Meet Aspro: Bernhard Aichners neuester Ermittler

Ein Buch von Bernhard Aichner, in dem nicht gemordet wird? Kann das sein? Und wie! Dürfen wir vorstellen? Hier kommt Aspro. Bevor wir dir den neuesten Ermittler aus der Feder von Bernhard Aichner genauer zeigen, mach dir doch erst mal selbst ein Bild von ihm!

Hier findest du exklusiv vorab eine Geschichte aus „Man sieht nur mit der Schnauze gut“. Lies jetzt direkt rein!

 

Popcorn und Doktor Chili

Der sinnloseste Monat überhaupt ist der Februar.

Den braucht aber auch wirklich niemand. Er macht den Winter zu lang und zögert den Frühlingsbeginn ohne wirklichen Grund hinaus. Weg mit dem Februar, sage ich. Das klingt jetzt radikal, weil ja dann auch der Fasching und sonst noch einiges verschwindet, aber das bisschen Fasching bringt man auch ganz leicht im März noch unter.

Versteht mich richtig, ich mag es gern, wenn die eisige Luft mein Fell zerzaust und ich meine kalte Schnauze durch den Schnee schieben kann. Wenn es unter meinen Pfoten knirscht und am Nachmittag die Sonne untergeht. Wenn wir dann zurück ins Haus gehen, die Chefin das Feuer im Ofen anmacht und die Wärme mich wie eine Decke einpackt.

So fantastisch kann der Winter sein, aber fantastisch dauert für mich genau einen Monat zu lang.

Und genau das haben sich wohl auch die siebenundachtzig Schafe gedacht, die heute Morgen aus ihrem Stall ausgebrochen sind. Hätte wohl eine friedliche Anti-Heu-Demo werden sollen, Wir wollen Gras, Gras macht mehr Spaß. Aber zehn der wolligen Tiere haben das Motto nicht verstanden und sich auf den Weg nach Bella Italia gemacht – auf der Südautobahn, wo sonst? Und aus diesem Grund friere ich heute zur Abwechslung auf einem Pannenstreifen.

© Fotowerk Aichner

Bernhard Aichner, gebürtiger Osttiroler, entdeckte früh das Schreiben als Möglichkeit, der Enge des Landlebens etwas entgegenzusetzen. Inspiriert von den Märchen seiner Kindheit entwickelte sich seine Leidenschaft für düstere Geschichten. Bis heute schreibt er seine Bücher von Hand und skizziert jede Szene zunächst auf Papier. So entsteht die emotional mitreißende Nähe zu seinen Figuren.
Bei Haymon erschienen mehrere Romane. Während Aichners Thriller, weltweit über eine Million Mal verkauft, tiefste menschliche Abgründe aufzeigen, begeistert Aichner selbst mit seiner optimistischen und lebensfrohen Art. 

Die Chefin will nicht verstehen, dass sie mich von der Leine lassen muss, wenn ich hier für Ordnung sorgen soll. Sie denkt, wir müssen auf Verstärkung warten. Fakt ist aber, diese schmutzigen kleinen Wolken haben die Autobahn lahmgelegt, und wir stehen hier einfach nur blöd herum.

Aspro, sitz, hat die Chefin befohlen, aber sie musste einsehen, dass ich auf diesem völlig versalzenen Streifen Asphalt fix kein „Sitz!“ machen werde. Da brennt mir der Po, als hätte Doktor Chili persönlich bei mir Fieber gemessen.

Die Menschen in den Autos schieben ihre Hintern hin und her und sehen mit ihren weißen Februargesichtern aus wie kleine Zombies. Hätte sicher praktische Aspekte, wenn die gestressten Leute im Frühverkehr diese Zeit jetzt für Atemyoga nutzen würden, machen sie aber nicht. Genauso wenig wie ich. Diese blökenden Filzknäuel machen mich nämlich fertig. Ihnen muss doch mittlerweile auch klar sein, dass das Projekt Süden gescheitert ist.

