Autor: Marina Höfler

Ein Blick hinter die Mauer – Juri Andruchowytsch über »Pralinen vom roten Stern« von Oleksandr Irwanez

»Hat Oleksandr Irwanez tatsächlich in die Zukunft geblickt? Ist der Platz dieser Quasi-Antiutopie tatsächlich auf dem gleichen Bücherregal, auf dem sich die warnenden Werke von Orwell, Huxley oder Lem befinden?« 

Wieso sich Pralinen vom roten Stern  wie eine Vorwegnahme der heutigen Konflikte liest, und was uns Schlojma Ezirwans Erlebnisse über unsere Gegenwart erzählen können, erfahren Sie hier aus berufenem Munde: Juri Andruchowytschs Vorwort zu diesem einzigartigen Roman macht Lust darauf, mehr zu erfahren, über die beschriebene Quasi-Dystopie, mit der Oleksandr Irwanez die Provinzstadt Riwne auf die literarische Landkarte setzt. Irgendwo zwischen Prophezeiung und Rückschau navigiert uns Irwanez durch eine kurios zeitenlose Ukraine, die uns fern ist, aber gleichzeitig so nah:

 

Ein Blick hinter die Mauer – Aus dem Vorwort zu Pralinen vom roten Stern von Juri Andruchowytsch

 

Fans von James Joyce haben ihren Bloomsday, und zwar am 16. Juni. Fans von Oleksandr Irwanez könnten – im Falle eines Falles – ihren Schlojma-Tag immer am 17. September haben. So wie der Bloomsday jedes Jahr in Dublin stürmisch gefeiert wird, so könnte der Schlojma-Tag zweifellos in Riwne zelebriert werden. Nun hat die Stadt Riwne für die Ukraine bei weitem nicht die Bedeutung von Dublin für Irland, doch der Schriftsteller Oleksandr Irwanez verlieh der Stadt mit seinem Roman eine beachtliche, zumindest literarische Bedeutung.

Die Gemeinsamkeit beider Romane ist offensichtlich, denn es geht sowohl im Roman von Joyce als auch in dem von Irwanez um einen Tag mit einem konkreten Datum.
Der Unterschied liegt freilich darin, dass Joyce das Jahr genau bestimmte: 1904. Irwanez gibt keine genaue Jahreszahl. Die Handlung des Romans spielt nicht wie bei Joyce in der Vergangenheit, sondern „quasi“ in naher Zukunft.

(…)

Der Roman von Irwanez, der ja im Vorfeld der Orangen Revolution mit ihrem kategorischen Sein oder Nichtsein geschrieben worden war, konnte durchaus als Antiutopie verstanden werden oder, auch solche Genres gibt es, als eine Roman-Prophezeiung.

Die Vorgeschichte des Romans verweist auf eine nicht näher genannte politische Katastrophe, wegen der die Ukraine in zwei Teile gespalten wurde: in eine prorussische SRU (Sozialistische Republik Ukraine), die einen beträchtlichen Teil des ehemaligen ukrainischen Territoriums einnimmt, sowie die prowestliche Westukrainische Republik. Die Spaltung der Ukraine verläuft auch quer durch die Heimatstadt des Autors und des Romanhelden.

Aus einer Stadt werden zwei Städte: das zum Westen gehörende Riwne und sein Gegenpart, das sozialistische Rowno. Die einst zusammengehörende Welt wird nach dem bekannten Berliner Muster aus den Jahren 1961–1989 durch eine Mauer geteilt.

Das Romansujet erzählt einen Tag aus dem Leben des Schlojma Ezirwan, eines Schriftstellers und Bewohner des Westsektors, den er freilich im Ostsektor verbringen muss, da er seine Verwandten besuchen will.

*

Lässt sich aus heutiger Perspektive, besonders im Zusammenhang mit der militärischen Auseinandersetzung mit Russland und ihren Marionetten in den östlichen Landesteilen der Ukraine, der Roman „Riwne-Rowno“ tatsächlich als Roman-Prophezeiung bezeichnen? Auf den ersten Blick schon. Seit dem Frühjahr 2014 (12 Jahre nach dem ersten Erscheinen des Romans) kann man in der Ukraine eine territoriale Spaltung beobachten. Natürlich kann man einwenden, dass die territoriale Verteilung genau umgekehrt wie im Roman ist. Das heißt, „unsere SRU“ ist ziemlich klein und „unsere Westukrainische Republik“ gleicht der Westukrainischen Republik im Roman ganz und gar nicht, da sie etwa 90 Prozent des ehemaligen Territoriums mit den südlichen, zentralen und östlichen Gebieten mit der Hauptstadt Kiew und deren wichtigsten Metropolen (Dnipro, Odessa, Charkiw) umfasst und nicht nur, wie im Roman, einige westukrainische Gebiete.

Das bedeutet, die Prophezeiung hat sich, wenn überhaupt, nur teilweise erfüllt, und zwar vor allem in einem Sinn: Tatsächlich wird ein kleines Gebiet nicht mehr von Kiew kontrolliert. Allerdings entgegen der Prophezeiung nicht aus westlicher Sicht, sondern aus der östlichen.

Und dass es überhaupt existiert, hat nur die unmittelbare militärische Intervention Russlands ermöglicht und auch dessen weitere Existenz wird nur vom russischen Militär gesichert. Übrigens genauso wie im Roman die Existenz des demokratischen und freien Riwne durch die Anwesenheit eines begrenzten Kontingents von NATO-Soldaten (einem polnischen Bataillon) gesichert wurde.

Und an dieser Stelle ist es nun höchste Zeit, das Allerwichtigste zu erwähnen: Hat Oleksandr Irwanez tatsächlich in die Zukunft geblickt? Ist der Platz dieser Quasi-Antiutopie tatsächlich auf dem gleichen Bücherregal, auf dem sich die warnenden Werke von Orwell, Huxley oder Lem befinden?

Irwanez’ Roman handelt von der Vergangenheit. Das heißt, die Reise des Helden auf die andere Seite der Mauer erscheint nicht nur als Bewegung durch den Raum, sondern vielmehr und in größerem Maß durch die Zeit.

Es ist eine Rückkehr in die Vergangenheit – in eine böse, komische, absurde, primitive, totalitäre, sozrealistische parodiehafte Vergangenheit. Die Zeit, das wird deutlich, scheint manchmal „quasi“ stehenzubleiben oder rückwärts zu laufen.

Als Ergebnis haben wir die karikierte SRU und ihre abscheuliche Stadt Rowno – eine fast schon zeitlose Verdichtung alles Sowjetischen, Anachronistischen und Abgestorbenen.

Und doch handelt es sich auch um ein Territorium der Nostalgie, Erinnerung, Sentimentalität, um eine Zone der verlorenen Zeit, die man unerwartet wiederfindet, einen Raum der Rekonstruktion von Träumen, die man, wie es schien, damals, in der Kindheit, ein für alle Mal ausgeträumt hatte – so wie der Autor des Romans und der Autor dieser Zeilen.

Und auch sonst haben der Autor und ich ein gemeinsames Land, nämlich eines, in dem nicht nur böse Träume von Zeit zu Zeit wiederkehren können.

***

Oleksandr Irwanez: Pralinen vom roten Stern

 

 

Schauplatz Ukraine: der zerbrochene Osten Europas
Eine im Nordwesten des Landes gelegene Stadt wird durch eine Mauer in zwei Zonen geteilt – in das zur Westukrainischen Republik gehörende Riwne und in Rowno. Rowno ist Teil der Sozialistischen Ukrainischen Republik, in der man nicht nur politisch, sondern auch sprachlich in die sowjetische Vergangenheit zurückgekehrt ist. Verbunden werden die beiden Teile nur durch einen schmalen Korridor. Reine Fiktion? Oder ein mögliches Zukunftsszenario?

„Für eine Gesellschaft ist der Blick in die eigene Geschichte unerlässlich” – Wilfried Steiner im Interview

Autor Wilfried Steiner im Gespräch. Foto: Andrea Peller

Die Füße im Lavasand, der Kopf im Sternenhimmel: Adrian Rauch hat einen Traum. Auf La Palma das weltgrößte Spiegelteleskop sehen, einmal aus der geregelten Bahn ausbrechen, alles vergessen und in Gedanken mit dem Kosmos verschmelzen.

Doch vor Ort gestaltet sich alles anders als geplant. Vor der beeindruckenden Kulisse der Kanareninsel wird Adrian nach und nach in eine Geschichte verwickelt, aus der es kein Entrinnen gibt. Während sich seine Frau Karin die Zeit bei Surfstunden vertreibt, gerät der Hobbyastronom mehr und mehr in den Bann von Sara, die ihm ihr dramatisches Schicksal anvertraut. Und von diesem Augenblick an wird Adrian vom Strudel ihrer Erzählung mitgerissen. Statt in die Weiten des Orionnebels blickt er in einen tiefen Abgrund, von dem er sich unmöglich abwenden kann.

Der Sog des bildgewaltigen Romans von Wilfried Steiner ist unwiderstehlich, in „Der Trost der Rache” führt er uns über schwarze Lavastrände, den gewaltige Roque de los Muchachos, zwischen Blüten in allen erdenklichen Farben durch ein packendes Abenteuer, das philosophische Fragen von großer Tragweite aufwirft.

Wir haben uns mit dem Autor über die Hintergründe und Schauplätze seines neuen Romans unterhalten:

***

Das Gran Telescopio Canarias, Wilhelm Reich, eine Ornithologin, die auf Rache sinnt, Pinochet – ist es der Zufall, der diese außergewöhnliche Konstellation zustande bringt oder gibt es einen verborgenen roten Faden, der unvermeidlich zu diesem kuriosen Zusammentreffen führt?

Die Ausgangsidee war, zwei gegensätzliche Charaktere aus weit entfernten Regionen auf dem Gipfel des Roque de los Muchachos zusammenzuführen. Sara und Adrian haben ganz unterschiedliche Beweggründe und Schicksale; was sie vereint, ist der Wunsch, zum Gran Telescopio Canarias zu gelangen. Das hatte für mich eine gewisse strukturelle Symmetrie, die über bloßen Zufall hinausging.

Glauben Sie im echten Leben an den Zufall?

