf-den-Punkt-Bringen, diese Verdichtung schlussendlich zu Lyrik wird.

 

Gibt es bestimmte Gefühle oder Themen, die sich wie ein roter Faden durch deinen Lyrikband ziehen?

Die gibt es auf jeden Fall. Für mich als schreibende Person gibt es diese natürlich immer nochmal auf eine ganz andere Art als für die Leute, die meine Lyrik dann später lesen. Meine Lyrik behandelt viel das Suchen, zum Beispiel danach, sich selbst zu verstehen und auch das Leben zu begreifen. Manchmal fliegt ein einzelner Vogel vorbei. Es gibt also diesen roten Faden definitiv, aber man muss ihn schon auch selber herausfinden.

© Henriette Becht

Jule Weber (* 1993) ist Lyrikerin und Podcasterin. Sie gehört zu den führenden Stimmen der deutschsprachigen Spoken-Word-Szene. Seit 15 Jahren tritt sie regelmäßig vor Publikum auf, sie gibt Schreibworkshops und ist Teil des Kollektivs „Verschwende deine Lyrik“. 2023 gewann Weber den Kampf der Künste Award als Poetin des Jahres und war Darmstädter Turmschreiberin. Ihr Lyrikdebüt offenbart das Spektrum ihrer Wortgewandtheit. Außerdem ist sie: pragmatisch, detailverliebt und chronisch zu spät.

Wenn du dir dein Buch als einen Ort oder ein Lied vorstellen müsstest – wie sähe dieser Ort aus oder wie würde es klingen?

Ich trickse bei dieser Frage ein wenig und kombiniere beides, indem ich einen Ort beschreibe und wie er klingen würde. Das Buch klingt meiner Meinung nach ein bisschen, wie wenn man in einem Wald steht und den Wind in den Bäumen hört. Aber gleichzeitig hört man in der Ferne auch eine große, laute Autobahn.

 

Gibt es eine Zeile aus deinem Buch, die dir besonders viel bedeutet? Welche?

Es gibt viele solcher Zeilen, auch ganz viele einzelne. Die, die mir am meisten bedeuten, sind nicht unbedingt Zeilen, die sofort herausstechen und bei denen man denkt, dass an ihnen viel Bedeutung hängt. Es sind viel eher Zeilen, die oft sehr versteckt sind. Häufig sind das dann auch Zeilen, die man theoretisch auch streichen hätte können. Ich hänge aber emotional zu sehr an ihnen und deshalb mussten sie beibehalten werden.

 

Muss man Lyrik „verstehen“ – oder reicht es, sie zu spüren?

Spüren reicht. Total.

 

Gab es während des Schreibprozesses einen Moment, der für dich besonders überraschend oder erkenntnisreich war, einen „Aha-Moment“?

Definitiv, dieser hat viel mit dem Gesamtbild zu tun. Einen Lyrikband schreibt man in der Regel nicht wirklich am Stück beziehungsweise linear. Viel eher ist es dann ein Kuratieren von bereits geschriebenen Gedichten. Der Aha-Moment für mich war, dass ich diese Gedichte zusammengefügt habe und dabei ein Lyrikband herausgekommen ist, der zwar die einzelnen Gedichte beinhaltet, aber gleichzeitig auch eine eigene Dramaturgie entwickelt und einen roten Faden hat. Für mich war es sehr cool, dann auch zu erkennen, dass ich auch unbewusst über längere Zeit diesen roten Faden zusammengeschrieben habe.

DIE VORZÜGE VON TRAURIGKEIT

oder: melancholie IV

ich lernte, als ich vierzehn jahre alt war,
lachen würde auf dauer zu falten führen,
falten zum verlust meiner attraktivität
und folglich zum verlust meines wertes,
ein pink umrandetes infokästchen riet mir
außerhalb sozialer situationen akribisch
auf einen neutralen ausdruck zu achten.

heute begreife ich, wie traurig mich das machte.

man sagte mir, mein schmerz sei verwertbar,
bedrückte menschen könnten besser schreiben,
kunstschaffen generell, aus dem leiden heraus,
gierig leckte man an den wunden und ich übte
gewissenhaft mein präventiv neutrales gesicht
das sichtbare unglück in den spiegelungen,
sparte mir die schönheit für harte winter auf.

Aus  „ich zeichne meinen standort auf die haut


Gedichte über das Verstehen, das Vermissen und unser Verhältnis zur Welt – und manchmal fliegt ein Vogel vorbei

Jule Webers Gedichte reflektieren die Zerbrechlichkeit des Lebens, das Streben nach Nähe, nach einem Zuhause, das nicht nur aus Wänden besteht. Sie greifen nach den Momenten, die uns ausmachen – den lärmenden, den leisen, den verlorenen und jenen, denen wir zu wenig Bedeutung beimessen. Weber schreibt von Flächen aus betretener Stille, geronnener Zeit, leisen Krisen und in uns brennenden Fragen. Ihre Lyrik spürt dem Paradoxon von sozialer Gemeinschaft und Einsamkeit nach, macht fassbar, wie das Weltgeschehen unbemerkt in unser Inneres sickert. Ein unvergesslicher Gedichtband: politisch und sprachverliebt, eigensinnig und melancholisch, zart und feministisch.

 

Online erhältlich und überall, wo es Bücher gibt.


„Frauen müssen alles genauso lernen wie Männer, die sich durch Dummstellen allzu oft aus der Affäre ziehen.“ – ein Interview mit Nicole Makarewicz

Dieser Krimi geht weit über die Aufklärung eines Todesfalls hinaus. Der Tatort? Der Elternverein – jener Mikrokosmos, in dem Kuchenlisten, endlose Sitzungen und unterschwellige Machtspiele aufeinandertreffen. Hier prallen Doppelstandards und Erwartungen an Mütter mit voller Wucht auf den ganz normalen Wahnsinn zwischen Schule und Familie.

In „Engagier dich oder stirb!“ verbindet Nicole Makarewicz bissigen Humor mit Gesellschaftskritik – und räumt dabei genüsslich mit verstaubten Mama-Klischees auf. Wir sprechen mit der Autorin über Survival-Tipps für den Elternverein, den Wert von Care-Arbeit und darüber, welche Farben ihre Synästhesie ihrem neuen Krimi verliehen hat.

In deinem neuen Krimi „Engagier dich oder stirb!“ geht es – neben einem mysteriösen Todesfall und dessen Aufklärung – auch um den ganz normalen Alltagswahnsinn zwischen Kindererziehung und Elternverein. Was hat dich dazu inspiriert, einen Krimi aus der letzten Bank des Elternvereins zu schreiben?

Meine eigenen Erfahrungen im Elternverein und bei Klassenelternabenden gaben den Anstoß. Teilweise war es wahnwitzig mühsam, zu einem Konsens zu kommen, und auch völlig irrelevante Details bargen das Potenzial zur Eskalation. Ich bewundere alle Lehrkräfte, die sich diese Arbeit antun, denn manche Eltern sind einfach nur präpotent und unangenehm. Aus der Distanz hat dieses Verhalten allerdings auch komödiantische Aspekte, die ich in meinem Krimi aufgegriffen und ein bisschen überspitzt dargestellt habe.

 

Der Teaser für dein Buch lautet „Wenn die Pflicht, fürs Buffet zu backen, das kleinste Übel ist … und du für etwas Ernsteres ein Alibi brauchst, als dafür, immer nur Fertigkuchen abzuliefern.“ Über das große Übel und das dazugehörige Alibi wollen wir an dieser Stelle nicht zu viel verraten, aber: Was sind – abgesehen vom Fertigkuchen für das Buffet – deine Survival-Tipps für den Elternverein und die Schulzeit als Elternteil?

Wer keine Zeit und Energie dafür hat, sollte sich nicht zu einem Amt überreden lassen. Dann wird die Sache nämlich zur Quälerei. Wer sich einbringen möchte und womöglich auch noch gute Ideen hat, sollte sich hingegen unbedingt engagieren. Die Elternvereine ermöglichen an vielen Schulen Projekte, die ansonsten aufgrund von Personal- und/oder Geldmangel nicht umsetzbar wären. Vor allem aber gilt: Eine hohe Frustrationstoleranz, ein gewisses Organisationstalent und Begeisterungsfähigkeit sind gute Voraussetzungen für den Elternvereinsbetrieb.

Mein ganz persönlicher Survival-Tipp, um sich vor der Wahl zum/zur Klassenelternsprecher*in zu drücken: Meiner Erfahrung nach ist, wer sich als Schriftführer*in meldet, automatisch aus dem Rennen.

Deine Protagonistin Finja ist Mutter von Drillingsmädchen und nicht unbedingt das, was einige andere Mütter, die mit ihr im Elternverein sind, als „Vorzeigemutter“ bezeichnen würden. Woher kam die Idee für so eine wunderbar unangepasste Protagonistin?

Meine Figuren entwickeln alle rasch ein Eigenleben, und bei Finja war mir sofort klar, dass sie nach ihren eigenen Regeln spielt. Was ich an ihr besonders mag, ist, dass sie zu ihren Fehlern und Schwächen steht. Sie ist authentisch, ein bisschen chaotisch, loyal und liebevoll. Außerdem weiß sie, dass sie nicht perfekt ist, aber, ganz ehrlich, wer ist das schon?

 

Dein Buch räumt gnadenlos mit Mama-Klischees und gesellschaftlichen Erwartungen auf. Warum ist dir das Thema so wichtig – und was muss sich deiner Meinung nach dringend ändern?

So gut wie alles! Niemand wird als Mutter geboren, hat eine Bedienungsanleitung für Kinder, Waschmaschine und Altenpflege implantiert. Frauen müssen das alles genauso lernen wie Männer, die sich durch Dummstellen allzu oft aus der Affäre ziehen.

Kinder sind keine Frauensache. Dass Väter zu Helden stilisiert werden, wenn sie ihren Nachwuchs in den Kindergarten bringen, Mütter aber verteufelt, wenn ihr Kind im Supermarkt einen Trotzanfall hat, ist nur eines von vielen Beispielen für die unfairen Doppelstandards, mit denen Mütter zu kämpfen haben.