Unfassbar ist das alles. Mein Image leidet, weil ich nur herumstehe. Die Schafe traben immer wieder an uns vorbei und mischen sich unter die Lichter der Staufahrzeuge. Was für ein verrückter Anblick. Ein Fahrer steigt aus und rennt brüllend auf die blökenden Tiere zu, um sie von seinem Auto fernzuhalten.

Wie Popcorn springen sie herum und laufen im Kardiogrammstil vor ihm davon. Sanft ziehe ich an der Leine, wieder werde ich zurückgehalten.

Hallo Chefin, ich heiße Aspro und nicht Baldrian. Darf ich jetzt bitte hier endlich für Ordnung sorgen? Ich bin ein Hund, ich kann das.

Ich belle, renne herum, und zack, zack wären die Popcorn wieder in der Tüte. Wobei mir plötzlich klar wird, dass wir gar keine Tüte haben. Und dass genau aus diesem Grund hier nichts weitergeht. Wie deprimierend das ist.

Auch den Schafen schlägt das Ambiente aufs Gemüt, sie werden immer noch dämlicher. Eines kommt nervös auf mich zu und schnuppert an meinem Kopf, als wäre ich sein Onkel. Nur, weil ich weiß bin, bin ich noch lange kein Schaf, etwas mehr Respekt, bitte! Ich belle dreimal, tief und überzeugend. Es zuckt zusammen und galoppiert auf den Zaun hinter uns zu, um – Hokuspokus – zu verschwinden. Weg ist es, einfach so. Da waren es nur noch neun, denke ich mir überrascht und schaue lösungsschwanger der Chefin in die Augen. Da ist ein Loch im Zaun, morse ich ihr mit meinem Blick.

Das Autoradio spielt Eye of the Tiger, und sie versteht. Lautlos öffnet sich der Verschluss am Ende der Leine. Zu Hause hat das Baby dieses runde Ding, wo die passenden Klötze durch die Löcher müssen. Bei mir sind es Popcorn auf Beinen, die durch den Zaun müssen. Ich verschaffe mir einen Überblick und lege los.

Vergesst Lassie, Kommissar Rex und das Schweinchen namens Babe. Ta-ta-taaaaah! Ta-ta-taaaaah!

Ich fetze durch die Autogassen und treibe ein weiteres Schaf in Richtung Loch, den Rest erledigt die Chefin. Noch acht. Ein phänomenaler Spaß. Die Schafe springen und blöken und stellen sich unglaublich kompliziert an. Lassen sich extralang Zeit und schimpfen mit mir. Aber Ausdauer ist mein zweiter Vorname.

Und da waren es nur noch sechs.

An mir ist ein Elitehütehund verlorengegangen, alles könnte ich in Pferche treiben: Rinder, Strauße, Kängurus. Schon wieder verschwindet eines im Loch, und ein zweites läuft freiwillig hinterher. Auch einige der Autofahrer haben das Prinzip verstanden. Sie bilden an zwei Stellen eine Mauer, und so gelingt es ruck, zuck, die letzten Mitglieder der Popcornfamilie auf der Wiese hinter dem Zaun zu versammeln.

Hechelnd stehen wir da und bestaunen unser Werk.

Schmutziges Weiß auf schmutzigem Weiß nennt sich das Kunstwerk. Technik: entlaufene Schafe auf schneebedeckter Wiese, 2021.

Künstler: Aspro von Chefin.

Ich werde gestreichelt und gelobt.

Glücklich kehren alle zu ihren Wägen zurück.

Der Stau macht sich auf in den Tag.

Zufrieden rolle ich mich im Kofferraum zusammen. Die Chefin singt gleich beim Losfahren mit dem Autoradio im Chor.

Leider habe ich eines vergessen. Ich hätte den nutzlosen Februar auch noch durch das Loch stecken sollen. Dieses schwarze Schaf unter meinen Monaten.

Aspro, der vielleicht schlaueste und beste Hund von allen, hat den richtigen Riecher für Verbrechen und ein äußerst feines Gespür für Humor.