In einem naturwissenschaftlichen Sinn schon. Ohne das Prinzip des Zufalls wäre ja auch die Quantentheorie nicht denkbar. Die berühmte Kopenhagener Deutung spricht sogar von „objektivem Zufall”.

Gran Telescopio Canarias

Die Astronomie begeistert Adrian, den Protagonisten. In einem Spiegelteleskop, wie dem Gran Telescopio, das im Roman eine große Rolle spielt, wird – vereinfacht gesprochen – das Licht des Himmelskörpers über gekrümmte Spiegel reflektiert und gebündelt, sodass der Beobachter im Okular einen knappen Auszug der Wirklichkeit erhält. Sehen Sie Parallelen zum Schreiben?

Im Prinzip ein schönes Bild – wenn man davon absieht, dass bei großen Spiegelteleskopen heute niemand mehr durch ein Okular schaut. Die Astronomen sitzen vor Bildschirmen und studieren Computerdateien. Das hat vielleicht auch Parallelen zum Schreiben, nur leider nicht so romantische …

Der Blick in die Sterne ist ja zwangsläufig immer ein Blick in die Vergangenheit. Einer, der uns weiterbringen kann?

Das kann man auf mehreren Ebenen beantworten. Für eine Gesellschaft ist der Blick in die eigene Geschichte unerlässlich, wenn sie sich weiterentwickeln will. Wozu es führt, wenn ein Staat seine eigene Historie beschönigt, konnte man gerade in Österreich gut beobachten.

Dem einzelnen Menschen schadet es auch nicht, sich mit seinen Anfängen zu beschäftigen, wenn er wissen will, was ihn so umtreibt. Jede körperliche Verkrampfung, sagt Reich, „enthält die Geschichte und den Sinn ihrer Entstehung”.

Astronomisch ist dabei ein Paradoxon interessant: Wenn ich mit immer besseren Teleskopen immer tiefer in die Frühzeit des Universums schauen kann, warum sehe ich am Ende nicht den Urknall selbst? Die undurchdringliche Wand, die das verhindert, ist 300.000 Jahre nach dem Beginn des Kosmos entstanden. Wenn die Wissenschaftler weiter zurückblicken wollen, müssen sie anders vorgehen: In riesigen Teilchenbeschleunigern wie dem LHC werden Protonen mit annähernder Lichtgeschwindigkeit aufeinander geschossen. Das ultraheiße Plasma, das dabei entsteht, kommt dem Ursprung der Welt näher als jedes noch so hochgerüstete Weltraumteleskop. Dieses Phänomen wird eine wichtige Rolle in meinem nächsten Roman spielen …

Lavafelder auf La Palma

In Ihrem Roman geht es in letzter Instanz um eine weitreichende moralische Frage: Gibt es Umstände, die Rache als Handlungsmotiv legitimieren?

Die erste Antwort muss natürlich sein: Ich bin gegen Selbstjustiz. Denn darauf läuft die Frage ja hinaus. Aber was genau bedeutet in diesem Zusammenhang „legitimieren”? Das Spannende (und Schwierige) ist ja gerade, dass es Einzelfälle gibt, die die Striktheit der allgemeinen Antwort ins Wanken bringen. Wenn ich einem Mann gegenüberstehe, der meine halbe Familie ausgerottet hat, und ich besitze eine Waffe – was würde ich tun? Oder anders: Würde ich jemanden, der in einer solchen Situation den Täter ermordet, als schuldig empfinden? Und weiter: Selbst wenn ich persönlich die Motive verstehen könnte, müsste ich nicht trotzdem dafür plädieren, dass ein Gericht über diesen Fall urteilt?

Kann Vergeltung jemals für Gerechtigkeit sorgen?

Wahrscheinlich nicht. Doch die haarsträubenden Ungerechtigkeiten, die in der Geschichte immer wieder auftreten, etwa die völlige Straffreiheit von Massenmördern und Folterern, erzeugen eine Form von Empörung, die es nachvollziehbar erscheinen lässt, wenn ein Opfer zur Tat schreitet.

Menschenrechtsverletzungen, Konzentrationslager, zehntausende Ermordete, unzählige Verschwundene – die Gräueltaten des Pinochet-Regimes liegen noch nicht sehr lange zurück und sind doch erstaunlich wenig präsent in unserer Wahrnehmung. Woran liegt das?

Es wäre zu leicht, das mit den üblichen Verdrängungsprozessen allein zu erklären. Auch Aspekte der Geschichtsfälschung bzw. die Art der Aufarbeitung haben dazu beigetragen. Zugespitzt könnte man sagen: In einer Welt, in der Menschen wie Henry Kissinger als Helden verehrt und mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet werden, stimmt irgendetwas mit dem Informationsfluss nicht. Und die Vorstellung, bestimmte völkerrechtliche Verbrechen tangierten uns nicht, weil sie in weit entfernten Ländern stattfänden, ist trügerisch.

Sind uns Chile und Pinochet letztlich doch näher als wir glauben?

Ein beispielloser Vorgang: Im Jahr 1973 wurde die demokratisch gewählte Regierung Chiles unter Salvador Allende mit Unterstützung der CIA gestürzt. Es folgten Jahrzehnte des Terrors unter Pinochet. Foto: © Biblioteca del Congreso Nacional de Chile

Sie sollten uns näher sein. Denn der Vorgang war einzigartig: Eine demokratisch gewählte Regierung wurde mithilfe der CIA einfach weggeputscht, weil sie den finanziellen Interessen der kapitalistischen Staaten im Weg war. Als die Generäle und die DINA mit den Folterungen und den Morden begannen, zuckten die USA mit keiner Wimper. Im Gegenteil: Das Feld wurde bereitet, um die Chicago Boys ohne Belästigung durch Gewerkschaften ihre ökonomischen Experimente durchführen zu lassen. Heute beobachten wir ähnliche Prozesse: Für Profit wird über Leichen gegangen, und das oft unter dem Deckmantel der Friedensstiftung. Und dass auch in einem europäischen Land rasch diktatorische Strukturen entstehen können, sehen wir jeden Tag.

Das gilt auch für den spannenden Fall Wilhelm Reich, der in Ihrem Roman vorkommt. Hat der Wissenschaftler Wilhelm Reich Antworten für die heutige Zeit?

In manchen Bereichen durchaus! Nicht umsonst war Reich ein Held der Studentenbewegung. Seine Arbeiten über Sexualität und die Funktion des Orgasmus, verschiedene Ansätze der Charakteranalyse und der Vegetotherapie sind immer noch aktuell. Reichs Einsatz für „proletarische” Sexualberatungsstellen in Wien und Berlin finde ich bewundernswert. Und „Die Massenpsychologie des Faschismus”, schon 1933 verfasst, ist immer noch mehr als lesenswert und hat auch ganz zentrale spätere Arbeiten zu diesem Thema inspiriert, etwa Klaus Theweleits „Männerphantasien”.

Und der Esoteriker?

Der schleichende Übergang vom marxistischen Psychoanalytiker zu jemandem, der Wolken mit Orgon-Energie beschießt, um es regnen zu lassen, wirkt von außen betrachtet verblüffend und bestürzend. Die Faszination liegt aber darin, die psychische Entwicklung Reichs anhand seiner eigenen Theorien zu studieren, gewissermaßen den Esoteriker mit der Brille des Analytikers zu betrachten. Darüber hinaus hege ich durchaus Sympathien für den „verrückten” Reich, auch wenn der Orgonakkumulator wohl nicht wirklich funktioniert …

Das tragische Schicksal, das Reich widerfährt, ist bemerkenswert. Innerhalb kurzer Zeit wird in den USA eine Kampagne gegen ihn lanciert, sein Lebenswerk zerstört, er stirbt im Gefängnis unter ungeklärten Umständen. Was war so gefährlich an seinen späten, streitbaren Theorien, dass er so unerbittlich verfolgt wurde?

Begonnen hat es mit dem Artikel „The Strange Case of Wilhelm Reich” in der New Republic vom 26.Mai 1947. Darin behauptet Mildred Brady (selbstverständlich fälschlicherweise), Reich verspreche jedem, der den Orgonakkumulator bei ihm gegen Bezahlung ausleihe, orgastische Potenz. Daraufhin begann die Food and Drug Administration  ihre Kampagne gegen Reich. Dahinter standen mächtige Interessen der Pharma- und der Atomindustrie. In die Ermittlungen investierte der Staat zwei Millionen Dollar. Dass der „riesige Jude mit deutschem Akzent, der Bolschewist gewesen war und nun nackte Menschen in Schränken zum Orgasmus kommen ließ” (Harry Mulisch) im Amerika der Vierziger- und Fünfzigerjahre zu einem Feindbild avancieren musste, ist leicht vorstellbar.

Wilfried Steiner: Der Trost der Rache

 

 

„Es ist ein Herzensbuch. Gescheit, politisch aufklärend, obendrein ein hochspannender Krimi.”
Neues Volksblatt, Christian Pichler

„Die Schönheit lässt sich nur an ihren Brüchen erkennen. Der Tod des Vaters setzt die Geschichte des Adrian Rauch in Bewegung. Er verlässt seine geregelten Bahnen, um den Blick ins All zu richten. Seine Leidenschaft führt ihn von universaler Wahrheit auf den Boden der Wirklichkeit, in knallharte Verdichtung. Und das in einer sorgfältigen, aufmerksamen und klugen Sprache.”
Jurybegründung des Floriana Literaturpreises 2016

Lies jetzt rein!

Mit der Bridget Jones aus dem Gemeindebau in die Bingobongobar

Anständig unanständig, enorm komisch und alles andere als politisch korrekt – wenn die „Bridget Jones aus dem Gemeindebau“ Verbrecher unter Vorstadtweibern und in Burgerbuden jagt, dann geht sie im Sommerkleidchen aufs Begräbnis, borgt sich ein pinkes Auto mit Wimpern aus und kippt in ihrer Lieblingsbar Drinks bis zur Sperrstunde. Geschwindigkeitsbeschränkungen, Rauchverbote, Dresscodes: nicht mit Kitty Muhr! Diese Ermittlerin rockt, und Autor Manfred Rebhandl rockt sowieso.