Gesamtgesellschaftlich muss Care-Arbeit eine sehr viel größere Wertschätzung entgegengebracht werden. Das fängt bei einer besseren Entlohnung im Bildungs- und Pflegebereich an, reicht über eine verkürzte Arbeitszeit für alle bis zur gerechten Aufteilung von Hausarbeit und Kindererziehung in Beziehungen. Dass Alleinerziehende regelrecht dafür bestraft werden, die doppelte Bürde zu stemmen, empfinde ich als besonders niederträchtig.

 

Die Protagonistin Finja ist auch Autorin, das Eintauchen in ihre erotischen Geschichten fällt ihr bei all dem Trubel aber nicht immer leicht. Wie sieht die Schreibpraxis der Krimiautorin Nicole Makarewicz aus?

Schreiben ist Arbeit. Es ist anstrengend, mitunter mühsam, aber auch unglaublich befriedigend. Es ist oft schwer, die nötige Disziplin aufzubringen, sich hinzusetzen und anzufangen; der Alltag und natürlich auch der Job pfuschen nur allzu bereitwillig dazwischen. Inzwischen sind meine Töchter 19 und 17 Jahre alt, das macht es leichter. Als sie jünger waren, hatte ich viel mehr für sie und mit ihnen zu erledigen – von Schulbelangen bis zu Besuchen bei diversen Ärzt*innen über die ganz alltägliche Organisations- und Versorgungsarbeit, die zeit- und kräfteraubend ist. Meistens habe ich also in der Nacht geschrieben und das hat sich bisher (noch) nicht wirklich geändert.

 

Auf deiner Website ist zu lesen, dass du Synästhetikerin bist und Zahlen, Buchstaben und Worte für dich Farben haben. Wie beeinflusst das deinen Schreibprozess? Und welche Farbe hat dein neues Buch überwiegend?

Durch die Synästhesie erlebe ich Zahlen und Buchstaben in mehreren, sich überlagernden Ebenen. Ich weiß immer, in welcher Farbe ein Wort tatsächlich geschrieben ist, zusätzlich sehe ich die einzelnen Buchstaben in „ihrer“ Farbe. Daraus ergibt sich, dass manche Worte, Namen und Zahlen sich sympathischer anfühlen als andere, freundlicher, weicher oder fröhlicher. „Engagier dich oder stirb!“ ist ein sehr buntes Buch geworden, was das Cover perfekt widerspiegelt.

 

Du bist nicht nur Schriftstellerin, sondern auch Journalistin. Beeinflusst der Journalismus dein literarisches Schreiben? Oder ist es eher umgekehrt?

Das hält sich die Waage. Ich habe seit jeher viel geschrieben, außerdem gehe ich den Dingen gerne auf den Grund. Der Journalismus war demnach eine logische Wahl. Mit knapp 18 Jahren habe ich erste Artikel veröffentlicht und seither bin ich dem journalistischen Schreiben treu geblieben. Erst Jahre später habe ich mich ans literarische Schreiben gewagt, obwohl ich immer schon am liebsten Geschichten erzählt habe – etwa in Form von Reportagen. Dass ich mich in meine Themen akribisch einarbeite, kommt vom Journalismus. Insofern funktioniert die Beeinflussung wechselseitig.

 

Werden wir Finja noch mal (freiwillig oder unfreiwillig) ermitteln sehen? Oder einen anderen deiner starken Charaktere in einem Spin-off?

Auf jeden Fall! Derzeit schreibe ich an Band zwei, in dem – so viel sei bereits verraten – ein Kunstwerk Henriettes gestohlen wird und Gerti auf mysteriöse Weise verschwindet. Außerdem haben die Drillinge dann den Schulwechsel hinter sich und besuchen drei verschiedene erste Klassen an zwei Schulen. Finja bekommt also einiges zu tun. Auch ein Spin-off mit Henriette kann ich mir sehr gut vorstellen, vielleicht erzähle ich irgendwann einmal ihre Vorgeschichte.


Lust auf mehr?

Wem viel zu lange Diskussionen auf viel zu kleinen Stühlen bekannt vorkommen, hat mit diesem Krimi eine helle Freude … und ein moralisch vertretbares Ventil, um den dabei entstandenen Mordgelüsten Luft zu machen. Nicole Makarewicz, selbst Mutter, hat mit diesem Buch einen grandiosen Reihenauftakt geschaffen. Sie spricht nicht nur Eltern an, die mit ihren Mit-Eltern noch eine Rechnung offen haben, sondern alle modernen selbstbestimmten Frauen und Mütter, die zwar nicht immer Kurs, aber den Kopf über Wasser halten.

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„Trotzdem steckt in allen Figuren etwas, das ich liebe – weil ich glaube, man kann nur über Menschen schreiben, wenn man auch etwas an ihnen liebt.“ – ein Interview mit Julia Pustet

Stehenbleiben, wenn die Welt rast. Sich angekommen fühlen, aber eigentlich auch nicht. Klarkommen mit der unfassbaren Gleichzeitigkeit der Gefühle, der Wahrheiten.

Mit Spannungen wie diesen spielt Julia Pustet in ihrem Debütroman „Alles ganz schlimm“. Erzählt wird die Geschichte von Susanne, Anfang 30, die scheinbar alles im Griff hat, bis ein alter Text aus ihrer Vergangenheit gestohlen und veröffentlicht wird. Auf einmal ist nichts mehr privat, alles wird öffentlich verhandelt: Freundschaften, Beziehungen, alte Wunden. Shitstorms, Intrigen und Gerüchte bringen ihr Leben ins Wanken.

„Alles ganz schlimm“ verbindet Drama über Verlust und Verrat mit scharfem Humor und tiefen Einblicken in Beziehungen. Mal laut, mal leise, immer pulsierend: ein kompromissloses Debüt, das die Brüche unserer Zeit sichtbar macht und doch voller Zärtlichkeit für seine Figuren bleibt. Im Interview spricht Julia Pustet über das Finden einer eigenen Stimme, Figuren, die man nur schreiben kann, wenn man sie liebt – und warum Deutsche in Italien manchmal besonders eigenartig sind.

Wie würdest du „Alles ganz schlimm“ in deinen eigenen Worten beschreiben?

Das ist tatsächlich eine schwierige Frage, die mir auch oft gestellt wird. Ich versuche es mal auf der Plot-Ebene: „Alles ganz schlimm“ ist ein Buch über eine Frau Mitte 30, die als Sounddesignerin arbeitet, eigentlich aber klassische Musikerin ist und am Konservatorium studiert hat. Sie lebt so vor sich hin, hat Affären, Beziehungen, Freundschaften – aber irgendwie ist immer der Wurm drin. Irgendetwas funktioniert nie so richtig, die Konflikte ähneln sich und alles bleibt ein bisschen an der Oberfläche.
Bis ihr eines Tages ein Text gestohlen wird. Den hat sie nur für sich selbst geschrieben, er war nie für die Öffentlichkeit gedacht. Doch plötzlich taucht er dort auf und richtet einiges an. Und damit beginnt für sie eine Auseinandersetzung mit dem, was ihr von außen widerfährt – und dadurch auch eine Auseinandersetzung mit sich selbst. Am Ende geht es darum, wie sie wieder in ihre Beziehungen findet. Es ist ein Buch über das „sich in Beziehung setzen“, über Freundschaften und Solidarität. Und da spielt eine alte Freundin eine wichtige Rolle, in deren Beziehung zur Hauptfigur ganz viel passiert – das habe ich mir sehr genau angeschaut.

Es heißt, ein Buch zu schreiben ist ein Prozess: Wie sah der Prozess bei dir aus, hattest du ein Schreibritual?

Meine Schreibrituale im engeren Sinne – also wann ich geschrieben habe, was ich dabei gegessen habe oder welchen Ausblick ich hatte – sind vielleicht gar nicht so spannend. Geschrieben habe ich da, wo ich auch gearbeitet habe: an meinem Schreibtisch. Viel interessanter war für mich der Prozess, meine eigene Stimme zu finden. Ich musste lernen, meinem Unbewussten und meiner Intuition zu vertrauen. Am Anfang habe ich mich ständig gefragt: Warum habe ich diese Figur entwickelt? Was will ich damit sagen? Warum verlege ich die Handlung an diesen Ort? Irgendwann habe ich gemerkt: Ich kann dem trauen. Es hat seinen Grund, warum diese Figur genau in dieser Konstellation existiert, und ich muss diesen Grund nicht immer verstehen. Dieses Loslassen, bei gleichzeitig analytischem Arbeiten am Text, war für mich der eigentliche Prozess. Dazu gehörte auch, viel von anderen zu lesen – Texte, die ich großartig finde, die mich schon seit meiner Jugend begleiten – und zu verstehen: Was hat das mit mir zu tun und was nicht? Welches Verhältnis habe ich im Schreiben zu den Texten, die mich geprägt haben? Und inwiefern machen sie meine Stimme aus – oder lassen sie eben doch zu einer eigenen werden? Ich glaube, erst als ich an einem Punkt war, an dem ich wirklich selbstbewusst schreiben konnte, hat mein Schreiben richtig angefangen.

 

Welchen Charakter in deinem Buch magst du am liebsten und warum?

Für mich war von Anfang an wichtig, keinen Lieblingscharakter zu haben. Ich habe versucht, alle Figuren mit etwas auszustatten, das liebenswert ist, vielleicht nachvollziehbar, vielleicht identifizierbar. Aber genauso mit Anteilen, die unbegreiflich sind, die abstoßen können, die vielleicht sogar ein bisschen eklig sind. Ich wollte keine reinen Täter- und keine reinen Opferfiguren, keine Figuren, die man nur liebt, und auch keine, die man kollektiv hassen kann. Es gibt allerdings eine Figur, die mir besonders viel bedeutet: die beste Freundin der Hauptfigur. Zu ihr habe ich im Schreiben fast so etwas wie ein Verliebtheits-Verhältnis entwickelt. Ich habe sie mit immer größerer Zärtlichkeit geschrieben, bin aber auch in produktive Konflikte mit ihr gegangen. Trotzdem steckt in allen Figuren etwas, das ich liebe – weil ich glaube, man kann nur über Menschen schreiben, wenn man auch etwas an ihnen liebt.