Die Welt des treuherzigen und charmanten Hundes steht von einer Sekunde auf die andere Kopf. Beim routinemäßigen Stöckchenspielen kommt ihm der Chef, wie er sein Herrchen nennt, bei einem explosiven Unfall abhanden. Leicht eingeschüchtert und von dem lauten Knall noch ganz benommen, wird der Mischlingsrüde von einer jungen, schwangeren Polizistin aufgenommen – ihr Mann ist not amused. Doch die drei (und mit Baby bald: vier) werden warm miteinander, sogar der neue Chef verliebt sich in Aspro.

Das absolute Highlight für den Kaltschnäuzer: Er darf die Chefin zur Arbeit begleiten.
Höchst motiviert und voller Tatendrang deckt er Unrecht auf, stellt Taschendiebe, Einbrecher, Wilderer und rettet einen Ertrinkenden – und das alles für Ehre und ein paar Würstel.


Mehr Aspro?

Hundeliebhaber Bernhard Aichner nimmt eine ganz neue Perspektive ein: Durch Aspros Augen blickt er auf eine Welt, in der die Menschen sich oft merkwürdig benehmen und wirklich dringend auf Aspros Spürsinn angewiesen sind.

Online erhältlich und überall, wo es Bücher gibt.


„Am Anfang ist das Blut“ – Stefanie Jakschs Vorwort zur Anthologie „Bluten“

Frauen bluten. Bluten jeden Tag, ob wortwörtlich oder im übertragenen Sinn, als „Working Mums“, in der Care-Arbeit, weil es der Zyklus abverlangt, als Opfer von Gewalt oder schlicht als Personen, die gesellschaftlichen Normen nicht entsprechen. Das Blut fließt: wenn wir wieder nicht oder zum Glück nicht schwanger sind, wenn wir abgetrieben oder frisch entbunden haben, wenn wir zuhause zu laut oder nachts auf dem Heimweg nicht schnell genug waren, wenn sich die Menopause ankündigt oder wir keinen Kinderwunsch spüren und damit anecken …

In „bluten“ erzählen 15 Autorinnen in ihren Texten von Kämpfen und Widerständigkeit, lehnen sich auf, schreiben manchmal sanft, manchmal verstörend, witzig und anders von der Alltäglichkeit des Blutens: über Altersarmut, Gewalt, das (Nicht-)Muttersein, Menstruation, Menopause, den Kampf um Existenzberechtigung und faire Behandlung in der Arbeitswelt. Das ist unser täglich Blut. Diese Anthologie ist ein Ausbruch, ein Atemzug, harte Realität und grenzenlose Fantasie.

Wir haben Stefanie Jakschs Vorwort zu diesem großen literarischen Blutbild ausgekoppelt, Bluten ist hier Alltag, Liebe, Schmerz und Widerstand:


Am Anfang ist das Blut

Es war ein kühler Morgen im winterlichen Wien, als wir uns das erste Mal in einem Kaffeehaus trafen.
Wir, das sind Magdalena Stammler und Stefanie Jaksch, und wir beide bewegen uns schreibend durch die Welt. Wir waren einander aufgefallen, aus der Ferne. Während wir uns nun in einer plüschigen Sofaecke  vorsichtig kennenlernten und beschlossen, uns zu mögen, begann unser Gespräch zu fließen, flossen wir aufeinander zu, in erst stiller Ahnung, dann in ausgesprochener Erkenntnis und Übereinkunft: Am Anfang ist das Blut.
Noch vor der Geburt teilen alle Menschen einen Blutkreislauf mit der eigenen Mutter, und unser Eintritt in die Welt ist von etwa einem halben Liter Blut begleitet, den Frauen während der Geburt verlieren. Werden wir im Laufe unseres Heranwachsens als Frauen gelesen, wird uns Blut spätestens ab der einsetzenden Regelblutung zur jahrzehntelangen Begleiterin, aus der die Hygieneindustrie Kapital zu schlagen weiß und die uns immer noch zum „schwachen Geschlecht“ macht. Eine Erzählung, die mächtig ist und gerade in  diesen Tagen, in denen autoritäre Systeme überall auf der Welt erstarken zahllose Frauenleben geringschätzt, bedroht und den Handlungsspielraum von Frauen brutal einschränkt.