Worum es in seinem neuen Buch geht? Nun, unter anderem darum:

Auch die Kitty hat sich endlich einmal Urlaub verdient. Doch die Susi, ihre beste Freundin, die wochenlang die Reise geplant hat, verliebt sich plötzlich in einen Filmproduzenten, der ihr auch noch eine Rolle verschaffen will.

Und dann passiert es: Rufus Lottmann, Regisseur der Schmonzette, in der Susi mitspielen soll, wird erschlagen aufgefunden. Schnell ist es vorbei mit der Urlaubsstimmung. Die so getrübte Laune können nur noch lange Abende in der Bingobongobar retten – lange Abende mit der besonderen Musikauswahl von Barkeeper Johnny.

Kostprobe gefällig? Bittesehr!

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Und auch im Benz kann Kitty nicht auf den richtigen Sound verzichten, um in Fahrt zu kommen.

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Aber viel besser ankündigen kann „Heiß ist die Liebe, kalt ist der Tod“ natürlich der Autor höchstselbst, der wunderbare Manfred Rebhandl. Glaubt ihr nicht? Ist so! Hier der Beweis:

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Kitty ist nicht zum ersten Mal im Einsatz. Es hat ja einen Grund, warum sie so dringend Urlaub nötig gehabt hätte, nämlich ihren anstrengenden letzten Fall. Hier ein kleiner Einblick: 

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Unbegleitete Jugendliche treffen auf unbefriedigte Vorstadtweiber!

Johnny aus der Bingobongobar poliert lieber seine Gläser!

Ali Khan Kurtalan geht Kitty Muhr nur bis zu den Nippeln!

Hildi LaChance entwirft Mode ausschließlich in Schwarz-Weiß!

Kittys Schwester nennt sich Barbie und will den Berndi heiraten!

++ EILMELDUNGEN +++ EILMELDUNGEN +++ EILMELDUNGEN ++

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Ihr seht schon, die Kitty ist eine, die man nicht verpassen sollte. Also ab in die Buchhandlung, holt euch Der König der Schweine und Heiß ist die Liebe, kalt ist der Tod. Vielleicht trifft sich Kitty ja mit euch auf einen Drink in der Bingobongobar? 

„Heimat sind für mich Menschen, Literatur und Musik” – ein Gespräch mit Selim Özdogan

Selim Özdogan. Foto: Tim Bruening

Nach den Romanerfolgen Die Tochter des Schmieds und Heimstraße 52 erzählt Selim Özdoğan die Geschichte seiner Protagonistin Gül weiter, mit der er bereits einen großen Leserkreis in seinen Bann gezogen hat. Eine einfache Frau mit wenig Bildung, aber mit einem guten und weisen Herzen, voller Lebenserfahrung. Sie erfährt, was es bedeutet, Heimat zu verlieren und neue Heimat zu finden – nicht nur durch die Migrationserfahrung, auch durch die Entfremdung von der Familie und von der Welt der Kindheit. Mit der Zeit jedoch lernt sie umzugehen mit den Schmerzen, die einem das Leben zufügt. Denn da ist das Licht, das immer noch brennt, nämlich im eigenen Herzen.

Wir haben mit Selim Özdogan über Zerrissenheit, Identität und über Sprache gesprochen. Kann ein Buch die öffentliche Wahrnehmung einer Bevölkerungsgruppe beeinflussen? Kann ein Roman die Art und Weise verändern, wie wir über Themen wie Heimat sprechen? Oder sind Geschichten in erster Linie Geschichten und sollten nicht für politische Erklärungen vereinnahmt werden?

Sehen Sie selbst – ein aufschlussreiches Interview zu einem lesenswerten Buch:

„Es gibt zwei große Fehler, die man in seinem Leben machen kann: Der erste ist, die Heimat zu verlassen, der zweite ist zurückzukehren.“


Yılmaz spricht in „Wo noch Licht brennt“ ein universelles Dilemma an, das den allermeisten bekannt sein dürfte, die ihr Zuhause zurückließen und in der Ferne von der alten Heimat träumen. Es ist kein einfaches Verhältnis, das man zu seinem „Vaterland“ und zur „neuen Heimat“ unterhält, oder?

Das ist eine Aussage, die erstmal gut klingt, aber in dem Roman ja ein paar Sätze später wieder gebrochen wird, weil Yılmaz selbst merkt, dass er da romantisiert.

Da ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bin, weiß ich nicht aus eigener Erfahrung, wie sich dieses Spannungsfeld von alter und neuer Heimat anfühlt, aber ich glaube, die Sehnsucht nach Geborgenheit und Zugehörigkeit ist eine menschliche Konstante, die sich mal mehr und mal weniger bemerkbar macht, abhängig von den eigenen Veranlagungen und der eigenen Biographie.

Reichen die ständig wiederkehrenden Schlagworte wie Integration, Inklusion oder das vielzitierte „Zwischen-den-Kulturen-Sein“, um die komplexen Gefühle zu beschreiben, die auch die Figuren in deinem Roman umtreiben?

Ich empfinde Wo noch Licht brennt nicht als einen Roman, der sich mit kulturellen Unterschieden und den daraus resultierenden Problemen und Möglichkeiten beschäftigt, sondern als ein Buch, das einfach nur versucht, möglichst nah bei seiner Hauptfigur zu bleiben.

Brauchen wir eine neue Sprache, neue Narrative, um das zu beschreiben, begreifbar zu machen?

Ich glaube nicht, dass es eine neue Sprache braucht. Sprachgebrauch hat sich im Laufe der Jahrzehnte geändert. Aus Gastarbeitern sind Ausländer geworden, aus Ausländern Migranten, aus Migranten Menschen mit Migrationshintergrund. Wenn wir heute ein Wort wie Parallelgesellschaft benutzen ist klar, dass wir damit nicht die Welt des Literaturbetriebs mit seinen eigenen Gesetzen und Regeln meinen. Mir scheint, man findet schneller eher neutral klingende Wort, als sich das Bewusstsein für bestimmte Dinge ändert.

Das, was wir neuerdings gerne Narrativ nennen, also eine Geschichte, die wir auf die Wirklichkeit legen, um Ursachen und Folgen sichtbar zu machen, bleibt immer das: eine Geschichte. Ich glaube, es würde helfen, wenn diese Geschichte sich verschiebt, weg davon kulturelle Unterschiede zur Abgrenzung heranzuziehen, hin dazu menschliche Gemeinsamkeiten greifbarer zu machen.

Fuat scheint im Roman immer unzufrieden zu sein: In Deutschland stört er sich an der Mentalität seiner Umgebung, in der Türkei sehnt er sich nach deutscher Gründlichkeit:

„Gibt es denn kein Maßband und keinen Zollstock in diesem Land? Kann es sein, dass mir ein erwachsener Mann erzählt, bei einer Treppe könnten halt nicht alle Stufen gleich hoch sein, die letzte würde nie hinkommen? Ich bin von Idioten umgeben, seitdem wir dieses Haus renovieren, bin ich nur von Idioten umgeben“.

Fuat ist ein Mensch, der gerne zetert. Seine Unzufriedenheit betrachte ich nicht als in erster Linie von einem Mangel geprägt, den er empfindet, sondern von dem Wunsch sich selber als klüger, besser, geschickter, gerechter zu sehen.

Kann ein Roman die Probleme, Gedanken, Erlebnisse von Menschen wie Gül oder Fuat von einer anderen Seite beleuchten, als dies in der tagtäglichen medialen Repräsentation geschieht?

Ja, einerseits kann ein Roman schon aufgrund seiner Länge ganz anders arbeiten, genauer, differenzierter darstellen, andererseits darf man sich aber nichts vormachen. In der Regel prägt selbst ein Bestseller das öffentliche Bewusstsein weniger als die allgegenwärtige Medienlandschaft.

Kann uns ein Roman in Zeiten der wachsenden politischen Spannungen zwischen Ankara und Berlin Erklärungen liefern? Vielen Menschen war es zum Beispiel angesichts der Volksabstimmung über Erdoğans Präsidialsystem vollkommen unerklärlich, wie so viele ExiltürkInnen entschieden haben.

Ein großes interkulturelles Missverständnis?

In erster Linie gibt es Verkürzungen und Dekontextualisierungen. So sind es in Deutschland, wenn wir uns die  Zahlen genauer anschauen, etwas mehr als 10% der Türkeistämmigen, die für das Präsidialsystem gestimmt haben, denn die Wahlbeteiligung war eher gering. Diese Menschen sind in den Schlagzeilen und werden als „die Türken in Deutschland“ betitelt. Als Zahl wird 60% genannt. Was stimmt, es geht um 60% der abgegebenen Stimmen, aber das ist halt nicht respräsentativ für „den Türken”. Man kann diese Wahlentscheidung nicht nachvollziehbar finden und problematisch, aber darum geht es in der Berichterstattung meistens nicht. Es haben auch Menschen in Frankreich und in den USA in den letzten Monaten so gewählt, dass man das problematisch finden kann. Und auch dort wird nach Antworten gesucht, aber ich habe das Gefühl, dass es nicht darum geht, diese Menschen wirklich zu verstehen, sondern darum klug klingende Theorien zum Warum zu haben.

Der Roman scheint mir nicht der richtige Ort, um diese Art von Fragen und Problematiken zu behandeln, aber wenn jemand etwas anderes behauptet, würde ich auch nicht widersprechen. Literatur lebt von Vielfalt.

„Medien bilden den Teil der Realität ab, der Leser/Klickzahlen bringt. Menschen wie Gül gehören nicht dazu.”

Bei der Lektüre von Wo noch Licht brennt wird einem vor Augen geführt, dass die kopftuchtragenden türkischen Mütterchen, die uns tagtäglich in den Öffis über den Weg laufen, die wir im Supermarkt, im Kindergarten oder im Park treffen, selbstverständlich handelnde, selbstbestimmte Menschen mit Überzeugungen sind, die über ihr Schicksal verfügen, die Entscheidungen treffen, die erzählenswerte, spannende Sachen erleben usw.

Warum treten Frauen wie Gül, die uns in unserem Alltag ständig begegnen, so selten in unserer medialen Wahrnehmung in Erscheinung?