 

Was war der schönste Moment auf dem Weg zu deinem Buch?

Es gab sehr viele schöne Momente. Manche kann ich mir im Nachhinein gar nicht erklären – manchmal schaue ich ins Buch und frage mich: Wie bin ich auf diese Verknüpfung gekommen? Aber gerade das waren die Momente des Glücks: wenn ich gemerkt habe, das, was ich tue, funktioniert – ohne, dass ich sagen könnte, warum. Ein sehr schöner Moment war natürlich auch der, als klar war: Das Buch wird veröffentlicht. Und ein weiterer, als das Cover stand. Ich habe es gesehen und sofort gedacht: Ja, das ist es.

 

Dein Buch beschreibt verschiedenste Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen/-realitäten. Wie war es für dich, diese zu beschreiben bzw. zu verweben?

Das Verweben dieser unterschiedlichen Lebensrealitäten war eigentlich das zentrale Moment des Schreibens – und es ist auch das zentrale Moment in der Entwicklung der Hauptfigur. Sie tritt nämlich auf ganz viele Arten in Beziehung: in Dialogen mit unterschiedlichen Menschen, in Briefen, in inneren Monologen, durch die Erzählerstimme, durch Statements. All diese verschiedenen Arten des Sprechens fließen in die Figur ein und bilden ihre Konflikte ab. Deswegen kann ich gar nicht sagen, wie es war, das alles zu verweben. Denn ohne dieses Ineinanderfließen gäbe es das Buch schlicht nicht.

 

Italien it is. Warum?

Ein Teil meines Buches spielt in Italien – und ich habe auch Teile dort geschrieben. Aber eigentlich interessierte mich weniger Italien selbst, sondern vielmehr das Italien-Bild der Deutschen. Denn Deutsche sind überzeugt, Italien besser zu verstehen als alle anderen – vielleicht sogar besser als die Italiener selbst. Sie sprechen italienische Wörter überbetont aus, wissen immer ganz genau, wie man italienische Gerichte „wirklich“ kocht, und behaupten gern, sie könnten ein bisschen Italienisch – meistens stimmt das aber nicht. Diesen Blick habe ich in meine Figur einfließen lassen, mit einem großen Schuss Selbstironie. Denn ich schreibe als Deutsche in Italien über das Verhältnis der Deutschen zu Italien. Und noch dazu im Nachbardorf des Dorfs, in dem Gerhard Polt gelebt hat – und niemand versteht dieses Verhältnis besser als er.

 


Lust auf mehr?

„Alles ganz schlimm“ ist Drama, Schmerz, Humor und ein tiefer Blick in die Dynamiken und Zerwürfnisse unserer Zeit. Mitreißend und pointiert liefert Julia Pustet die Geschichte einer Frau, die sich mit der ganzen Welt konfrontiert – um am Ende nur wieder bei sich selbst anzukommen. Sie dehnt darin, manchmal sachte, manchmal unsanft, die Grenzen der Diskurse und Beziehungen, die wir führen, aus. Der Roman erzählt von Feminismus, Politisierung und Privilegien, von tiefgehenden Freundschaften und aufschürfenden Familienkonstellationen – ein kompromissloses Debüt zwischen Härte und Leichtigkeit!

Online erhältlich und überall, wo es Bücher gibt.

„Am Anfang ist das Blut“ – Stefanie Jakschs Vorwort zur Anthologie „Bluten“

Frauen bluten. Bluten jeden Tag, ob wortwörtlich oder im übertragenen Sinn, als „Working Mums“, in der Care-Arbeit, weil es der Zyklus abverlangt, als Opfer von Gewalt oder schlicht als Personen, die gesellschaftlichen Normen nicht entsprechen. Das Blut fließt: wenn wir wieder nicht oder zum Glück nicht schwanger sind, wenn wir abgetrieben oder frisch entbunden haben, wenn wir zuhause zu laut oder nachts auf dem Heimweg nicht schnell genug waren, wenn sich die Menopause ankündigt oder wir keinen Kinderwunsch spüren und damit anecken …

In „bluten“ erzählen 15 Autorinnen in ihren Texten von Kämpfen und Widerständigkeit, lehnen sich auf, schreiben manchmal sanft, manchmal verstörend, witzig und anders von der Alltäglichkeit des Blutens: über Altersarmut, Gewalt, das (Nicht-)Muttersein, Menstruation, Menopause, den Kampf um Existenzberechtigung und faire Behandlung in der Arbeitswelt. Das ist unser täglich Blut. Diese Anthologie ist ein Ausbruch, ein Atemzug, harte Realität und grenzenlose Fantasie.

Wir haben Stefanie Jakschs Vorwort zu diesem großen literarischen Blutbild ausgekoppelt, Bluten ist hier Alltag, Liebe, Schmerz und Widerstand:


Am Anfang ist das Blut

Es war ein kühler Morgen im winterlichen Wien, als wir uns das erste Mal in einem Kaffeehaus trafen.
Wir, das sind Magdalena Stammler und Stefanie Jaksch, und wir beide bewegen uns schreibend durch die Welt. Wir waren einander aufgefallen, aus der Ferne. Während wir uns nun in einer plüschigen Sofaecke  vorsichtig kennenlernten und beschlossen, uns zu mögen, begann unser Gespräch zu fließen, flossen wir aufeinander zu, in erst stiller Ahnung, dann in ausgesprochener Erkenntnis und Übereinkunft: Am Anfang ist das Blut.
Noch vor der Geburt teilen alle Menschen einen Blutkreislauf mit der eigenen Mutter, und unser Eintritt in die Welt ist von etwa einem halben Liter Blut begleitet, den Frauen während der Geburt verlieren. Werden wir im Laufe unseres Heranwachsens als Frauen gelesen, wird uns Blut spätestens ab der einsetzenden Regelblutung zur jahrzehntelangen Begleiterin, aus der die Hygieneindustrie Kapital zu schlagen weiß und die uns immer noch zum „schwachen Geschlecht“ macht. Eine Erzählung, die mächtig ist und gerade in  diesen Tagen, in denen autoritäre Systeme überall auf der Welt erstarken zahllose Frauenleben geringschätzt, bedroht und den Handlungsspielraum von Frauen brutal einschränkt.

Unser Gespräch im Kaffeehaus jedenfalls drehte sich schnell weg von der rein körperlichen Ebene, die Frauen eingeschrieben ist, und hin zu all den Arten, auf die wir bluten, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Frauen bluten sichtbar und unsichtbar, gesellschaftlich, politisch, beruflich, in der Care-Arbeit, sind Gewalt ausgesetzt, werden ermordet, weil sie Frauen sind. Das Thema ließ uns nicht mehr los, und so machten wir uns auf die Suche nach Verbündeten. Gefunden haben wir schreibende Frauen, die sich bereit erklärt haben, den Vorgang des Blutens literarisch mit uns auszuloten.

Unser Wunsch: Vielstimmig sollte die Auseinandersetzung werden, Geschichten sollten erzählt werden, die so noch nicht geschrieben wurden und in ihrem Ausdruck unterschiedlich sind. Was für ein Glück, dass so viele großartige Autorinnen sofort einwilligten, ihr ganz persönliches Bluten beizusteuern. Ohne Anspruch  auf Vollständigkeit finden sich in diesem Buch, das uns allen gehört, nun Texte, die ehrliche Positionen vertreten und verteidigen, die sich auf künstlerisch wagemutiges Terrain begeben, die sich mitunter einem Blutrausch hingeben und Grenzen überschreiten.

Die eingeladenen Autorinnen fanden als Inspiration für ihre Texte lediglich den Titel dieses Buchs vor, ansonsten hatten sie freie Hand, wie sie sich dem Thema nähern wollten – ein Wagnis für uns  Herausgeberinnen (wie auch für den Verlag) und ein überraschender, herausfordernder und beglückender Prozess während der Arbeit. Nun halten wir und Sie die unterschiedlichsten Texte in Händen, die kompromisslos verhandeln, was das Leben ausmacht: Liebe, Kunst, Schmerz, Euphorie, Geburt und Tod. Diese Geschichten tun weh, schneiden ins Fleisch, lehnen sich auf, verweigern sich, nehmen an der Hand, lassen mitunter das Lachen im Hals stecken bleiben. Ist den Autorinnen alles selbst passiert? Ist alles wahr, beruht alles auf Tatsachen? Oder ist im Gegenteil alles erfunden? Es macht keinen Unterschied. Was als fixe Idee in einem Kaffeehaus begonnen hat, ist zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit geworden. Sie hat Autorinnen und ihre widerständigen Texte zusammengeführt und findet ihren Weg in die Welt, die uns nicht immer wohlgesonnen ist, die wir aber dennoch gestalten, bearbeiten, uns an ihr abarbeiten und in ihr Freude und Kameradinnen finden.

Wir fühlen einander. Wir fließen. Wir kümmern uns umeinander. Wir rennen gegen Wände, lehnen uns gegen Unrecht auf. Wir fordern das Recht auf Unversehrtheit, und wir schreiben um unser Leben. Denn wir bluten, und sie lassen uns.


Wir bluten, und sie lassen uns.
Es ist Alltag, Liebe, Schmerz und Widerstand.

  • Das ist kein Menstruationsbuch: Altersarmut, Gewalt, das (Nicht-)Muttersein, Menopause, der Kampf um Existenzberechtigung und faire Behandlung in der Arbeitswelt – Frauen bluten. Auf jede erdenkliche Weise.
  • Mit literarischen Beiträgen von: Elif Duygu, Milena Michiko Flašar, Yasmin Hafedh, Lydia Haider, Gertraud Klemm, Johanna Linimayr, Lydia Mittermayr, Jacinta Nandi, Lisa-Viktoria Niederberger, Romina Pleschko, Julya Rabinowich, Barbara Rieger, Chantal-Fleur Sandjon, Margit Schreiner und Magdalena Stammler

 


© Haymon Verlag / Fotowerk Aichner

Stefanie Jaksch, geboren im fränkischen Erlangen, glaubt seit ihrer Kindheit, dass Bücher Nahrungsmittel sind. Sie war als Dramaturgin, Buchhändlerin und Verlagsleiterin tätig. Seit 2024 ist Jaksch, die „Wortarbeiterin“, als freischaffende Moderatorin, Kuratorin und Autorin unterwegs und hat das Büro für Literatur- und Kulturarbeit „In Worten“ gegründet. Zuletzt erschien von ihr der Essay „Über das Helle“. Gemeinsam mit Magdalena Stammler ist Stefanie Jaksch die Herausgeberin der Anthologie „bluten“ (August, 2025). Mit WASSER Publishing geht sie selbst ab Herbst 2025 unter die Verleger*innen.