Unser Gespräch im Kaffeehaus jedenfalls drehte sich schnell weg von der rein körperlichen Ebene, die Frauen eingeschrieben ist, und hin zu all den Arten, auf die wir bluten, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Frauen bluten sichtbar und unsichtbar, gesellschaftlich, politisch, beruflich, in der Care-Arbeit, sind Gewalt ausgesetzt, werden ermordet, weil sie Frauen sind. Das Thema ließ uns nicht mehr los, und so machten wir uns auf die Suche nach Verbündeten. Gefunden haben wir schreibende Frauen, die sich bereit erklärt haben, den Vorgang des Blutens literarisch mit uns auszuloten.

Unser Wunsch: Vielstimmig sollte die Auseinandersetzung werden, Geschichten sollten erzählt werden, die so noch nicht geschrieben wurden und in ihrem Ausdruck unterschiedlich sind. Was für ein Glück, dass so viele großartige Autorinnen sofort einwilligten, ihr ganz persönliches Bluten beizusteuern. Ohne Anspruch  auf Vollständigkeit finden sich in diesem Buch, das uns allen gehört, nun Texte, die ehrliche Positionen vertreten und verteidigen, die sich auf künstlerisch wagemutiges Terrain begeben, die sich mitunter einem Blutrausch hingeben und Grenzen überschreiten.

Die eingeladenen Autorinnen fanden als Inspiration für ihre Texte lediglich den Titel dieses Buchs vor, ansonsten hatten sie freie Hand, wie sie sich dem Thema nähern wollten – ein Wagnis für uns  Herausgeberinnen (wie auch für den Verlag) und ein überraschender, herausfordernder und beglückender Prozess während der Arbeit. Nun halten wir und Sie die unterschiedlichsten Texte in Händen, die kompromisslos verhandeln, was das Leben ausmacht: Liebe, Kunst, Schmerz, Euphorie, Geburt und Tod. Diese Geschichten tun weh, schneiden ins Fleisch, lehnen sich auf, verweigern sich, nehmen an der Hand, lassen mitunter das Lachen im Hals stecken bleiben. Ist den Autorinnen alles selbst passiert? Ist alles wahr, beruht alles auf Tatsachen? Oder ist im Gegenteil alles erfunden? Es macht keinen Unterschied. Was als fixe Idee in einem Kaffeehaus begonnen hat, ist zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit geworden. Sie hat Autorinnen und ihre widerständigen Texte zusammengeführt und findet ihren Weg in die Welt, die uns nicht immer wohlgesonnen ist, die wir aber dennoch gestalten, bearbeiten, uns an ihr abarbeiten und in ihr Freude und Kameradinnen finden.

Wir fühlen einander. Wir fließen. Wir kümmern uns umeinander. Wir rennen gegen Wände, lehnen uns gegen Unrecht auf. Wir fordern das Recht auf Unversehrtheit, und wir schreiben um unser Leben. Denn wir bluten, und sie lassen uns.


Wir bluten, und sie lassen uns.
Es ist Alltag, Liebe, Schmerz und Widerstand.

  • Das ist kein Menstruationsbuch: Altersarmut, Gewalt, das (Nicht-)Muttersein, Menopause, der Kampf um Existenzberechtigung und faire Behandlung in der Arbeitswelt – Frauen bluten. Auf jede erdenkliche Weise.
  • Mit literarischen Beiträgen von: Elif Duygu, Milena Michiko Flašar, Yasmin Hafedh, Lydia Haider, Gertraud Klemm, Johanna Linimayr, Lydia Mittermayr, Jacinta Nandi, Lisa-Viktoria Niederberger, Romina Pleschko, Julya Rabinowich, Barbara Rieger, Chantal-Fleur Sandjon, Margit Schreiner und Magdalena Stammler

 


© Haymon Verlag / Fotowerk Aichner

Stefanie Jaksch, geboren im fränkischen Erlangen, glaubt seit ihrer Kindheit, dass Bücher Nahrungsmittel sind. Sie war als Dramaturgin, Buchhändlerin und Verlagsleiterin tätig. Seit 2024 ist Jaksch, die „Wortarbeiterin“, als freischaffende Moderatorin, Kuratorin und Autorin unterwegs und hat das Büro für Literatur- und Kulturarbeit „In Worten“ gegründet. Zuletzt erschien von ihr der Essay „Über das Helle“. Gemeinsam mit Magdalena Stammler ist Stefanie Jaksch die Herausgeberin der Anthologie „bluten“ (August, 2025). Mit WASSER Publishing geht sie selbst ab Herbst 2025 unter die Verleger*innen.