Sie fallen nicht negativ auf. Sie bringen niemanden um, sie hinterziehen keine Steuern, sie prollen nicht herum, sie werden nicht geschlagen, sie wählen möglicherweise nicht mal Erdoğan. Medien bilden den Teil der Realität ab, der Leser/Klickzahlen bringt. Menschen wie Gül gehören nicht dazu.

Sprachen eröffnen neue Welten, hinter Sprachen verbergen sich Denksysteme mit jeweils ganz eigenen Selbstverständlichkeiten, eigenen Regeln. Kann eine Sprache auch Heimat bedeuten?

Ja, Sprache kann auf jeden Fall auch Heimat sein. Die Figur Suzan verbringt in dem Buch die meiste Zeit ihres Lebens in Italien ohne die Türkei zu vermissen. Doch dann sehnt sie sich im hohen Alter zurück nach der Sprache.

Deine Kinder wachsen mehrsprachig auf, oder? Was bedeutet das in Hinblick auf das Thema „Heimat“?

Ich bin zweisprachig aufgewachsen und habe das immer als Gewinn empfunden. Ein Gewinn, den ich versuche an meine Kinder weiterzugeben, indem ich konsequent türkisch mit ihnen spreche, obwohl sie in einer fast ausschließlich deutschsprachigen Umgebung aufwachsen. Ich weiß nicht, ob und wie meine Kinder den Heimatbegriff eines Tages für sich selbst füllen werden. Heimat sind für mich Menschen, Literatur und Musik. Aber das ist nur etwas, was ich für mich gefunden habe, und nicht etwas, das ich bewusst meinen Kindern vermitteln möchte. Sprache aber schon.

Ein türkisches Sprichwort besagt: „Eine Sprache, ein Mensch. Zwei Sprachen, zwei Menschen.” – („Bir lisan, bir insan. Iki lisan, iki insan.”). Inwiefern trifft das auch auf dich zu?

Es ist ein Sprichwort das zu leicht im Themenfeld von Zerissenheit gedeutet werden kann, zusammen mit den kulturellen Differenzen, dem Zwischen-Seiten-Stehen usw.

Eine Sprache ist eine Perspektive auf die Welt, und je mehr Perspektiven man einnehmen kann, desto größer wird das eigene Verständnis. Aber die Fähigkeit, Perspektiven zu verstehen, ist nicht allein auf Sprachkenntnisse beschränkt.

Gibt es Dinge, die man etwa in türkischer Sprache treffender ausdrücken kann als auf Deutsch?

Ich glaube, man kann sich in jeder Sprache etwa gleich gut bestimmten Dingen annähern. Mal schneller, mal langsamer. Ich empfinde Türkisch als die emotional präzisere Sprache. Es gibt drei verschiedene Worte für Herz, abhängig davon, ob wir das Organ meinen, ob wir eher einen Gemütszustand meinen oder eine emotionale Bewegung Richtung Angst oder Mut. Das heißt aber nicht, dass man diese Dinge auf Deutsch nicht ausdrücken kann, man braucht aber halt mehr als ein Wort, man muss einen Kontext schaffen oder man muss den Kontext nehmen, der schon vorgefertigt ist. Bei „mir ist ganz schwer ums Herz“ meint man etwas anderes als bei „sich ein Herz nehmen“. Im Türkischen würde man zwei verschiedene Worte gebrauchen. Einerseits sind die Wörter genauer, andererseits geht es eben auch ohne diese Unterscheidung.

Was dennoch verloren geht ist eine Art von Haltung dem Leben gegenüber, die zu dieser Unterscheidung geführt hat. Das kann aber  Sprache nicht allein transportieren, dafür braucht man auch den kulturellen Kontext, der sich wiederum nie ganz von der Sprache trennen lässt.

 

 

Werfen Sie hier einen Blick in Selim Özdogans einfühlsamen Roman über Heimat, kulturelle Identität und das Leben zwischen zwei Welten.

„Özdoğan (…) hat mit diesem Roman ein wichtiges Buch geschrieben, denn es erzählt uns vom Innenleben einer fremden Lebenswelt. Von Heimat und Fremde und Zukunft auch. Ohne Sentiment und ohne Schwafelei. Einfach gelungen!“

Buchkultur, Horst Steinfelt

Stars, Schaumwein und … ein fehlender Klunker: Pauline Miller ist zurück!

Eine Operndiva hat Erklärungsbedarf – im neuen Kruse-Krimi gerät Pauline Miller selbst ins Visier der Ermittlungen.

 

Bayreuth, Festspiele. Paulines geliebtes Hündchen Radames ist nach einem schweren Fall von Dognapping wieder da – dafür fehlt jetzt ein kostbarer Klunker. Pauline Miller, leidenschaftlich-schrille Diva und Vollweib erster Güte, gerät während der Proben zur Rolle ihres Lebens – sie gibt Tristans Isolde – unter Verdacht, selbst hinter der heimtückischen Tat zu stecken … Welch ein Affront! Doch nicht Pauline, die Opernlegende!

Es müssen Taten folgen, ganz klar. Dass eine Frau von Paulines Format die Aufklärung eines Raubes und die Wiederherstellung ihres Namens nicht einfach irgendeinem dahergelaufenen Provinzermittler überlässt, versteht sich von selbst. Denn es singt nicht nur niemand Isoldes Liebestod wie Pauline, es ermittelt auch niemand wie sie! Also werfen sich Pauline und ihre kleinwüchsige Agentin Bröcki in ihr bestes Vermummungsoutfit – und los gehts!
In so einer Lage müssen in Paulines Umfeld schon mal Aufmerksamkeits-Abstriche gemacht werden. Dass aber gerade der Hund ihres Herzens unter dem Diamantenraub zu leiden hat, überrascht doch.

Was Radames neben chronischer Vernachlässigung und chronischer Narkolepsie sonst zu beklagen und zu beschwärmen hat, erfahrt ihr aus erster Hand in diesem Auszug aus seinem Tagebuch.

*Radames Miller, Ray of the Ridgebridge

Aus dem Tagebuch des Radames*

Bayreuth, erster Eintrag: Ein Fall für den Tierschutz!

Das fängt ja gut an! Mein Frauchen, Operndiva Pauline Miller, darf auf den Bayreuther Festspielen die Isolde in Tristan und Isolde singen und ist darüber so aus dem Häuschen, dass sie mich sträflich vernachlässigt. Nicht nur vernachlässigt, nachgerade tierquält! Was passiert ist? Sie nimmt mich mit zur Probe im Festspielhaus auf dem grünen Hügel und bindet mich an den Hundehaken zwischen Haupteingang und Osteingängen, den angeblich Hundeliebhaber Richard Wagner höchstselbst dort anbringen ließ. Was ich nicht glaube. Wer seinen Hund liebt, nimmt ihn mit ins Gebäude! Mein Frauchen aber bindet mich nicht nur draußen an, sie vergisst mich doch glatt! Ich muss eine geschlagene halbe Stunde im Sommerregen ausharren (ja gut, warmer Regen, aber trotzdem!) und habe innerlich schon meine Protestnote an den Tierschutzverein formuliert, bevor sie sich an mich erinnert und mich von der Garderobiere trockenrubbeln lässt. Ich bin dermaßen empört, dass ich nicht einmal einen narkolpetischen Anfall erleide! Ehrlich, das ist un-er-hört!

Bayreuth, zweiter Eintrag: Liebe liegt in der Luft …

 

Ich habe mich verliebt! Stimmt natürlich, ich verliebe mich ständig, aber dieses Mal ist es etwas Ernstes, da bin ich mir ganz sicher. Meine Angebetete ist ein Mix aus Bulldogge und Bernhardiner und bestimmt dreimal so groß wie ich. Ich liebe große Frauen! Sie gehört einem chinesischen Milliardär und gibt sich spröde. Aber ich werde meine exotische Schöne erobern! Wegen meiner blöden Narkolepsie bin ich zwar kein eingetragener Zuchtrüde, aber was mir an Rassestandards fehlt, mache ich durch Einsatzeifer und Charme wieder wett. Ich gebe also alles und spüre schon, wie ihr Eispanzer Risse bekommt, doch mein Frauchen lässt mich nicht zum Zuge kommen. Sie ermittelt wohl schon wieder in irgendeinem Kriminalfall. Sich zwischen mich und meine Herzdame zu stellen – nein, das kann ich meinem Frauchen nicht verzeihen!

Bayreuth, dritter Eintrag: Ich werde zum Helden!

So ganz genau habe ich es gar nicht mitbekommen, aber offenbar steht mein Frauchen unter Verdacht, einen riesigen Diamanten gestohlen zu haben. Natürlich ist sie unschuldig. Als der wahre Täter sie bei einem Showdown auf Leben und Tod angreift, falle ich zum ersten Mal seit Hundegedenken nicht abrupt in einen Komaschlaf, sondern stürze mich auf seine Wade und verbeiße mich mit aller Kraft ins Männerfleisch. Er kickt mich jedoch in hohem Bogen von sich, und ich lande äußerst unsanft auf dem Boden und verliere kurzzeitig das Bewusstsein. Um mich herum bricht Tohuwabohu aus, aber ich sehe nur mein Frauchen. Sie beugt sich mit bleichem Gesicht über mich und kreischt panisch: „Holt einen Defibrillator! Und einen Tierarzt!“ Dann versucht sie, mich mit Mund-zu-Schnauze-Beatmung wiederzubeleben. Hach, sie liebt mich doch! Vielleicht vergebe ich ihr ja ausnahmsweise, dass sie mich im Regen stehen ließ und mein Liebesglück durchkreuzte …

Wie es mit Radames’ Nerven, Paulines Renommee und den herrlich schrägen Ermittlungen weitergeht, erfahrt ihr in Tatjana Kruses neuem rabenschwarzen Pauline-Miller-Krimi Schampus, Küsschen, Räuberjagd”.

„Miese, fiese Charaktere, die anderen ans Leder wollen”: Herbert Dutzler im Videointerview über das Schreiben, das Lesen und das Lachen.

Kulissengeheimnisse, Inspirationen und True Crime im Ausseerland: Nachdem sich Herbert Dutzler kürzlich an dieser Stelle selbst befragt, und sehr erheiternde und lesenswerte Erkenntnisse zu Tage gefördert hat, haben wir ihn diesmal vor die Kamera gebeten, um die verborgensten Winkel seiner Autorenseele auszuleuchten und ihm die Bestsellerformel zu entlocken.