© Haymon Verlag / Fotowerk Aichner

Magdalena Stammler, geboren in Wien, hat ebendort und in Potsdam Linguistik studiert, lebt heute als Autorin und Radioredakteurin in Oberösterreich. Sie hat zahlreiche Kurzgeschichten veröffentlicht und performt ihre u. a. partizipativen Werke auf den unterschiedlichsten Lesebühnen. Sowohl für ihre literarischen Texte als auch für ihre Radioarbeiten wurde sie bereits ausgezeichnet. Gemeinsam mit Stefanie Jaksch ist Magdalena Stammler die Herausgeberin der Anthologie „bluten“ (August, 2025).


Haymon Her Story – Doris Brehm revisited

Mit „Eine Frau zwischen gestern und heute“ ist Bettina Balàka und Katharina Prager eine beachtliche Wiederentdeckung gelungen. Das „lange übersehene Glanzstück der österreichischen Nachkriegsliteratur“ (ORF) und das hochinteressante Leben seiner Urheberin Doris Brehm waren 70 Jahre lang weitgehend unbeachtet geblieben, ehe diese als Auftakt der Reihe Haymon HerStory dieses Jahr auch von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Es ist ein Werk, dessen Neuentdeckung interessante Schlaglichter wirft, etwa auf literaturhistorische Kanonisierungsprozesse. Aber auch eines, das weiße Flecken im kollektiven Geschichtsbewusstsein aufzufüllen vermag, auch bei so zentralen Themen, wie – um nur wenige Beispiele zu nennen – der Auseinandersetzung mit dem Widerstand in der NS-Zeit (und der Rolle, die insbesondere Frauen darin einnahmen) oder personellen, wirtschaftlichen, ideologischen Kontinuitäten, die sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Österreich fortschrieben.

Wir haben uns mit Bettina Balàka und Katharina Prager unterhalten, um die ersten Wochen zu rekapitulieren, in denen Doris Brehms vergessenes Werk wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt ist. Nicht zuletzt, weil sich in diesen Wochen viel getan hat: Im Großen, wie im Kleinen.

Liebe Bettina, liebe Katharina, wie ist es euch in der Zeit nach der Veröffentlichung gegangen, habt ihr mit dem Medienecho gerechnet?

Katharina Prager: Sicher nicht in diesem Ausmaß. Faszinierend dabei ist, wie historische Entwicklungen und gesellschaftliche Mechanismen hier zusammenwirkten, um eine derart interessante und vernetzte Frau so völlig unsichtbar zu machen. Normalerweise gibt es um „Wiederentdeckungen“ doch irgendeine Bubble, in der die Person bekannt ist. Bei Doris Brehm war das am ehesten noch der kommunistische Widerstand, aber auch der wurde ja in Österreich eher verdrängt als gefeiert. Und auch hier war sie kein „Name“ wie andere. Im Literaturbetrieb an sich wiederum wurde sie aufgrund ihrer kommunistischen Vernetzungen nicht wahrgenommen. Und als alleinstehende, schließlich verarmte Frau hatte sie klarerweise auch keine Lobby. Das alles erklärt vielleicht, warum dieser literarisch und historisch unglaubliche Roman derart verschwinden konnte.

Bettina Balàka: Vielleicht ist die Wiederentdeckung einfach zur richtigen Zeit gekommen. Ein bisschen werde ich den Verdacht nicht los, dass der Roman – zusätzlich zu allen anderen Faktoren, die zu seinem Vergessen führten – Elemente enthält, die in der Nachkriegszeit unangenehme Fragen aufwarfen. Er widerspricht deutlich zwei Narrativen: Erstens, dass man ja nichts gewusst habe von den Vernichtungslagern, und zweitens, dass Widerstand unmöglich gewesen sei. Nun, da die Kriegsgeneration nicht mehr lebt, kann man sich damit beschäftigen.

Was war die größte Überraschung, der ihr während der Recherche und im Nachgang der Veröffentlichung begegnet seid?

Katharina Prager: Überrascht hat sie uns immer wieder. So hatten wir anfangs kein genaues Todesdatum und kein Grab, wohl aber ein Aktfoto, das sich privat überliefert hatte. Die Menschen, die sie noch gekannt hatten, erinnerten sich an eine ältere Frau, die offenbar sehr gedehnt und altmodisch sprach. In den Quellen und in ihren Texten begegnet man aber dann einer jungen, modernen Frau, die sich immer wieder engagiert und öffentlich äußert – zu Sexualität, Rassismus, Feminismus …

Bettina Balàka: Bei den Interviews habe ich mir immer gedacht, man sollte daraus lernen, vermeintlich schrullige alte Damen nicht zu unterschätzen – vielleicht haben sie eine sehr beeindruckende Geschichte hinter sich.
Ich fand es sehr spannend zu sehen, wie Brehms Erfahrung als Schauspielerin und als vermutlich sehr involvierte Ehefrau eines Bühnenarchitekten in die Textkonstruktion einfloss. Jüngst konnten wir Dokumente des Österreichischen Schriftstellerverbandes einsehen, aus denen hervorgeht, dass sie auch als Dramaturgin tätig war – man merkt es!

Die fiktive Geschichte Gerda Manners gibt nicht nur Einblicke in eine Familie, die durch ideologische Differenzen erschüttert wird, sondern auch Einblicke in die Organisation des Widerstands, das Verstecken von sogenannten U-Booten vor den Vertretern des NS-Regimes, letztlich auch vor dem Ehemann. Fordern diese Einblicke aus erster Hand (Brehm war ja selbst U-Boot-Referentin) die Art heraus, wie wir heute an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus erinnern?

Katharina Prager: Die Geschichte von U-Booten ist extrem schwer zu erforschen, weil die Datenlage extrem schlecht ist – und sie wurde auch erst sehr spät systematisch untersucht. Klarerweise wurden auch in Oral-History-Interviews schon Schlaglichter auf die Lebensumstände der Versteckten und Versteckenden geworfen. Aber Doris Brehm ergänzt in ihrem Roman Dimensionen, die nach wie vor tabuisiert sind – die Spannungen, die in dieser Art des Zusammenlebens notgedrungen entstehen. Die Entscheidungen, die immer neu zu treffen sind. Die persönlichen Ambivalenzen der Helfenden, die eben im Alltag mit dem Nationalsozialismus umgehen müssen.

Bettina Balàka: Es gibt viele kleine Details, die unser Bild ergänzen oder etwas verschieben. Im Roman zeigt sich eine immense erotische Spannung, die nicht nur trotz, sondern möglicherweise gerade wegen des Angstdrucks zwischen den Menschen entsteht. Wir haben die Vorstellung, dass Männer damals nicht kochten – hier ist es der Widerstandskämpfer Kurt, der das tägliche Zubereiten der vorwiegend aus Erdäpfeln bestehenden Gerichte für sich und die beiden Frauen übernimmt und dabei größtmögliche Kreativität an den Tag legt. Auch Gerdas Nazi-Ehemann überrascht immer wieder: Nachdem ihm beispielsweise klar wird, dass etwas sehr Illegales vor sich geht, forscht er lieber nicht weiter nach und lässt alles auffliegen, sondern beschränkt sich auf die Protestmaßnahme, die Tochter Luzi zum Arbeitsdienst wegzuschicken.

© Bildarchiv der KPÖ

Doris Brehm (1908–1991): Schriftstellerin, Bibliothekarin und Widerstandskämpferin. Im Zweiten Weltkrieg arbeitete Brehm im kommunistischen Widerstand als „U-Boot-Referentin“, deren Aufgabe es war, geheime Unterkünfte für Jüdinnen und Juden sowie Deserteure zu organisieren. Im April 1945 wurde sie Mitglied der KPÖ, war in der Redaktion der von den drei demokratischen Parteien (ÖVP, SPÖ, KPÖ) herausgegebenen Tageszeitung „Neues Österreich“ tätig und begann ihre Arbeit als Lektorin, Übersetzerin und Autorin. Der Roman „Eine Frau zwischen gestern und morgen“ erschien 1955 und ist von den Erfahrungen Brehms geprägt.

© Christopher Mavrič

Bettina Balàka wurde 1966 in Salzburg geboren und lebt als freie Schriftstellerin in Wien.
Zahlreiche Auszeichnungen und Erscheinungen. Bei Haymon zuletzt
erschienen: der historische Roman „Der Zauberer vom Cobenzl“ (2023),
der Gedichtband „Die glücklichen Kinder der Gegenwart“ und der Essayband „Vom Zähmen, Ausbeuten und Bestaunen“ (beide 2024).

© Christian Lendl

Katharina Prager ist Zeithistorikerin und Biografieforscherin. Sie publizierte zahlreiche Artikel und Bücher zu Wien um 1900, zu Exil und Migrationen wie auch Beiträge zur Frauen- und Geschlechtergeschichte. Ihre Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Michael Mitterauer Preis und dem Böhlau Jubiläumspreis der Stadt Wien. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Forschung ist der Satiriker Karl Kraus, zu dem sie ein Handbuch herausgab, Ausstellungen kuratierte und 2024 eine Wiener Vorlesung hielt. Hauptberuflich leitet sie den Bereich Forschung und Partizipation, zu dem auch Wien Geschichte Wiki gehört, an der Wienbibliothek im Rathaus.