© Haymon Verlag / Fotowerk Aichner

Magdalena Stammler, geboren in Wien, hat ebendort und in Potsdam Linguistik studiert, lebt heute als Autorin und Radioredakteurin in Oberösterreich. Sie hat zahlreiche Kurzgeschichten veröffentlicht und performt ihre u. a. partizipativen Werke auf den unterschiedlichsten Lesebühnen. Sowohl für ihre literarischen Texte als auch für ihre Radioarbeiten wurde sie bereits ausgezeichnet. Gemeinsam mit Stefanie Jaksch ist Magdalena Stammler die Herausgeberin der Anthologie „bluten“ (August, 2025).


Haymon Her Story – Doris Brehm revisited

Mit „Eine Frau zwischen gestern und heute“ ist Bettina Balàka und Katharina Prager eine beachtliche Wiederentdeckung gelungen. Das „lange übersehene Glanzstück der österreichischen Nachkriegsliteratur“ (ORF) und das hochinteressante Leben seiner Urheberin Doris Brehm waren 70 Jahre lang weitgehend unbeachtet geblieben, ehe diese als Auftakt der Reihe Haymon HerStory dieses Jahr auch von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Es ist ein Werk, dessen Neuentdeckung interessante Schlaglichter wirft, etwa auf literaturhistorische Kanonisierungsprozesse. Aber auch eines, das weiße Flecken im kollektiven Geschichtsbewusstsein aufzufüllen vermag, auch bei so zentralen Themen, wie – um nur wenige Beispiele zu nennen – der Auseinandersetzung mit dem Widerstand in der NS-Zeit (und der Rolle, die insbesondere Frauen darin einnahmen) oder personellen, wirtschaftlichen, ideologischen Kontinuitäten, die sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Österreich fortschrieben.

Wir haben uns mit Bettina Balàka und Katharina Prager unterhalten, um die ersten Wochen zu rekapitulieren, in denen Doris Brehms vergessenes Werk wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt ist. Nicht zuletzt, weil sich in diesen Wochen viel getan hat: Im Großen, wie im Kleinen.

Liebe Bettina, liebe Katharina, wie ist es euch in der Zeit nach der Veröffentlichung gegangen, habt ihr mit dem Medienecho gerechnet?

Katharina Prager: Sicher nicht in diesem Ausmaß. Faszinierend dabei ist, wie historische Entwicklungen und gesellschaftliche Mechanismen hier zusammenwirkten, um eine derart interessante und vernetzte Frau so völlig unsichtbar zu machen. Normalerweise gibt es um „Wiederentdeckungen“ doch irgendeine Bubble, in der die Person bekannt ist. Bei Doris Brehm war das am ehesten noch der kommunistische Widerstand, aber auch der wurde ja in Österreich eher verdrängt als gefeiert. Und auch hier war sie kein „Name“ wie andere. Im Literaturbetrieb an sich wiederum wurde sie aufgrund ihrer kommunistischen Vernetzungen nicht wahrgenommen. Und als alleinstehende, schließlich verarmte Frau hatte sie klarerweise auch keine Lobby. Das alles erklärt vielleicht, warum dieser literarisch und historisch unglaubliche Roman derart verschwinden konnte.

Bettina Balàka: Vielleicht ist die Wiederentdeckung einfach zur richtigen Zeit gekommen. Ein bisschen werde ich den Verdacht nicht los, dass der Roman – zusätzlich zu allen anderen Faktoren, die zu seinem Vergessen führten – Elemente enthält, die in der Nachkriegszeit unangenehme Fragen aufwarfen. Er widerspricht deutlich zwei Narrativen: Erstens, dass man ja nichts gewusst habe von den Vernichtungslagern, und zweitens, dass Widerstand unmöglich gewesen sei. Nun, da die Kriegsgeneration nicht mehr lebt, kann man sich damit beschäftigen.