Erzählt hat er uns dann allerdings über Arsen in Mohnknödeln, die unerträgliche Banalität des Bösen, lustige Begräbnisse und fade Hochzeiten. Eigentlich viel interessanter, finden wir!

Erfahrt alles über Gasperlmaiers gemütlich-grantige Resignation gegenüber der Welt, sowie einiges über Verkleidung, Humor und Germanistenträume. Wie das alles zusammenhängt? Hier gibt’s die schönsten Zitate zum Nachlesen:

Warum Fasching?

Erstens einmal gehe ich bei meinen Ideen für Bücher immer von Bildern aus, und der Fasching bietet natürlich eine ganze Unmenge an Bildern: bunte Bilder, spannende Bilder, interessante Bilder.

Ich mache auch eine ganze Menge Fotos und Videos bei solchen Ereignissen, und da erwarte ich dann einfach, dass die Ideen irgendwie daherkommen. Und natürlich kommt zu Hilfe, dass es im Ausseerland einen besonders ausgeprägten Fasching mit teilweise historischen Figuren gibt.

Fasching: Tradition, Kommerz, Volksverblödung: Also ich persönlich hab’s mit dem Verkleiden nicht so. Der Fasching ist doch eine Art verordnete Lustigkeit die meiner Art von Humor nicht so ganz entspricht. Aber was das Ausseerland betrifft, stehen die Tradition und die Unterhaltung für die Einheimischen eindeutig im Vordergrund und die Funktion als Touristenattraktion deutlich im Hintergrund.

Warum Schreiben?

Naja, es fängt damit an, dass auf jeden Fall – zumindest aus meiner Generation – jeder Germanistikstudent viel lieber Schriftsteller geworden wäre. Damals aber natürlich ernstzunehmender Schriftsteller und auf keinen Fall einer, der Unterhaltung produziert. Das war ja damals ein absolutes No-Go, irgendetwas zu machen, was unterhaltend ist. Man wollte vielleicht ein dritter oder vierter Handke werden oder so etwas in dieser Art. Das Schreiben hat mich nie ganz losgelassen. Es ist dann einfach in den Hintergrund gedrängt worden, durch berufliche Tätigkeit, durch Kinder, durch viele andere Dinge, auch durch Sport zum Beispiel, und irgendwann kommt’s dann wieder hervor und man denkt sich: „Jetzt gibt’s eine österreichische Krimiszene. Was, eine österreichische Krimiszene? Sowas gibt’s? Da könnte man sich dafür interessieren, könnte das doch mal ausprobieren!“ Und so ist schön langsam die Idee gewachsen, auch unterstützt durch die Möglichkeiten zu Lesungen zu kommen, Krimifestivals, in kleinen Anthologien zu veröffentlichen. Und so wächst und wächst halt so die Idee. Und eigentlich, muss man ganz ehrlich sagen, ist es mehr dem Zufall zu verdanken, dass mehr daraus wird als ein Hobby, sondern auch etwas, wo man auch auf das Einkommen mit Genuss schauen kann.

Warum Krimi?

Ist gar nicht so einfach zu erklären. Auf jeden Fall habe ich begonnen, sehr viele Kriminalromane zu lesen, weil ich auch Englischlehrer bin und mein Englisch verbessern wollte. Und da habe ich mich dann einfach mehr auf Spannungsliteratur konzentriert. Da gibt’s und gab’s auch sehr viel Spannungsliteratur im englischsprachigen Raum, und so ist das Interesse, immer neue Autoren und Autorinnen zu entdecken, immer größer geworden. Natürlich kommt dann, wenn man selber gerne schreibt, auch die Vorstellung dazu, dass man das doch auch mal selber probieren könnte.

Die Schattenseiten der Ausseer Landidylle – kennen Sie diese?

Aus eigener Anschauung Gott sei Dank gar nicht. Aber am Anfang meiner Tätigkeit als Krimiautor sind da schon ein paar Bücher gestanden. Es gibt zum Beispiel mehrere Bände von Sammlungen von realen Kriminalfällen aus dem Mühlviertel oder auch aus dem Linzer Raum. Eines dieser Bücher heißt „Arsen im Mohnknödel“. Die stellen hauptsächlich Kriminalfälle vor dem 2. Weltkrieg dar, also noch aus der Monarchie oder der Zwischenkriegszeit. Man sieht, wenn man solche Bücher liest, dass die Fantasie jedes Krimiautors von der Realität oft weit in den Schatten gestellt wird. Vor allem, was die Geringfügigkeit der Motivation, der Anlässe betrifft, die Menschen dazu treiben, andere umzubringen. Da denkt man sich als Krimiautor immer: „Also du musst dir doch mehr Gedanken über die Motivation machen, die Psychologie, über den Hintergrund. Es muss besser herausgearbeitet werden!“ Aber die Anlässe im wirklichen Leben, in der wirklichen Kriminalgeschichte, sind oft erschütternd nichtig gewesen.

Die ländliche Idylle und das Hereinbrechen des Düsteren

Etwas, das Menschen interessiert, lebt immer vom Kontrast. Auf der einen Seite eine Landschaft, die jeder als idyllisch erlebt oder erleben kann, wenn er hinfährt, und auf der anderen Seite miese, fiese Charaktere, die anderen ans Leder wollen. Das ist mal ein interessanter Kontrast. Und Kontraste sind immer für alles, was die Menschen unterhält, wesentlich.

In der Gegend, wo ich herkomme, ist es meistens auf Hochzeiten unglaublich langweilig, weil jeder eine hohe Erwartungshaltung hat, dass das ja lustig werden muss. Auf Begräbnissen dagegen geht’s oft recht lustig zu, weil keiner irgendetwas erwartet.

Der Gasperlmaier ohne die Frauen an seiner Seite?

Ich denke, Gasperlmaier würde ohne die Frauen schon zurechtkommen, aber auf eine ganz andere Art. Und ich befürchte fast, dass er ein wenig verlottern würde, was seinen Kleidungsstil, seine Ernährung betrifft. Was seinen ganzen Alltag betrifft ist es schon gut, dass er Frauen um sich hat, die sich ein bisschen um ihn kümmern. Und das ist vielleicht auch ein Grund, warum sich erstaunlich viele männliche Leser mit Gasperlmaier identifizieren können, weil er kein Mann ist, der die Welt unter Kontrolle hat, so wie es das traditionelle Männerbild vorsieht, sondern einer, der eher das Gefühl hat, dass die ganze Welt ihn kontrolliert.

Wieviel Dutzler steckt im Gasperlmaier?

Also ich glaube, der Gasperlmaier ist eher ein Kontrastprogramm zu mir selber. Er ist nicht sehr kommunikativ, ich dagegen tendiere dazu, eher zu viel zu reden, zu viel zu erzählen, zu viel preiszugeben. Der Gasperlmaier ist eher einer, der vom Leben herumgeschickt und gebeutelt wird, und ich bemüh mich, das Leben selber zu gestalten und im Griff zu haben. Wie weit das gelingt, ist immer eine andere Frage, aber der Gasperlmaier ist mir eine große Hilfe, wenn es darum geht, so ein bisschen die Sorgen und Probleme eines alternden Mannes darzustellen, der ich ja selber auch bin. Da kann man ja schon für die Gestaltung des Charakters in diesem Punkt aus der eigenen Erfahrung schöpfen. Auch die Frauenwelt, die Berufswelt … Er hat immer das Gefühl, er ist dem allem ausgeliefert, und es bricht über ihn herein. Das führt auch zu einer gewissen missmutigen Grundstimmung bei ihm.

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Wovor fürchtet sich eigentlich Bernhard Aichner? Der Bestseller-Autor im Videointerview

Wir haben Bernhard Aichner ins Haymon-Krimi-Studio gebeten und ihn ins Kreuzverhör genommen! In unseren Videointerviews erfahrt ihr unter anderem, wovor sich Bernhard Aichner fürchtet, warum er seine Schnuggis liebt, ob er Helene Fischer oder Reinhard Fendrich vorzieht und weshalb er mit dem Herz in der Hand durch die Welt zieht. 

Hier findet ihr einige spannende Zitate zum Nachlesen und das ganze Interview in zwei Videos! 

Hat deine Arbeit als Fotograf dein Schreiben beeinflusst?

Das Fotografieren hat mein Schreiben bestimmt beeinflusst. Also dieses Sehen in Bildern, dieses schnelle Erfassen von Räumen, Situationen, das in Bilder zu packen […]. Dass ich mit meinen kurzen Sätzen, mit meiner Aneinanderreihung von verschiedenen Bildern Szenen male, das hängt bestimmt damit zusammen.

Warum Krimi?

Krimi generell boomt glaub ich deshalb so, weil er zum einen die Möglichkeit bietet, dass man dem Bösen in sich ein bisschen begegnet, dass man dem Bösen ein bisschen über die Schulter schauen kann, aber die Sicherheit hat, dass alles nur Fiktion ist, dass am Ende des Buches alles gut ist, dass man weiß, es ist nicht wirklich was passiert. Man ist auf der sicheren Seite, kann aber trotzdem ein bisschen Voyeur spielen und dem Bösen begegnen.
Ich bin überzeugt davon, dass jeder zum Mörder werden kann. Niemand ist nur gut oder nur böse. Es steckt beides in uns, und ich glaube, dass es bestimmte Situationen im Leben geben könnte, wo sich der Schalter im Kopf umlegt, also ist niemand gefeit davor. Ich drücke die Daumen, dass es nie passieren wird! Meinen Romanfiguren passiert es ständig, dass sich irgendwo dieser Schalter umlegt, aber es macht mir Freude, beim Schreiben diese Grenze zu überschreiten und dort hinzuschauen.

Gerechtigkeit durch Rache?