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Weitere Informationen

War die Wiederentdeckung auch ein Türöffner für neue Forschungen, habt ihr in Folge der Veröffentlichung vielleicht sogar Neues über Doris Brehm und ihren „zurückgezogenen“ Lebensabend erfahren?

Bettina Balàka: Nach der Veröffentlichung erfuhren wir, dass Doris Brehm offenbar bis ein Jahr vor ihrem Tod ehrenamtlich das Zeitschriftenarchiv des Sigmund-Freud-Museums betreute und dieses wohl auch aufgebaut hatte – die ehemalige Direktorin des Museums meldete sich bei uns und beschrieb sie als vornehme, höfliche Dame, die die spezielle Angewohnheit hatte, ihre Würstel im Wassererhitzer der Kaffeemaschine zu wärmen, wodurch der Kaffee am Morgen einen seltsamen Beigeschmack bekam. Das widerspricht dem Bild, das wir hatten, nämlich dass Doris Brehm ihre letzten Jahre weitgehend vereinsamt im Altersheim verbrachte. Der traurige Umstand, dass sie völlig verarmt starb, obwohl sie arbeitete und wohl Wichtiges leistete, bekam dadurch eine weitere, bittere Dimension.

Katharina Prager: Sowohl bei der Buchpräsentation als auch danach haben sich noch Menschen gemeldet, die Brehm – oft als Kinder und Jugendliche – gekannt hatten oder noch Material zu ihr hatten. Anna Bendek plant nun etwa ihre Erinnerungen für die Zwischenwelt aufzuschreiben. Außerdem hat uns der Österreichische Schriftstellerverband angeschrieben, der noch einen Akt zu Doris Brehm hat – darin waren spannende Hinweise auf Brehms Leben in Deutschland als Schauspielerin und Journalistin enthalten … denen sollte man nachgehen. Wir hoffen ja, dass dieser Roman und seine Rahmung erst der Anfang der Befassung sind und sie nun jedenfalls in der Forschung zu U-Booten, aber auch zu Schriftstellerinnen in der Nachkriegszeit einbezogen wird. Und vielleicht schreibt ja dann jemand auch eine Biografie über sie – ihr Leben gibt noch viel mehr her als wir im Nachwort unterbringen konnten.

Ist der Titel des Romans nicht ironischer- und gewissermaßen prophetischerweise auf Doris Brehms Leben anwendbar, schließlich schöpft ihr Schaffen aus ihrer unmittelbaren Vergangenheit und projiziert sich mit dieser posthumen Wiederentdeckung in eine Zukunft, die sie leider nicht mehr erlebt hat, während es zu Lebzeiten offenbar kaum rezipiert wurde. Wie ging es der Doris Brehm zwischen „gestern und morgen“ mit ihrem Roman, der kaum öffentlich stattfand?

Katharina Prager: Das ist schwer zu sagen. Sie machte nie viel Aufheben um sich. Die Heldinnen ihrer Romane üben sich bewusst darin, sich selbst zu kennen, aber sich nicht so wichtig zu nehmen – moralische Menschen zu sein. Offenbar machte sie nicht einmal ihre engen Freund:innen auf den Roman aufmerksam. Die meisten, mit denen wir über Doris Brehm sprachen, kannten den Roman nicht, wussten gar nicht, dass sie geschrieben hatte. Sie war als Leihbibliothekarin bekannt, als wichtige Frau im Schönbrunn-Verlag, als Rezensentin … Zugleich hatte sie sehr progressive Ansichten, die sie für „zeitgemäß“ hielt, die es aber eben doch noch nicht waren – oder eben erst 20 bis 50 Jahre später.

Bettina Balàka: Doris Brehm war eine Frau, die in diesem langen 20. Jahrhundert unglaubliche gesellschaftliche Umbrüche miterlebte – von der Monarchie bis zur Zweiten Republik, von der Russischen Revolution bis zum Ende der Sowjetunion. Die Abfolge der Paradigmenwechsel muss sehr aufreibend gewesen sein, der innere moralische Kompass war wohl wichtig als Stabilisator. Womöglich fiel es Doris Brehm gar nicht auf, dass ihre Bescheidenheit, dieses stille, unprätentiöse Wirken im Hintergrund allen Klischees entsprach, die man auf Frauen projizierte. Vielleicht war es ihr auch egal und sie wollte lieber ihren ethischen Ansprüchen genügen als Ruhm ernten.

Doris Brehms Roman wurde von Klaus Kastberger und Kurt Neumann in die „Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945“ aufgenommen. Was bedeutet diese „hochoffizielle“ Kanonisierung eines Werks, auch im gesellschaftlichen Kontext?

Bettina Balàka: Es ist eine große Freude und zeigt eine grundsätzlich neue Offenheit hinsichtlich einer Erweiterung des Kanons.

Katharina Prager: Besser hätten wir uns das eigentlich nicht wünschen können. Uns geht es ja darum, Frauen sichtbar zu machen, deren Werk wir für wichtig halten. Die Publikation des Buches und die Erforschung der Biografie von Brehm sind erste Schritte, aber die Aufnahme in die „Grundbücher der österreichischen Literatur“ gibt nochmals ein Gütesiegel darauf, das hoffentlich auch denen, die es noch nicht wissen, deutlich macht, dass Doris Brehms Name nicht mehr vergessen werden darf.

Der Konsens darüber, was von unserer Kultur als bewahrenswert betrachtet wird, entsteht nie unabhängig von gesellschaftlichen Machtverhältnissen und es ist kein Geheimnis, dass jahrhundertelang Bücher von Frauen unsichtbar gemacht wurden. Vermutlich liegen viele weitere literarische Glanzstücke von Frauen* in Archiven, die in Vergessenheit geraten sind. Arbeitet ihr gerade an der Bergung eines solchen Schatzes und darf man schon Genaueres zum kommenden Band der Haymon HerStory erfahren?

Bettina Balàka: Der nächste Band wird der Roman „Anständige Frauen“ der 1855 in Wien geborenen Emilie Mataja sein, die unter dem Pseudonym Emil Marriot publizierte – auch noch, als ihre Identität längst bekannt war. Sie veröffentlichte über 20 Bücher, in denen sie sich mit einer Fülle gesellschaftskritischer Themen beschäftigte, gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Vereins der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien, war mit Rosegger, von Saar und nicht zuletzt Karl Kraus bekannt, dessen Einladung zur Mitarbeit an der „Fackel“ sie ausschlug. Wir freuen uns sehr auf diese spannende Wiederentdeckung!


Zwei Frauen im Widerstand: Wie viel sind sie bereit zu riskieren?

Zwischen bitterem Verrat, unmöglicher Liebe und eiserner Entschlossenheit

  • Der Roman von Doris Brehm aus den 1950er-Jahren erzählt von Widerstand, Menschlichkeit und Mut, von der Emanzipation einer Frau während des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit.
  • Eine Buchhandlung in Wien: Versteckt hinter Büchern, die nicht mehr existieren dürfen, rettet Gerda mehr als nur Worte, schafft einen sicheren Ort, grenzt die Zerstörung aus.

 

 


„Man könnte sagen, ich schreibe meine inneren Bilder ab“ – Interview mit Isabella Feimer

Isabella Feimers Lyrik spiegelt die Bewegung der Zeit wider – manchmal fließend, manchmal staccato –, sie fängt die Schönheit des Vergänglichen ein. Sie wirft Blicke auf Details; die Sprache in ihrer Zartheit und ihrem mitunter Minimalismus rahmt sie: den Wolkenausschnitt, den Zuckerguss, die Wintervögel und die Frühlingsknospen, den Saum des Nachthemds und den Balanceakt zwischen einem Ich und einem Du. Sie verfasst Poesie, die verborgene Gefühle an die Oberfläche trägt und uns die Zerbrechlichkeit und Stärke der menschlichen Existenz spüren lässt. Wir haben uns mit ihr über ihren neuen Lyrikband, den Einfluss der visuellen Künste auf ihr Schreiben und über Reisen unterhalten: 

 

Dein neuer Lyrikband „Versuch einer Verpuppung“ entstand auch inspiriert von mehreren Reisen, unter anderem spielt die abgelegene Insel Achill Island eine große Rolle – was hat dich an diesem abgelegenen Ort besonders berührt oder beeinflusst, und wie spiegelt sich das in deinen Texten wider?

Das Reisen ist der Flow, in dem für mich die meiste und auch intensivste Inspiration zu finden ist; es gibt so wundersame Orte, die ich bereisen durfte, da passiert das Schreiben fast von selbst. Achill Island war einer dieser Orte. Abgeschieden, karg und eine immense Weite innehabend. Weite ist ein guter Nährboden für Poesie; je weiter und einsamer ein Ort, desto aufdringlicher will es aus mir schreiben. Ich glaube, das hat damit zu tun, dass sich der Blick ändert, wenn er in Karges und aus der Fülle genommen wird. Der Blick fokussiert dann auf das Kleine und Zarte, und manchmal auf ein Nichts, in dem man nicht anders kann, als zu fühlen. Aber auch aus der überfordernden Fülle können meine Texte entstehen, dann, wenn ich mich nach Einsamkeit und Weite sehne.

Als Regisseurin und jemand mit einem starken Bezug zur Fotografie – inwiefern beeinflusst das Visuelle, das Bildhafte, deine lyrische Sprache? Gibt es Bilder oder Filmszenen, die als Auslöser für Gedichte dienen?

Das Visuelle hat für mich im Schreiben eine vorrangige Rolle. Als Erstes gibt es immer dieses innere Bild, eine Art emotionale Fotografie oder eine Art Filmstill, das vor allem anderen da ist, und dieses Bild begleitet mich dann eine Weile, manchmal Sekunden, manchmal Tage trage ich es in meinen Gedanken, bevor daraus dann die Worte entstehen und das Bild formen und transparent machen. Man könnte sagen, ich schreibe meine inneren Bilder ab. Bilder, Filme, Fotografien folgen mir und führen mich durchs Sein – schon immer, und ja, meine Sprache formt sich aus Visuellen, und ja, sie finden sich dann auch in meinen Texten wieder … so ist, zum Beispiel, ein Gedicht dem Bild „Die Riesin“ von Leonora Carrington gewidmet, und Bilder wie dieses oder auch einzelne Filmmomente, wie es einer in dem Film „A Crack in the World“ gewesen ist, bringen dann meine eigenen Geschichten ans Licht.