Was war die größte Überraschung, der ihr während der Recherche und im Nachgang der Veröffentlichung begegnet seid?

Katharina Prager: Überrascht hat sie uns immer wieder. So hatten wir anfangs kein genaues Todesdatum und kein Grab, wohl aber ein Aktfoto, das sich privat überliefert hatte. Die Menschen, die sie noch gekannt hatten, erinnerten sich an eine ältere Frau, die offenbar sehr gedehnt und altmodisch sprach. In den Quellen und in ihren Texten begegnet man aber dann einer jungen, modernen Frau, die sich immer wieder engagiert und öffentlich äußert – zu Sexualität, Rassismus, Feminismus …

Bettina Balàka: Bei den Interviews habe ich mir immer gedacht, man sollte daraus lernen, vermeintlich schrullige alte Damen nicht zu unterschätzen – vielleicht haben sie eine sehr beeindruckende Geschichte hinter sich.
Ich fand es sehr spannend zu sehen, wie Brehms Erfahrung als Schauspielerin und als vermutlich sehr involvierte Ehefrau eines Bühnenarchitekten in die Textkonstruktion einfloss. Jüngst konnten wir Dokumente des Österreichischen Schriftstellerverbandes einsehen, aus denen hervorgeht, dass sie auch als Dramaturgin tätig war – man merkt es!

Die fiktive Geschichte Gerda Manners gibt nicht nur Einblicke in eine Familie, die durch ideologische Differenzen erschüttert wird, sondern auch Einblicke in die Organisation des Widerstands, das Verstecken von sogenannten U-Booten vor den Vertretern des NS-Regimes, letztlich auch vor dem Ehemann. Fordern diese Einblicke aus erster Hand (Brehm war ja selbst U-Boot-Referentin) die Art heraus, wie wir heute an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus erinnern?

Katharina Prager: Die Geschichte von U-Booten ist extrem schwer zu erforschen, weil die Datenlage extrem schlecht ist – und sie wurde auch erst sehr spät systematisch untersucht. Klarerweise wurden auch in Oral-History-Interviews schon Schlaglichter auf die Lebensumstände der Versteckten und Versteckenden geworfen. Aber Doris Brehm ergänzt in ihrem Roman Dimensionen, die nach wie vor tabuisiert sind – die Spannungen, die in dieser Art des Zusammenlebens notgedrungen entstehen. Die Entscheidungen, die immer neu zu treffen sind. Die persönlichen Ambivalenzen der Helfenden, die eben im Alltag mit dem Nationalsozialismus umgehen müssen.

Bettina Balàka: Es gibt viele kleine Details, die unser Bild ergänzen oder etwas verschieben. Im Roman zeigt sich eine immense erotische Spannung, die nicht nur trotz, sondern möglicherweise gerade wegen des Angstdrucks zwischen den Menschen entsteht. Wir haben die Vorstellung, dass Männer damals nicht kochten – hier ist es der Widerstandskämpfer Kurt, der das tägliche Zubereiten der vorwiegend aus Erdäpfeln bestehenden Gerichte für sich und die beiden Frauen übernimmt und dabei größtmögliche Kreativität an den Tag legt. Auch Gerdas Nazi-Ehemann überrascht immer wieder: Nachdem ihm beispielsweise klar wird, dass etwas sehr Illegales vor sich geht, forscht er lieber nicht weiter nach und lässt alles auffliegen, sondern beschränkt sich auf die Protestmaßnahme, die Tochter Luzi zum Arbeitsdienst wegzuschicken.

© Bildarchiv der KPÖ

Doris Brehm (1908–1991): Schriftstellerin, Bibliothekarin und Widerstandskämpferin. Im Zweiten Weltkrieg arbeitete Brehm im kommunistischen Widerstand als „U-Boot-Referentin“, deren Aufgabe es war, geheime Unterkünfte für Jüdinnen und Juden sowie Deserteure zu organisieren. Im April 1945 wurde sie Mitglied der KPÖ, war in der Redaktion der von den drei demokratischen Parteien (ÖVP, SPÖ, KPÖ) herausgegebenen Tageszeitung „Neues Österreich“ tätig und begann ihre Arbeit als Lektorin, Übersetzerin und Autorin. Der Roman „Eine Frau zwischen gestern und morgen“ erschien 1955 und ist von den Erfahrungen Brehms geprägt.