Rache habe ich immer schon extrem faszinierend gefunden. „Der Graf von Monte Christo” war ein Lieblingsbuch von mir, Charles Bronson, Kill Bill, die ganzen Rachefilme, die es gibt, die habe ich immer sehr geliebt. Ich wollte immer Rachebücher schreiben, eine Rachegeschichte, so wie die Blum-Geschichte, aber auch in den Max-Broll-Krimis kommt immer wieder das Thema Rache vor.
Es geht mir beim Schreiben in erster Linie um den Lesespaß! Ich möchte unterhalten, ich möchte gerne mit einer schönen Sprache schöne Geschichten erzählen. Ich möchte bannen, ich möchte fesseln, ich möchte meine LeserInnen auf eine Reise schicken, die aufregend ist. Ich sage immer, ich möchte sie auf ein Pferd setzen, dem Pferd dann auf den Hintern klopfen, und die Leser sollen durch dieses Buch reiten bis zur letzten Seite und nicht mehr absteigen können. Wenn das gelingt, dass sie am Ende absteigen und sagen: „Huch …!“, dann bin ich happy.

Kannst du das Phänomen Aichner erklären?

Puh, ich weiß nicht, ob es ein Phänomen Aichner gibt, ich weiß, dass es mich gibt, Gott sei Dank noch, hoffentlich noch lange, und dass ich leidenschaftlich gern Bücher schreibe und leidenschaftlich gerne Geschichten erzähle, dass ich fleißig bin, beharrlich bin, dass ich auch mit dem Herz in der Hand durch die Welt gehe, durch meine Bücher gehe, und es macht großen Spaß. Das ist das Allerwichtigste. Ich glaube, das ist das Geheimrezept: Die Freude an der Sache!

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Begegnungen in Triest – Ein Ausflug mit Werner Stanzl

Gastbeitrag von Werner Stanzl

Ostern waren wir wieder mal in Triest. Wir wohnen ja nicht mehr ständig dort, was wir intensiv bedauern. Aber es ging nicht anders. Unsere beiden Töchter mussten mit der Aufgabe unserer Traumwohnung, hineingekleckst in eine Vertiefung der beinahe Senkrechten zwischen Meer und Rilkeweg von Sistiana Mare, bestraft werden. Unter dem Motto: „Geschieht ihnen schon recht, wenn wir keine Bleibe mehr haben in Bella Italia“.

Denn die Anmietung des Adlernests fanden Eva und Barbara cool. Jede Ostern, jedes Pfingstfest, jeden Sommerurlaub wollten sie da verbringen. Gekommen sind sie ein- oder vielleicht zweimal. Und das nur auf der Durchreise. Doch jetzt, wo wir sie aufgegeben haben und Hotelzimmer mieten müssen, kommen sie gerne mit. Und regelmäßig.

Und so waren wir halt wieder einmal in Triest. Eine schwache Ansage, ich weiß. Aber mit mehr kann ich zur Einladung des Haymon-Verlages, etwas zu Commissario Vossi zu erzählen, nicht dienen. Ich hoffe, das brauche ich auch gar nicht, weil alles schon in meinen Vossi-Stories steht. Und sollte mir Zusätzliches einfallen, wäre ich doch blöd, es nicht für die nächste Kabale zu sparen. Daher liefere ich aus Eintragungen meines Tagesbuchs, die mit „Ostern/Triest“ überschrieben sind.

Sie beginnen mit „Begehung Piazza Unita“.

Da wollte ich für ein neues Komplott Schauplätze begehen (das habe ich als Dokumentarfilmer so gelernt). Meine Frau bestand darauf, bei der Gelegenheit meinen Geburtstag zu feiern. Widder, genau. Ich kann’s nicht ändern. Jedenfalls ein Anlass, wie dereinst in jüngeren Jahren gutbürgerlich im Restaurant des Hotels Duchi d‘Aosta zu speisen. Doch solide Eleganz war out, Harry’s Bar war in. Das Restaurant der Edeladresse war nämlich ohne uns zu fragen vom Hotel an die Venezianischen Champagner-Jongleure verpachtet und von diesen auf schickimicki adaptiert worden. Es präsentiert sich nun als eine Art italienisches Maxim mit Moskauer Preisen. Die Menükarte bestand aus ein paar Zeilen Stakkato: „Branzino per dkg. € 7,oo“ und „Steak per dkg. € 9,oo“.

Für meine äußerst anpassungsfähige Tochter Barbara kein Problem. Die verschlingt Cheeseburger zu Cola beim Cheeseburger-Cola-Anlass mit der gleichen Lust wie Hummer und Jahrgangschampagner beim Hummer-Champagner-Anlass, Letzteres deutlich bevorzugt. Meine Frau aber zuckte bei der Lektüre des Angebots heftig und ließ die Ausgangstür nicht mehr aus den Augen.

Da ich Geburtstagsfeiern nicht mag, auch weil sich in nicht nachvollziehbarer Anmaßung die Geburtstagskinder feiern lassen, statt die Geburtstagsmütter in den Vordergrund zu schieben, war ich nicht abgeneigt, dieser Unsitte zumindest familienintern einen Dämpfer zu verpassen. Aber ein Halbpfünder-Steak um 225 Euro erschien mir dann doch zu aufwändig. Ich meine, das teure Stück für die vierköpfige Familienrunde und 1000 Euro sind futsch. Und da sind wir erst bei den Kosten für den Hauptgang.

Nun saßen wir aber schon mal und der nette junge Ober durfte nicht gleich am Beginn seiner vielversprechenden Laufbahn durch überhasteten Aufbruch desparater Gäste entmutigt werden. Und da ich zwischen den paar Zeilen der Karte eine Gänseleberpastete um 25 Euro erspäht hatte, bestellte ich viermal davon. Leider gab es dazu nicht den richtigen Wein. Man einigte sich schließlich auf einen Traminer. Zum Glück war die Flasche noch nicht entkorkt, als der Eleven gehobener Gastlichkeit anrauschte und sagte, die Foie Gras sei leider schon aus. Man hätte just heute von der Winterkarte auf die Sommerkarte umgestellt.

„Tja, dann kommen wir im Winter wieder“, beschied ich, wollte unser Minerale zahlen und gehen.

„Das geht aufs Haus,“ sagte sehr von oben herab ein dienstälterer Pinguin, der gerade an unserem Tisch vorbeischwänzelte.

Auf der Straße großes Nachweinen nach der entschwundenen Vertrautheit des alten Restaurants im d‘Aosta. Und Barbaras Darüberwischen: „Was jammert ihr? Wir haben uns 21 Euro erspart. Drei Minerale a sieben Euro.“

„Dennoch, keine besonders ermutigende Begehung“, sagte ich und entschied für einen Prosecco zum Durchatmen im Caffè Tommaseo. Das sollte den Abend retten.

Das Caffè Tommaseo: Ein Erbe aus 1824. Seit dem Rauchverbot riecht es hier anders. Der Duftcocktail wechselt mit dem Kommen und den Bestellungen der Gäste von Tapete auf Parfum, von Parfum auf Kaffee und von Kaffee auf Thunfischsalat. Foto: Barbara Stanzl

Das Tommaseo wurde erstmals 1830 im Firmenregister Triests vermerkt und ist das älteste noch betriebene klassische Wiener Kaffeehaus der Stadt. Es liegt hinter der Oper. Wie das Sacher in Wien. Seine Tradition und Geschichte liest sich allerdings ganz anders: Es entwickelte sich gleich nach seiner Gründung zu einem Schmelztiegel, in dem italienische Revoluzzer eingeschmolzen wurden, um als ernstzunehmende Revolutionäre gegen die österreichische Fremdherrschaft die Gussformen zu verlassen.

Österreichische Fremdherrschaft ist eine Lesart, die ich nicht mag. Firma Habsburg und Söhne wäre mir lieber. Denn die Massen der Österreicher wurden von und in diesem Jahrhunderte währenden Familienbetrieb genauso beherrscht, wie alle anderen nichtadeligen und nichtbegüterten Bestandteile des Vielvölkerstaates.

In diesem Sinne erscheint mir die Gedenktafel an der Fassade des Tommaseos als Grenzfall: „Von diesem Caffè Tommaseo, Zentrum der nationalen Bewegung, breitete sich im Jahr 1848 die Begeisterung für die Freiheit Italiens aus.“

Ein Nationalistentreff ist das Caffè Tommaseo längst nicht mehr. Im Gegenteil: In dieser und jener Ecke wird nicht selten in schwarz-gelb geseufzt und zwischen den Fundstücken des Tommaseo aus den letzten Habsburgertagen fand ich vor geraumer Zeit auch ein Notenblatt mit folgendem Text unter den Linien:

«Serbi Dio l’Austriaco Regno,
Guardi il nostro Imperator
Nella fede gli è sostegno,
Regga noi con saggio amor!

Difendiamo il serto avito,
Che Gli adorna il regio crin;
Sempre d’Austria il soglio unito,
Sia d’Asburgo col destin!»

Ein junger Ober mit mächtig Gel in seiner Frisur klärte mich auf: „Unsere Kaiserhymne“, sagte er, Betonung auf „unsere“. Also erübrigt sich die Übersetzung. Die Abweichungen zum deutschsprachigen Original sind marginal.

Selbiger Ober hatte diese Ostern wieder Schicht. Seinem Räumkommando ist es zu danken, dass wir nach einigem Zusammenrücken vier Plätze an einem kleinen runden Thonet-Tischchen in Besitz nehmen konnten. Nach kalorienreichem Geburtstagsschmaus aus Tramezzini Rucola, Tramezzini Pomodori e Bufalo, Tramezzini Tonno und Unmengen Potato Chips kamen wir mit einer Runde am Nebentisch ins Gespräch, die die längste Zeit schon Skizzen austauschte und mal hitzig, mal akademisch darüber stritt. Ein gewisser Peter Rowell aus Dublin erwies sich als ihr Rädelsführer. Vor sieben Jahren als James-Joyce-Fan aufgetaucht, war er von Triest nicht mehr wegzudenken. Zum Beispiel als Geldsammler für ein Denkmal des irischen Schreibers, das einem seit geraumer Zeit auf der Ponterosso im Stadtzentrum den Weg verstellt. Für den Trunkenbold Joyce eine gelungene Platzierung. Ähnlich abgestellt, soll nach dem Willen eines Bürgerkomitees in Bälde auch eine Bronzefigur der Kaiserin Maria Theresia den Weg auf der Brücke verstellen. In Lebensgröße, ohne Podest, mit Swoboda und Nowak, Hinz und Kunz, Giovanni und Enrico auf Augenhöhe. Den Skizzen der Runde nach als etwas in sich gekehrte, schüchtern anmutende Spaziergängerin.