© Manfred Poor

Isabella Feimer, geboren 1976 in Niederösterreich, studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft und arbeitet seit 1999 als freie Regisseurin und Schriftstellerin in Wien. 2008/2009 Besuch der Leondinger Akademie für Literatur und 2011 Teilnehmerin des Mentoringprojekts des Bmukk. Sie schreibt Prosa, Essays, Lyrik und Theatertexte und veröffentlichte seit 2009 in diversen Literaturzeitschriften und Anthologien. Sie erhielt zahlreiche Stipendien und Preise. Zu ihren Inspirationsquellen zählen ihre Reisen, die sie gepaart mit Wanderlust und Wissensdrang auf alle fünf Kontinente führten, und die intensive Beschäftigung mit Bildender Kunst, Fotografie und Film.

Der Titel deines Bands ist „Versuch einer Verpuppung“ – ein Übergang, eine Transformation. Wie verstehst du diesen Begriff im Kontext deiner Arbeit zwischen Literatur, Film und Bildender Kunst? Ist das Schreiben für dich auch eine Form des Häutens oder Sich-Verwandelns?

Ja, der Prozess des Schreibens ist eine Häutung, ist eine Transformation, der man sich erst dann bewusst ist, wenn ein Text oder ein Band abgeschlossen ist. Für mich ist es so, dass ich das Gefühl habe, mit jedem Buch ein Stück weiterzukommen, mit mir, mit der Welt. Das Häuten geht Hand in Hand mit der Beschäftigung mit der Welt und den inneren – sagen wir mal – Abläufen. Und jetzt – da du fragst – merke ich erst, was in dem Titel steht, nämlich: der Versuch. Der Versuch, sich zurückzuziehen, sich auf das Innere zu besinnen, sich dem Inneren zu stellen und sich in dieser Konfrontation zu verwandeln. Auch glaube ich, dass es immer diesen ersten Schritt nach innen geben muss, um mit der Kunst, die man macht, nach außen gehen zu können.

Der verpuppte Kokon kennzeichnet auch ein Zwischenstadium zweier Erscheinungsformen, er steht symbolisch für einen Übergang und kann auch sinnbildlich für die Dichotomie zwischen Innen und Außen stehen. „Dazwischensein“, die Opposition zwischen Innenwelt und Außensicht, nicht zuletzt auch ein formales Changieren hin zu erzählerischeren Gedichten in den letzten Zyklen – glaubst du, dass dieses Dazwischensein einen gemeinsamen Nenner deiner hier versammelten Lyrik darstellt?

Ich möchte in meiner künstlerischen Arbeit dem Dazwischen so viel Raum wie nur möglich geben. Ich möchte ausprobieren, in den Inhalten und im Formalen. Gerade was Form betrifft, möchte ich mich nicht einschränken. Der freie Vers kann, so glaube ich, auch gern ein bisschen ins Erzählerische gehen – oder weiter ins Fragmentarische oder überhaupt in die Auslassung an sich. Und auch ein Erzählen darf lyrisch sein und voll der Poesie. Vielleicht ist das Dazwischen auch die Chance, die Innenwelt und die Außenansicht einander anzunähern, vielleicht löst sich im Dazwischen der Widerspruch auf und Innen und Außen schieben sich übereinander. Ergeben dieses Andere, dieses Etwas, das in den Zeilen vibriert.

Gibt es eine Frage, die du selbst gerne zu deinem Lyrikband gefragt werden würdest oder die du dir selbst stellst?

Vielleicht würde ich mich fragen wollen, warum es Liebesgedichte in „Versuch einer Verpuppung“ sind … vermutlich würde ich diese Frage aber nicht beantworten wollen.


Lyrik, die die Komplexität von Liebe, Verlust und Sehnsucht auf eindringliche Weise einfängt

Die Seele findet ihre eigene Sprache und erzählt: von inneren Kämpfen, stiller Freude und den ungesagten Worten, die tief in uns verborgen liegen. In drei Zyklen schreibt sich Isabella Feimer durch Orte, Zeiten, endlose Weiten und winzige Feinheiten.

 

 


Haymon Her Story – Wiederentdeckte Literatur von Frauen

Editorial von Verlagsleiterin Katharina Schaller

Vor einigen Jahren – es muss in der Zeit der Pandemie gewesen sein – nahm ich an einer Online-Veranstaltung eines großen deutschen Mediums teil, bei der eine Journalistin und ein Journalist aus dem Feuilleton über Literatur sprachen. Und wie so häufig auch über das Geschlechterverhältnis in den  Programmen der Verlage, das Verhältnis zwischen Autorinnen und Autoren. Der Journalist sagte damals, dass sich das Verhältnis stark verändert hätte, hin zu mehr Frauen in den Programmen, da Frauen ab Ende der 80er-Jahre auch gelernt hätten zu schreiben.

Nach der Teilnahme an der Veranstaltung war ich wütend, vor allem deshalb, weil ich dachte: Das alles wird sich nie ändern. Die Perspektive wird sich nie ändern. Zum Glück habe ich mich geirrt, zumindest teilweise. Ja, Verlage müssen sich gefallen lassen, dass ihre Programme auf Geschlechterverhältnisse gezählt werden (und das ist nur ein Parameter). Das ist gut so. Denn die Aussage, dass dieses Verhältnis nicht beeinflussbar sei oder auf Qualitätskriterien basiere, ist schlicht falsch.

Frauen haben schon immer geschrieben, Frauen waren schon immer Autoren, aber sie wurden in ihrer Arbeit behindert, durften zu oft nur im Hintergrund, für ihre Schriftsteller-Männer, schreiben, wurden häufig nicht gefördert. Wenn es Veröffentlichungen gab, setzte alsbald das Vergessen, das aktive  Verdrängen ein. Haymon Her Story – Wiederentdeckte Literatur von Frauen, die neue Reihe im Haymon Verlag, herausgegeben von der Autorin Bettina Balàka, widmet sich solch vergessen geglaubten  deutschsprachigen Romanen.

Als Literaturverlag, der sich als feministisch begreift, fühlt sich diese Reihe auch nach Ankommen an. Denn
neben den Ansätzen in der Gegenwart, neben den Veränderungen, die wir uns für die Zukunft wünschen, bedeutet eine solche Reihe, dass wir die Geschichte des weiblichen Schreibens ein Stückweit zugänglicher machen dürfen, dass wir erkennen, wie und in welch unterschiedlichen Formen und worüber Frauen  geschrieben haben.

Jeder Roman, der in der Reihe erscheint, wird gerahmt von einem Beitrag Bettina Balàkas zur literarischen Einordnung und einem Beitrag von der Historikerin Katharina Prager zur biografischen Einordnung. Den  Auftakt der Reihe macht Doris Brehm mit „Eine Frau zwischen gestern und morgen“, ein Roman über  Widerstand im Krieg, über die Widerständigkeit von Frauen. Es gäbe keinen besseren, keinen treffenderen Start für diese Reihe.


Zwei Frauen im Widerstand: Wie viel sind sie bereit zu riskieren?

Zwischen bitterem Verrat, unmöglicher Liebe und eiserner Entschlossenheit

  • Der Roman von Doris Brehm aus den 1950er-Jahren erzählt von Widerstand, Menschlichkeit und Mut, von der Emanzipation einer Frau während des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit.
  • Eine Buchhandlung in Wien: Versteckt hinter Büchern, die nicht mehr existieren dürfen, rettet Gerda mehr als nur Worte, schafft einen sicheren Ort, grenzt die Zerstörung aus.

 

 


© Bildarchiv der KPÖ

Doris Brehm (1908–1991): Schriftstellerin, Bibliothekarin und Widerstandskämpferin. Im Zweiten Weltkrieg arbeitete Brehm im kommunistischen Widerstand als „U-Boot-Referentin“, deren Aufgabe es war, geheime Unterkünfte für Jüdinnen und Juden sowie Deserteure zu organisieren. Im April 1945 wurde sie Mitglied der KPÖ, war in der Redaktion der von den drei demokratischen Parteien (ÖVP, SPÖ, KPÖ) herausgegebenen Tageszeitung „Neues Österreich“ tätig und begann ihre Arbeit als Lektorin, Übersetzerin und Autorin. Der Roman „Eine Frau zwischen gestern und morgen“ erschien 1955 und ist von den Erfahrungen Brehms geprägt.

© Christopher Mavrič

Bettina Balàka wurde 1966 in Salzburg geboren und lebt als freie Schriftstellerin in Wien.
Zahlreiche Auszeichnungen und Erscheinungen. Bei Haymon zuletzt
erschienen: der historische Roman „Der Zauberer vom Cobenzl“ (2023),
der Gedichtband „Die glücklichen Kinder der Gegenwart“ und der Essayband „Vom Zähmen, Ausbeuten und Bestaunen“ (beide 2024).


„Solange … bin ich Feminist:in“ – Künstlerin Katharina Cibulka im Gespräch

Ein feministisch besticktes Netz auf einer Baustelle – das ist die markante Bildsprache des Projekts „SOLANGE“ von Katharina Cibulka. Seit 2018 macht die Tiroler Künstlerin damit weltweit auf Genderungleichheit aufmerksam. Im Interview spricht sie über die Entstehung ihrer Arbeiten, deren internationale Entwicklung und was sie antreibt.

© in the headroom

Frau Cibulka, wie ist die Idee zu „SOLANGE“ entstanden?

Katharina Cibulka: Ich bin in Innsbruck in einer Familie mit sechs Geschwistern aufgewachsen. Für mich war Gleichberechtigung selbstverständlich: Ich konnte studieren, in meinem Kunststudium waren Männer und Frauen gleichermaßen vertreten. Ich war lange der Meinung, Feminismus sei nicht mehr notwendig.