© Christopher Mavrič

Bettina Balàka wurde 1966 in Salzburg geboren und lebt als freie Schriftstellerin in Wien.
Zahlreiche Auszeichnungen und Erscheinungen. Bei Haymon zuletzt
erschienen: der historische Roman „Der Zauberer vom Cobenzl“ (2023),
der Gedichtband „Die glücklichen Kinder der Gegenwart“ und der Essayband „Vom Zähmen, Ausbeuten und Bestaunen“ (beide 2024).

© Christian Lendl

Katharina Prager ist Zeithistorikerin und Biografieforscherin. Sie publizierte zahlreiche Artikel und Bücher zu Wien um 1900, zu Exil und Migrationen wie auch Beiträge zur Frauen- und Geschlechtergeschichte. Ihre Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Michael Mitterauer Preis und dem Böhlau Jubiläumspreis der Stadt Wien. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Forschung ist der Satiriker Karl Kraus, zu dem sie ein Handbuch herausgab, Ausstellungen kuratierte und 2024 eine Wiener Vorlesung hielt. Hauptberuflich leitet sie den Bereich Forschung und Partizipation, zu dem auch Wien Geschichte Wiki gehört, an der Wienbibliothek im Rathaus.

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Weitere Informationen

War die Wiederentdeckung auch ein Türöffner für neue Forschungen, habt ihr in Folge der Veröffentlichung vielleicht sogar Neues über Doris Brehm und ihren „zurückgezogenen“ Lebensabend erfahren?

Bettina Balàka: Nach der Veröffentlichung erfuhren wir, dass Doris Brehm offenbar bis ein Jahr vor ihrem Tod ehrenamtlich das Zeitschriftenarchiv des Sigmund-Freud-Museums betreute und dieses wohl auch aufgebaut hatte – die ehemalige Direktorin des Museums meldete sich bei uns und beschrieb sie als vornehme, höfliche Dame, die die spezielle Angewohnheit hatte, ihre Würstel im Wassererhitzer der Kaffeemaschine zu wärmen, wodurch der Kaffee am Morgen einen seltsamen Beigeschmack bekam. Das widerspricht dem Bild, das wir hatten, nämlich dass Doris Brehm ihre letzten Jahre weitgehend vereinsamt im Altersheim verbrachte. Der traurige Umstand, dass sie völlig verarmt starb, obwohl sie arbeitete und wohl Wichtiges leistete, bekam dadurch eine weitere, bittere Dimension.

Katharina Prager: Sowohl bei der Buchpräsentation als auch danach haben sich noch Menschen gemeldet, die Brehm – oft als Kinder und Jugendliche – gekannt hatten oder noch Material zu ihr hatten. Anna Bendek plant nun etwa ihre Erinnerungen für die Zwischenwelt aufzuschreiben. Außerdem hat uns der Österreichische Schriftstellerverband angeschrieben, der noch einen Akt zu Doris Brehm hat – darin waren spannende Hinweise auf Brehms Leben in Deutschland als Schauspielerin und Journalistin enthalten … denen sollte man nachgehen. Wir hoffen ja, dass dieser Roman und seine Rahmung erst der Anfang der Befassung sind und sie nun jedenfalls in der Forschung zu U-Booten, aber auch zu Schriftstellerinnen in der Nachkriegszeit einbezogen wird. Und vielleicht schreibt ja dann jemand auch eine Biografie über sie – ihr Leben gibt noch viel mehr her als wir im Nachwort unterbringen konnten.

Ist der Titel des Romans nicht ironischer- und gewissermaßen prophetischerweise auf Doris Brehms Leben anwendbar, schließlich schöpft ihr Schaffen aus ihrer unmittelbaren Vergangenheit und projiziert sich mit dieser posthumen Wiederentdeckung in eine Zukunft, die sie leider nicht mehr erlebt hat, während es zu Lebzeiten offenbar kaum rezipiert wurde. Wie ging es der Doris Brehm zwischen „gestern und morgen“ mit ihrem Roman, der kaum öffentlich stattfand?