Der Ire der Kaiserin: Tausendsassa Peter Rowell vor seinem Laden für Merkwürdiges. Er trommelt, sammelt und kämpft für eine Maria Theresia in Bronze zu ihrem Gedenkjahr. Mehrere Bürgerversammlungen gab es, der Stadtsenat vergab bereits Planungsauftrag. Foto: Barbara Stanzl

Nachdem meine Damen in Richtung Hotel aufgebrochen waren, zählte mir James-Joyce-Fan Peter zu Irish Malt Whiskey ausführlich die Großtaten Maria Theresias für die Stadt auf. Ich brauche sie hier nicht zu wiederholen, sie kennen sie ja alle. Die Geschichte vom Freihafen, über die Mole, die sie bauen ließ, um den Levantehandel zu fördern, über den Maria-Theresien-Taler, die Schulpflicht für alle und ihre Vorliebe für die Sprösslinge Lipizzas, des benachbarten Gestüts auf der anderen Seite der Grenze mit Slowenien. Ich will damit nicht langweilen. Und was darüber hinaus für den nächsten Vossi hängenblieb, verrate ich im nächsten Buch.

Ach ja: Falls auch Sie für das Maria-Theresien-Denkmal spenden wollen – es handelt sich ja um eine Privatinitiative der Bürger Triests – wenden Sie sich bitte via facebook an „comitato per l’erezione di un monumento a Maria Teresa”. Ich habe mich bereits beteiligt. Vielleicht war ich dabei ein wenig knausrig, aber ich kann ja bei meiner nächsten Begehung noch nachbessern.

Wie viel das Bürgerkomitee schon beisammenhat, habe ich im Dunst vom Irish Malt Whiskey nicht behalten. Und im nüchternen Zustand wollte ich nicht mehr fragen. Soweit ich mich erinnere, werden insgesamt 260.000 Euro gebraucht. Spenden sind also sicherlich noch eine ganze Weile willkommen.

Sammeln für ein Denkmal Maria Theresias in ihrem Gedenkjahr. Habsburg ist wieder en vogue in Triest.

So oder so ähnlich wird einem schon bald Kaiserin Maria Theresia in Triest begegnen. Aus Bronze in Lebensgröße, wie hier James Joyce.

***

Werner Stanzl: Aussicht auf Mord. Commissario Vossi ermittelt in Triest

Wandelt mit Commissario Vossi durch Triest!

Von den sanften Weinbergen um Gorizia, die Küstenstraßen von Grado und Monfalcone hinab, am märchenhaften Castello di Miramare vorbei bis hinein ins altehrwürdige Triest führt euch Werner Stanzl in seinem neuen Triest-Krimi Aussicht auf Mord.

Zwischen Kaffeehäusern aus der Kaiserzeit, der Hafenpromenade und der Piazza Unitá, sanftenWeinbergen, kulinarischen Genüssen und der aufziehenden Bora kämpft das Friaul-Julische Ermittler-Original Commissario Vossi gegen das Verbrechen.

„Wien um 1900 ist einer der interessantesten historischen Schauplätze für einen Roman.” Edith Kneifl im Gespräch

Edith Kneifl erweckt in ihrer Krimiserie um den charmanten Privatdetektiv Gustav von Karoly das Wien des Fin de Siècle zum Leben und lässt in der historischen Kaiserstadt die Puppen tanzen.
Ein Gespräch

Deine Serie um Privatdetektiv Gustav von Karoly spielt im historischen Wien, genauer gesagt im Wien der Jahrhundertwende. Inwiefern ist das Wien des Fin de Siècle die perfekte Krimikulisse?

Wien um 1900 ist für mich politisch und kulturell einer der interessantesten historischen Schauplätze für einen Roman.

Die industrielle Revolution und das neue Selbstbewusstsein des wohlhabenden Bürgertums seit 1848 – die Fabrikbesitzer waren meist keine Adeligen, sondern Großbürger, der sogenannte Geldadel –, führten zu einem unerhörten Aufschwung in wissenschaftlichen, technischen und, damit einhergehend, auch in künstlerischen Bereichen. Vor allem die Nationalitätenkonflikte in dieser Zeit und die Fortschrittsverlierer, die Obdachlosen, die Arbeiterinnen und Arbeiter, die vielen Zuwanderer aus den ärmlichen Kronländern, bildeten den Gegenpol zum Glanz des Bürgertums und dem gleichzeitigen Niedergang des Adels. Dieses Spannungsverhältnis aus dem, sehr vereinfacht ausgedrückt, letztendlich der Zerfall der alten Monarchien Europas nach dem Ersten Weltkrieg resultierte, hat mich immer fasziniert.

In meinen historischen Kriminalromanen ist zwar auch Platz für Glanz und Glorie, für Bälle und große Gelage in feudalen Ringstraßenpalais oder für Schönbrunn, die Hofburg und die Wiener Oper, aber interessanter finde ich die Kapitel, in denen ich mich mit der Verlogenheit und der Doppelmoral der damaligen gutbürgerlichen und adeligen Gesellschaft und mit den grauenhaften Lebensbedingungen der ärmeren Bevölkerung auseinandersetze, zum Beispiel mit dem Subproletariat und den Kriminellen im Prater in „Der Tod fährt Riesenrad“ oder eben mit den vielen Migranten aus den Kronländern in „Totentanz im Stephansdom“. Dabei ging es mir vor allem um die jungen Frauen und Mädchen, die aus diesen armen Ländern nach Wien verschleppt wurden. Miese Schlepper gab es schon damals!

Die Bücher sind hervorragend recherchiert, es mischen sich reale Geschehnisse mit Krimihandlung – wie bist du vorgegangen?

Ich habe immer viel gelesen – und Lesen bildet eben. Im Ernst, ich habe mich sogar in meiner Schulzeit für Geschichte begeistert. Die Jahrhundertwende hat mich auch während meiner beinahe zehn Jahre währenden Ausbildung zur Psychoanalytikerin beschäftigt. Freud und Schnitzler, Klimt und Johann Strauss, die großen Fortschritte in den Naturwissenschaften und vor allem die damals immer stärker werdende Arbeiterbewegung finde ich unerhört spannend und wichtig. Ich habe also während der Arbeit an diesen Romanen viele Bücher über Zeit und Leute gelesen und eben so manches in die Krimihandlung eingebaut.

Übrigens bekomme ich von jungen Lehrerinnen und Lehrern Komplimente. Sie meinen, auf diese Art könnte man die Schüler sehr wohl für den Geschichtsunterricht begeistern. Tja, mal sehen, vielleicht werden demnächst einige Mittelschüler oder Gymnasiasten meine historischen Krimis lesen? Ich würde mich freuen!

Wien ist ja für seine Morbidität bekannt. Wie ist dein Gefühl, hat der Wiener bzw. hat die Wienerin einen besonderen Zugang zum Düsteren, eine eigene Beziehung zur Sterblichkeit?

Ja, „der Tod muss ein Wiener sein“ (Georg Kreisler). Sicherlich hängt die vielzitierte Morbidität der Wiener mit dem Zusammenbruch der Monarchie zusammen. Dieser Zusammenhang wurde bereits oft analysiert. Ich glaube übrigens nicht, dass die heutige Wiener Bevölkerung so besonders morbid ist. Wahrscheinlich hat das eher auf die Nachkriegsgenerationen zugetroffen, sowohl auf die Überlebenden des Ersten als auch des Zweiten Weltkrieges. Reste dieses Hangs zur Morbidität finden sich sicherlich bis heute bei den Wiener Intellektuellen. Eine besondere Beziehung zum Tod haben aber auch andere Völker und Kulturen.

Gustav von Karoly ist ja ein besonders charmanter Charakter, dem die Frauen reihenweise verfallen. Kannst du ihn uns kurz vorstellen? 

Mit Gustav von Karoly hat ein äußerst charmanter und liebenswerter Mann die Bühne der Kriminalliteratur betreten. Ehrlich gesagt habe ich mir eine Art Traummann erschaffen. Gustav entspricht auch äußerlich dem Typ von Mann, für den ich immer anfällig war und bis heute bin: groß, schlank, schwarzhaarig, ebenmäßige Züge … Aber so sehen viele Männer aus. Das Anziehende an Gustav sind für mich seine Sensibilität und seine Schwächen. Einerseits ist er ja durchaus ein mutiger Mann, aber er gesteht sich eben auch seine Ängste ein und handelt entsprechend. Außerdem ist er klug und hat Humor. Und vor allem benimmt er sich meistens rücksichtsvoll und hat viel Verständnis für Frauen, kann gut zuhören und nimmt ihre Probleme und Ratschläge ernst. Solche Männer gibt es auch in der Realität, aber sie sind eher eine Rarität.

Starke Frauen spielen ebenfalls eine Rolle in deinen Büchern, was, gerade vor der Kulisse der Donaumonarchie, sehr spannend ist. Inwiefern war dir das wichtig?

Die starken Frauen in meinen historischen Kriminalromanen sind mir ebenso wichtig wie der schöne Gustav von Karoly. Im Grunde geht es mir in allen meinen Romanen immer um Aufbruchs- oder Ausbruchsversuche von Frauen. Das Genre des historischen Krimis erlaubt es mir, die Anfänge dieser ersten wichtigen Frauenbewegung in unserem Land zu beschreiben. Diese Frauen um die Jahrhundertwende haben für uns nicht nur das Wahlrecht, sondern auch den Zugang zu höherer Bildung erkämpft und damit unsere heutigen Karrieren ermöglicht.

Ohne Gustavs Tante Vera und seine große Liebe, die zukünftige Ärztin Dorothea, oder die Erzieherin Clara in „Totentanz im Stephansdom“, wären wir Frauen heute noch „Besitz“ unserer Väter oder Ehemänner und würden, falls wir aus armen Verhältnissen stammten, unser Leben als Dienstbotinnen, schlecht bezahlte Fabrikarbeiterinnen oder Prostituierte fristen. Auch das ist ein wichtiges Thema in all meinen historischen Krimis.
Die emotionalen Probleme, die Frauen damals um die Jahrhundertwende hatten, sind den Problemen heutiger Frauen nicht so unähnlich, wie man vielleicht denkt. Um sie zu beschreiben, brauche ich keine Recherchen durchzuführen, die kenne ich genauso gut wie jede andere Frau.