Das änderte sich, als ich Mutter wurde. Die Geburt meines ersten Kindes war ein Aha-Moment – plötzlich sah ich, wie stark Rollenbilder unser Leben bestimmen. Mein Alltag als Mutter und Künstlerin war von Erwartungen und gesellschaftlichen Zuschreibungen geprägt, die Männer in dieser Form nicht erleben. Das war irritierend und hat mich motiviert, feministische Kunst zu machen.

Mit der Zeit entstand die Frage: Wie lange werden wir noch für Gleichberechtigung kämpfen müssen? Daraus entwickelte sich das Konzept von „SOLANGE“. Ich sammelte Antworten aus meinem Umfeld, wie etwa „Solange es keine Päpstin gibt“ oder „Solange ich mein Geschlecht nicht frei leben darf“. Diese Sätze wollte ich aus der feministischen Bubble herausholen und im öffentlichen Raum sichtbar machen – an Orten, die jeder Mensch sieht. Baustellen sind da ideal: Sie sind einerseits eine Männerdomäne und andererseits ein Symbol für Veränderung und Vergänglichkeit.

Warum haben Sie sich für den Kreuzstich entschieden?

Katharina Cibulka: Ich wollte mit einer Technik arbeiten, die – zumindest in unserem Kulturkreis – weiblich konnotiert ist. Der Kreuzstich ist ein traditionelles Handwerk, mit dem Frauen über Jahrhunderte am Stickrahmen im privaten Raum kreativ ruhig gehalten wurden. Indem wir diese Technik riesengroß auf Netze bringen, führen wir sie in die Öffentlichkeit – das ist fast schon ein Befreiungsakt. Das Sticken selbst wird von unserer Stickerin Vivian Simbürger in Murau umgesetzt, während wir die Texte in meinem Team gemeinsam erarbeiten.

 

Installation in der Bienerstraße in Innsburck: „SOLANGE ICH VON KARRIERE REDE UND DU FAMILINEMANAGMENT MEINST, BIN ICH FEMINISTIN“
SOLANGE ICH VON KARRIERE REDE UND DU FAMILIENMANAGEMENT MEINST, BIN ICH FEMINISTIN.
Innsbruck, Februar – Mai 2018

Wie lief die Umsetzung des ersten Netzes?

Katharina Cibulka: Ich habe das Konzept bei „Kunst im öffentlichen Raum Tirol“ eingereicht und eine Förderung für fünf Netze bekommen. Die erste Baustelle fand ich in der Bienerstraße in Innsbruck. Die Zusammenarbeit mit den Gerüstbauern war ein Abenteuer, besonders, weil es in 30 Metern Höhe ganz schön unheimlich ist. Schon am ersten Tag ging das Netz durch die sozialen Medien, und ich habe gemerkt, wie groß das Interesse ist.

 

Ihr Projekt hat inzwischen internationale Aufmerksamkeit erhalten. Wie kam es dazu?

Katharina Cibulka: Die sozialen Medien haben eine entscheidende Rolle gespielt. Anfänglich hatte ich gar keinen eigenen Account – das wurde schnell notwendig, um das Projekt sichtbar zu machen. Heute haben wir über 15.000 Follower:innen auf Instagram und erhalten täglich neue Satzvorschläge aus aller Welt. Diese Vielfalt zeigt, dass Gleichberechtigung ein globales Thema ist.

Wir wurden in verschiedene Städte eingeladen, etwa nach Rabat, Washington und Trondheim in Norwegen. In diesen Städten entwickeln wir die Sätze gemeinsam mit den Menschen vor Ort. Dadurch entstehen sehr lokale und aktuelle Botschaften, etwa zu den Themen Tradition, Gewalt oder kulturelle Normen. Diese partizipative Arbeit ist inzwischen ein zentraler Bestandteil des Projekts.

SOLANGE GOTT EINEN BART HAT, BIN ICH FEMINIST.
Dom zu St. Jakob, Innsbruck, Juli – November 2018

Was waren Ihre größten Erfolge?

Katharina Cibulka: Ein Höhepunkt war das Netz am Innsbrucker Dom. Mit dem ehemaligen Domprobst Florian Huber und der Kunsthistorikerin Elisabeth Larcher konnten wir die Botschaft „Solange Gott einen Bart hat, bin ich Feminist“ umsetzen. Der Satz hat viele Diskussionen aufgeworfen, generationenübergreifend, und genau das ist unser Anliegen: sensibilisieren und zum Dialog anregen. Besonders spannend war dabei die Entscheidung, die männliche Form „Feminist“ zu verwenden. Florian Huber hatte diesen Wunsch geäußert, um als Mann bewusst ein Zeichen zu setzen und zu zeigen, dass auch Männer hinter der feministischen Idee stehen können.

 

AS LONG AS FOLLOWING OUR RULES IS MORE IMPORTANT THAN FOLLOWING OUR HEARTS, I WILL BE A FEMINIST.
Rabat, Marokko, September 2019 – Januar 2020

 

Ein weiteres Highlight war Rabat, Marokko. Vor dem Königspalast haben wir 600 Quadratmeter bestickt – mit einem Satz in arabischer Schrift: „As long as following our rules is more important than following our hearts, I will be a feminist.“ Es war eine riesige Herausforderung, in einem patriarchalisch geprägten Umfeld solch eine Botschaft zu platzieren, aber es war ein großer Erfolg.

Welche Herausforderungen gibt es bei Kunst im öffentlichen Raum?

Katharina Cibulka: Die größte Hürde ist, Baustellen zu finden. Bauträger sind sehr skeptisch gegenüber feministischen Botschaften. Mit der Zeit haben wir aber Vertrauen aufgebaut, und viele Unternehmen sehen inzwischen auch den positiven Wert des Projekts. Der öffentliche Raum ist perfekt, weil wir damit Menschen erreichen, die sonst nichts mit Kunst oder Feminismus zu tun haben.

Welche Bedeutung hat Sprache für Ihre Arbeit?

Katharina Cibulka: Sprache ist das Herzstück von „SOLANGE“. Jedes Wort hat Gewicht, und wir, die Kommunikationswissenschaftlerin Tina Themel und ich, legen großen Wert darauf, ohne Vorwürfe und Provokationen zu texten. Das Wort „Feminist:in“ ist oft ein Reizwort, und genau deshalb nutze ich es. Es muss positiv aufgeladen werden, denn Feminismus hat unsere Gesellschaft enorm bereichert.

Mit den Texten versuchen wir, Diskussionen anzustoßen, ohne Gräben zwischen den Geschlechtern zu vertiefen. Humor und Wortspiele sind dabei hilfreich, um Menschen zum Nachdenken zu bringen, ohne sie abzuschrecken.

Gibt es künstlerische Vorbilder, die Sie inspirieren?

Katharina Cibulka: Natürlich. Vor allem viele großartige Frauen, die schon vor Jahrzehnten große Kunst machten, wie zum Beispiel Louise Bourgeois, sind für mich eine große Inspiration – sie hat als Frau und Künstlerin in einer schwierigen Zeit viel bewirkt. Maria Lassnig mit ihren großen Gemälden hat Jahrzehnte lang brillante Kunst produziert und wurde erst im hohen Alter dafür gefeiert. Und dann gibt es auch zeitgenössische Künstlerinnen wie die Brasilianerin Juliana Notari, die mit ihrer Arbeit auf beeindruckende Weise gesellschaftliche Normen hinterfragt. Ihre monumentale Installation einer 33 Meter großen Vulva in einem stillgelegten Park, ausgehoben aus Beton und mit rotem Epoxidharz überzogen, ist ein mutiges, provokantes Statement. Solche Arbeiten fordern uns dazu auf, über die kulturelle Sichtbarkeit von Körpern und Geschlechtern nachzudenken, gerade im Kontrast zu den unzähligen Phallussymbolen, die kaum hinterfragt werden. Das finde ich originell und wichtig.

Auch literarisch lasse ich mich inspirieren: Mareike Fallwickls Die Wut, die bleibt und Franziska Schutzbachs Die Erschöpfung der Frauen haben mich tief berührt.

 

Was steht bei Ihnen aktuell an?

Katharina Cibulka: Neben neuen Netzen arbeite ich neuerdings als Bühnenbildnerin am Landestheater. Es ist spannend, gesellschaftskritische und queere Themen in die darstellende Kunst einzubringen. Theater kann das Publikum auf einzigartige Weise herausfordern, weil es direkt im Moment wirkt.

 

Die Künstlerin Katharina Cibulka steht vor einem ihrer "SOLANGE"-Projekte.
© in the headroom

Über Katharina Cibulka
Katharina Cibulka (* 1975, Innsbruck) studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien und an der New York Film Academy. Mit ihrem Projekt „SOLANGE“ setzt sie sich weltweit für feministische Anliegen ein. Diese waren bislang auf 30 Baustellen in sieben Ländern und sechs verschiedenen Sprachen zu sehen, zuletzt in Österreich im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt Salzkammergut in Bad Ischl. Ihre Arbeiten wurden unter anderem mit dem Hauptpreis für zeitgenössische Kunst des Landes Tirol ausgezeichnet.


„Es mag Sie irritieren, Herr Inspektor, dass weibliche Gehirne manchmal dem männlichen überlegen sind, doch Sie müssen sich nun leider damit abfinden.“

Dieses Zitat stammt von Miss Marple, mit der Agatha Christie schon in den 90ern zeigte, dass Frauen* das Krimigenre meisterhaft beherrschen. Trotzdem blieben die ermittelnden Figuren oft Cis-Männer: alternde, allmächtige Polizisten oder Detektive mit Genieanwandlungen; eine einzelne, mächtige Figur, die mehr oder weniger im Alleingang ihre Fälle löst, „die Bösen“ bekämpft und für die Sicherheit aller verantwortlich ist. Heute kommen uns aus Krimis dagegen Figuren mit vielen Facetten entgegen, mit denen wir nicht nur deshalb mitfiebern können, weil uns ihr aktueller Fall in Atem hält, sondern auch, weil ihre Haltungen, ihre alltäglichen Probleme und ihr Privatleben uns einen direkten Blick in eine andere Lebenswelt ermöglichen. Sie reflektieren autoritäre Strukturen, sie haben Team- und Kampfgeist, sie haben eine Meinung, die sie uns auch wissen lassen, sie nehmen sich selbst nicht so ernst. Und häufig sind sie: Frauen*. Ein guter Krimi ist immer mehr als ein spannender Plot: Er ist Sprachkunst, Gesellschaftssatire, Systemkritik, Empowerment – oder alles gleichzeitig. Deshalb stellen wir euch nun die Protagonistinnen unserer Krimi-Autor*innen vor.

 

Astrid findet heraus, dass ihr Partner sie betrügt, und will ihren Herzschmerz in Venedig kurieren, einem Sehnsuchtsort auf ihrer Bucketlist. Nichts lenkt besser von einer traumatischen Trennung ab als die wunderschöne Serenissima. Denkt Astrid. Aber: Statt romantischem Dolce Vita und köstlichem Vino findet sie in der Stadt der Gondeln und Kanäle vor allem Hitze. Und Leichen. Jede Menge Leichen. Astrid gerät unversehens in mafiöse Verstrickungen. Entführungsversuche, Verfolgungsjagden in Motorbooten, Schläger und Schmuggler – immerhin wird Astrid dadurch von ihren privaten Kümmernissen abgelenkt. Aber wird sie diese ungeplanten Abenteuer auch überleben?

 

Ellen Dunne und ihre Patsy Logan sind ein kriminalliterarisches Dreamteam. Patsy, Kriminalhauptkommissarin aus München, steht ein paar Monate vor ihrem 40er und ist frisch getrennt, in Dublin, während einer beruflichen sowie privaten Auszeit. Sie hat sich den Kopf an der gläsernen Decke gestoßen – und hat damit zu kämpfen. Doch nicht nur beruflich, sondern auch privat geht es drunter und drüber, ihr Mann hat sich eine Ältere gesucht, und was das mit dem Liebhaber werden soll … das weiß Patsy selbst auch nicht so genau. Wie gut, dass Patsy von ihrer Schöpferin Ellen Dunne jede Menge Entschlossenheit, Selbstironie und schwarzen Humor mitbekommen hat, sodass sie sich dennoch mit voller Energie in die Suche nach der verschwundenen Stella stürzen kann.

 

Auch im Vorgängerband „Boom Town Blues“, mit dem Ellen Dunne den Glauser-Preis gewonnen hat, braucht Patsy Logan schwarzen Humor und Selbstironie, um den Herausforderungen zu begegnen, die das Leben ihr entgegenwirft. Ihre Ehe kriselt, der unerfüllte Kinderwunsch belastet sie schwer und der verdiente Karrieresprung wird ihr zugunsten eines männlichen Kollegen verwehrt. Doch Patsy will in Irland nicht nur Abstand von ihrem Alltag gewinnen. Sie möchte auch Hinweisen von Menschen nachgehen, die ihren Vater lebend in Dublin gesehen haben wollen. Das ist einigermaßen verwirrend, denn: Patsys Vater ist seit vielen Jahren tot. Wir fiebern mit Patsy mit, als deren private Situation sich zuspitzt und die Vergangenheit beängstigend lebendig wird.

 

Nach einem Gefängnisaufenthalt versucht Kiki, zurück in ein geregeltes Leben zu finden. Als ihre unheilbar kranke Freundin Olga rund um die Uhr Pflege benötigt, zieht sie zu ihr und kümmert sich aufopfernd. Das neuartige Viennese Weed, ausnahmslos tödlich, ist für Olga eine Möglichkeit zur Flucht, die sie ergreifen möchte. Kiki ist bereit, für ihre Freundin die tödlichen Blätter zu beschaffen, selbst wenn sie weiß, dass das für sie den ultimativen Abschied von Olga bedeuten wird. Auch die dreizehnjährige Jasse treibt es in den Wald. Sie möchte ihrem Leben ein Ende setzen. Als plötzlich Aufseher auftauchen, fliehen Kiki und Jasse zusammen – und knüpfen eine vorsichtige Verbindung, eine Freundschaft, die sich aus Unglück speist. Das hält Jasse nicht davon ab, den Bärlauch, den sie gesammelt hat, zum Einsatz zu bringen – allerdings nicht an sich selbst …

 

Börnie, gewesene (und jetzt verwesende) Marketingexpertin bei Schön Cosmetics, wacht auf dem Büroboden auf und merkt, dass sie ermordet wurde. Wer zum Aasgeier hat ihr das angetan? Weil die Polizei keinen leichenblassen Schimmer hat, muss frau selber ran. Sterben ist eben auch nicht mehr das, was es mal war! Als Geist Ermittlungen aufzunehmen, ist aber leichter gesagt als getan. Stell dir vor, du bist tot und keiner hört zu. Weil dich überhaupt keiner hören kann! Naja, fast: Auf die kürzlich bei Schön wegrationalisierte Reinigungskraft Jenny und Medium Kai-Uwe ist immerhin Verlass. Wird es dem etwas anderen Ermittlertrio gelingen, Börnies Mörder dingfest zu machen, ehe der gesamte Personalstamm von Schön Cosmetics ein unschönes Ende nimmt?

 

Marias Mutter stirbt und sie genießt die Ruhe, endlich nicht mehr gebraucht zu werden, endlich einen Moment für sich selbst zu haben. Sie fährt los, gönnt sich zuerst ein Sektfrühstück, dann eine Nacht mit einem Fremden im Hotel. Als sie am nächsten Morgen in die Einfahrt biegt, steht die Polizei vor ihrem Haus. Maria bekommt Panik – und verschwindet. Sie wechselt ihre Identitäten und immer wieder wird ihre prekäre Situation schamlos ausgenutzt. Sie sucht den Weg des geringsten Widerstandes, fügt sich und passt sich ihrer Umwelt geschmeidig an … so lange, bis es ihr reicht. Die Flucht vor ihrer eigenen Identität hinterlässt blutige Spuren. Marias Wechselspiel aus Passivität und radikalen Befreiungsschlägen lässt sie dich spüren: die Hilflosigkeit und den lodernden Zorn, die aus Ungerechtigkeit und Unterdrückung entstehen.

 

Toni Lorenz, Schauspielschülerin am Konservatorium in Wien, ist offen, mutig und mit ihrem persönlichen Rucksack voller negativer Erfahrungen beladen. Während der Sommerferien arbeitet sie mit Privatdetektiv Edgar Brehm. Ein junger Mann verschwindet und Toni und Edgar merken, dass es ganz schön schwierig wird, alle Beziehungswirren, die den Vermissten und seine Familie verbinden, im Blick zu behalten. Wenn zumindest das Privatleben von Toni super unkompliziert wäre, aber nix da: Neben ihren Ermittlungen versucht Toni auch noch einen Sommerkurs an der Schauspielschule zu absolvieren. Blöd nur, dass ihr Dozent ein junger Filmstar ist (und sie ziemlich ablenkt). Toni hat wirklich schon genug miserable Erfahrungen mit Männern gemacht und versucht, vorsichtig zu bleiben – so gut das eben geht …

 

Philomena Schimmer liebt ihre beiden Schwestern, die ihr aber zuweilen auch ganz schön auf die Nerven gehen – vor allem der Nachwuchs. Sie hassliebt ihren Exfreund, von dem sie sich nicht lösen kann, obwohl er längst eine Neue hat. Sie hat Ideale, die sie auch verkündet, selbst wenn sie dafür zur Spraydose greifen muss. Als Polizistin sieht sie Dinge, die sonst niemand sieht: Sie sucht vermisste Personen und entdeckt selbst kleinste Hinweise und unscheinbarste Spuren. Und: Philomena sieht Menschen, die sonst niemand wahrnimmt. Seit einer traumatischen Erfahrung schickt Philomenas Unterbewusstsein ihr regelmäßig mysteriöse „Besucher“. Auf der Suche nach der jugendlichen Karina fällt es ihr immer schwerer, die professionelle Distanz zu wahren, je länger das Mädchen verschwunden bleibt.

 

Laura Mars wird aus ihrem Leben in Wien gerissen, als ein Notar aus Kroatien ihr mitteilt, dass sie die Alleinerbin ihrer gerade verstorbenen Großmutter ist – obwohl Laura schon vor Jahren deren Sterbeanzeige bekommen hat. Und damit nicht genug: Als Laura im Notariat in Pula ankommt, findet sie dort den Notar ermordet vor. Vom Testament fehlt jede Spur. Dafür entdeckt sie das Tagebuch ihrer Großmutter und erfährt mit jeder Seite mehr über die vertrackte und düstere Vergangenheit ihrer Familie. Eines hat sich Laura aber fest vorgenommen: keine komplizierten Männergeschichten mehr. Doch der ermittelnde Kommissar macht es ihr immer schwerer, an ihrem Vorsatz festzuhalten … Und die Zeit drängt: Während Lauras Nachforschungen immer mehr Fragen aufwerfen, taucht ein weiteres Mordopfer auf.

 

Miss Marple heißt jetzt Madame Beaumarie. Florence Beaumarie war Zeit ihres Berufslebens die Seele eines Pariser Kommissariats – jetzt möchte sie eigentlich entspannen. Doch das Verbrechen scheint ihr selbst im Ruhestand an den Fersen zu kleben. Das örtliche Kommissariat freut sich über die Unterstützung durch Madame Beaumarie, denn sie hat sich als findige Ermittlungshelferin weit über Paris hinaus einen Namen gemacht. Abgelenkt wird sie allerdings durch einen besonders charmanten Galan: Charles Florentin, ein attraktiver Antiquar, bringt Florence mit seiner liebevollen Aufmerksamkeit ein wenig durcheinander …

Begleite Astrid auf ihrem ungeplantem Abenteuer nach Venedig, Laura Mars in die düstere Vergangenheit ihrer Familie und Börnie in die Nachwelt. Fliehe mit Kiki und Jasse sowie mit Maria vor den Behörden und der unangenehmen Realität. Patsy Logan und Toni Lorenz nehmen dich mit auf ihre Ermittlungen und Philomena Schimmer sowie Madame Beaumarie kommen von den Verbrechen nicht los. Lies dich rein in die Geschichten unserer Ermittlerinnen!