Zu guter Letzt (und nicht zuletzt, weil der neue Krimi „Der Tod liebt die Oper“ an der Staatsoper spielt): Welche Melodie dürfen sich deine LeserInnen in den Hintergrund denken, wenn sie vor ihrem inneren Auge Gustav durch Wien flanieren sehen?

Ich würde empfehlen, die beiden Verdi-Opern „La Traviata“ und „Rigoletto“ beim Lesen meines neuen historischen Krimis „Der Tod liebt die Oper“ im Ohr zu haben. Den Idioten „Otello“ sollten wir Frauen lieber vergessen.
Vor allem empfehle ich die Arien: „Lunge da lei“ („Entfernt von ihr gibt’s kein Glück für mich“) von Alfredo aus „La Traviata“ sowie die Schmerz-Arie aus dieser Oper: „Cessarono gli spasmi del dolore“, gesungen von Violetta.
Die wohl berühmteste Arie der Welt, „La donna è mobile“, des Herzogs von Mantua aus „Rigoletto“ würde ich ebenfalls den Opernliebhaberinnen und -liebhabern unter meinen Leserinnen und Lesern bei der Lektüre dieses Krimis ans Herz legen. Mir kommen dabei immer die Tränen, obwohl dieser Herzog ja ein fürchterlicher Womanizer war und den Tod verdient hätte.

Letzter Fasching – Herbert Dutzler interviewt Herbert Dutzler

Herbert Dutzler interviewt Herbert Dutzler. Foto (c) Gisela Barrett.

Die fünfte Jahreszeit im beschaulichen Ausseerland ist für manch einen auch die letzte: Unter dem farbenprächtigen Ornat der Flinserl und hinter den Masken der Trommelweiber verbirgt sich mitten im ausgelassenen Faschingstreiben das Böse.

Herbert Dutzler beleuchtet die dunkle Seite der Faschingsbräuche und bringt die bedrohliche Wahrheit ans Licht: über Lederhosen, Faschingsbriefe und Touristenshows. 

Ein Gastbeitrag von Herbert Dutzler

***

Ein Autor interviewt sich selbst und beantwortet endlich die brennendsten Fragen, die ihm schon lange gestellt hätten werden müssen.

Herr Dutzler, ist denn der Fasching ein geeigneter Hintergrund für ein blutrünstiges Krimidrama?

Der beste, den man sich denken kann. Jeder versteckt sich hinter einer Maske, keiner ist der oder die, die er zu sein scheint, Täter wie Opfer tauchen in der Masse der Verkleideten unter. Sehr dramatisch.

Aber im Fasching ist’s doch eigentlich lustig?

Keineswegs. Der Fasching ist eher bedrohlich. Hören Sie sich einmal den Ausseer Faschingsmarsch an. Also mir gefriert da das Blut in den Adern. Dazu noch die starren, höhnisch grinsenden Masken … also nein. Nicht lustig!

 Aber … die Erwartungshaltung … jeder erhofft sich doch, dass es lustig wird …?

Für diesen Fall ist der Krimi dann das unübertreffliche Kontrastprogramm. Der lustige Clown wirkt blutüberströmt doch noch viel dramatischer. Ganz zu schweigen von den vielfältigen historischen Figuren des Ausseer Fasching – stellen Sie sich ein Flinserl vor, das im Schein der untergehenden Sonne in einer Schlinge vom Dachbodenbalken baumelt … und die Pailletten glitzern um die Wette … unübertrefflich!

Wie gehen Sie denn bei der Recherche vor? Müssen Sie da nicht selber mitmachen? Als Trommelweib den Schlegel schwingen? Als Flinserl Nüsse in die Menge schmeißen?

Der Autor, sehr verehrter Herr Reporter, ist immer ein Außenseiter. Ein Beobachter. Er gehört nie richtig dazu, sondern drückt sich an den Rändern des Geschehens herum. Will unerkannt bleiben. Hört und sieht zu. Saugt auf. Fotografiert und filmt, meinetwegen. Ein Voyeur. Niemals aber darf er ein sogenannter Insider sein.

Aber … die Authentizität … die Realität …?

Reden wir nicht über die Realität, gar über die Wahrheit. Das sind sowieso schwammige Begriffe, die jeder anders interpretiert. Wissen Sie, der Insider, der kann bestenfalls ein Sachbuch schreiben. Die Dinge, die Personen beim Namen nennen. Es wäre den handelnden Personen gegenüber durchaus respektlos, wollte man sie in einem Roman so abbilden, dass jeder sie erkennt. Denn sie wären ja ganz andere als die, deren Namen oder Gesichtszüge sie tragen, Geschöpfe des Autors, ja sogar, im schlimmsten Fall, Opfer seines Missbrauchs.

Aber schreiben Sie denn jetzt über das Ausseerland, oder nicht? Die Schauplätze, die gibt’s doch alle, oder nicht?

Kennen Sie Krippen, Herr Reporter? Kastenkrippen? Da haben die Krippenbauer versucht, Jerusalem nachzubauen. Und immer hat es so ausgesehen, wie sich der Krippenbauer die Heilige Stadt vorgestellt hat. Und, natürlich, jedes Mal sieht sie ein bisschen anders aus. Na ja, und daher sieht halt mein Ausseerland so aus, wie Sie es in meinem neuen Buch lesen können. Viele werden es wiedererkennen, ja sich sogar damit identifizieren können. Manche nicht. Das sechste, übrigens.

Wie jetzt …?

Buch. Das sechste Buch. Der sechste Fall des Inspektor Gasperlmaier. Und der Frau Doktor Kohlross.

Jetzt erscheint Ihr Buch über den Fasching gerade (lacht) zu Ostern. Was haben Sie sich denn dabei gedacht?

Sehen Sie, Herr Reporter, da setzte ich mich mitten im Hochsommer auf meine Terrasse und schreibe ein Buch, das an einem eiskalten Wintermorgen beginnt, an dem der Schnee waagrecht vor dem Fenster vorbeitreibt. Glauben Sie, das ist einfach? Und dann kommen Sie daher und wollen pünktlich zur passenden Jahreszeit einen Kriminalroman geliefert haben. Es gab nur zwei Möglichkeiten – jetzt oder erst im nächsten Fasching. Da brauche ich keine Leserbefragung, um herauszufinden, was gescheiter ist.

„Ich habe mir das Recht, eine Ausseer Lederhose zu tragen, dadurch erworben, dass ich zwei Monate lang die Volksschule in Bad Aussee besucht habe und mich dort regelmäßig in der Pause von den Mitschülern verprügeln habe lassen.”

Sie haben die Leserinnen vergessen.

Leserinnen- und Leserbefragung, sie Klugscheißer.

Tragen Sie eigentlich selber auch eine Lederhose? Sie kommt ja in ihren Büchern immer wieder vor.

Selbstverständlich. Ich habe mir das Recht, eine Ausseer Lederhose zu tragen, dadurch erworben, dass ich zwei Monate lang die Volksschule in Bad Aussee besucht habe und mich dort regelmäßig in der Pause von den Mitschülern verprügeln habe lassen. Das gehörte damals zum lokalen Brauchtum und war nie böse gemeint. Es war nicht dieses Mobbing, von dem heute so oft die Rede ist, sondern eher sportlich. Fast schon fair.

Brutal.

Nachhaltig.

Der Fasching, das ganze Brauchtum im Salzkammergut, ist das nicht auch nur mehr eine billige Show für die Touristen? Hängen Sie sich da nicht einfach an einen Trend an? Sozusagen, die Kuh zu melken, solange sie …

Jetzt machen Sie aber einen Punkt! Erstens kann ich gar keine Kühe melken. Und wenn wir schon bei diesem Bild bleiben wollen, dann melke ich mich selber. Denn ich kann nur das formulieren, nur das aufschreiben, was in mir drin ist und heraus will. Heraus muss. Abgezapft wird. Das ist ein überaus mühevoller Prozess. Und was die billige Show betrifft: So, wie ich das sehe, machen die Ausseer ihren Fasching für sich selbst. Die brauchen die Touristen gar nicht dazu. Ich sehe da keine kommerziellen Untertöne mitschwingen. Und die Touristen, die können zuschauen. Mitmachen brauchen sie nicht. Im Ausseerland hält man’s mit der Devise „Seid’s froh, dass ihr da sein dürft“. Und das finde ich gut so. Zeugt von Selbstbewusstsein.

In ihrem Buch kommen ja auch die berühmten Faschingsbriefe vor …

Einzigartig. Sie haben sich ja aus dem einfachen Vorlesen von gereimten Briefen mit Musikbegleitung zu kabarettistischen Shows weiterentwickelt, diese Faschingsbriefe. Inhaltlich konzentriert man sich – was ich sehr vernünftig finde und auch der Tradition entspricht – auf Ereignisse regionaler Bedeutung. Und eines sage ich Ihnen: Ich habe Faschingsbriefe gesehen, die könnten sie eins zu eins  – ohne Schnitt – ins Fernsehprogramm übernehmen. Denn die sind um ein Vielfaches besser als das, was da aus dem österreichischen Süden so gesendet wird. Sie klingen mir eh so ein bisschen … wo kommen’s denn her, Herr Reporter?

Äh … herzlichen Dank für das ausführliche Gespräch.

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Herbert Dutzler: Letzter Fasching

Heiß ersehnt, lang erwartet: der sechste Fall von Kultinspektor Gasperlmaier!

Wenn ihr neugierig geworden seid, taucht jetzt ein ins mörderische Maskentreiben im malerischen Bad Aussee!

Auch der neueste Fall des sympathischen Inspektors Franz Gasperlmaier bietet alles, was das Krimiherz begehrt: eine mächtige Portion Spannung und ein liebenswürdiger Ermittler, der mit dörflicher Gemütlichkeit und einer gehörigen Prise Humor die Mörder quer durch das schöne Ausserland jagt!