Katharina Prager: Das ist schwer zu sagen. Sie machte nie viel Aufheben um sich. Die Heldinnen ihrer Romane üben sich bewusst darin, sich selbst zu kennen, aber sich nicht so wichtig zu nehmen – moralische Menschen zu sein. Offenbar machte sie nicht einmal ihre engen Freund:innen auf den Roman aufmerksam. Die meisten, mit denen wir über Doris Brehm sprachen, kannten den Roman nicht, wussten gar nicht, dass sie geschrieben hatte. Sie war als Leihbibliothekarin bekannt, als wichtige Frau im Schönbrunn-Verlag, als Rezensentin … Zugleich hatte sie sehr progressive Ansichten, die sie für „zeitgemäß“ hielt, die es aber eben doch noch nicht waren – oder eben erst 20 bis 50 Jahre später.

Bettina Balàka: Doris Brehm war eine Frau, die in diesem langen 20. Jahrhundert unglaubliche gesellschaftliche Umbrüche miterlebte – von der Monarchie bis zur Zweiten Republik, von der Russischen Revolution bis zum Ende der Sowjetunion. Die Abfolge der Paradigmenwechsel muss sehr aufreibend gewesen sein, der innere moralische Kompass war wohl wichtig als Stabilisator. Womöglich fiel es Doris Brehm gar nicht auf, dass ihre Bescheidenheit, dieses stille, unprätentiöse Wirken im Hintergrund allen Klischees entsprach, die man auf Frauen projizierte. Vielleicht war es ihr auch egal und sie wollte lieber ihren ethischen Ansprüchen genügen als Ruhm ernten.

Doris Brehms Roman wurde von Klaus Kastberger und Kurt Neumann in die „Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945“ aufgenommen. Was bedeutet diese „hochoffizielle“ Kanonisierung eines Werks, auch im gesellschaftlichen Kontext?

Bettina Balàka: Es ist eine große Freude und zeigt eine grundsätzlich neue Offenheit hinsichtlich einer Erweiterung des Kanons.

Katharina Prager: Besser hätten wir uns das eigentlich nicht wünschen können. Uns geht es ja darum, Frauen sichtbar zu machen, deren Werk wir für wichtig halten. Die Publikation des Buches und die Erforschung der Biografie von Brehm sind erste Schritte, aber die Aufnahme in die „Grundbücher der österreichischen Literatur“ gibt nochmals ein Gütesiegel darauf, das hoffentlich auch denen, die es noch nicht wissen, deutlich macht, dass Doris Brehms Name nicht mehr vergessen werden darf.

Der Konsens darüber, was von unserer Kultur als bewahrenswert betrachtet wird, entsteht nie unabhängig von gesellschaftlichen Machtverhältnissen und es ist kein Geheimnis, dass jahrhundertelang Bücher von Frauen unsichtbar gemacht wurden. Vermutlich liegen viele weitere literarische Glanzstücke von Frauen* in Archiven, die in Vergessenheit geraten sind. Arbeitet ihr gerade an der Bergung eines solchen Schatzes und darf man schon Genaueres zum kommenden Band der Haymon HerStory erfahren?

Bettina Balàka: Der nächste Band wird der Roman „Anständige Frauen“ der 1855 in Wien geborenen Emilie Mataja sein, die unter dem Pseudonym Emil Marriot publizierte – auch noch, als ihre Identität längst bekannt war. Sie veröffentlichte über 20 Bücher, in denen sie sich mit einer Fülle gesellschaftskritischer Themen beschäftigte, gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Vereins der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien, war mit Rosegger, von Saar und nicht zuletzt Karl Kraus bekannt, dessen Einladung zur Mitarbeit an der „Fackel“ sie ausschlug. Wir freuen uns sehr auf diese spannende Wiederentdeckung!


Zwei Frauen im Widerstand: Wie viel sind sie bereit zu riskieren?

Zwischen bitterem Verrat, unmöglicher Liebe und eiserner Entschlossenheit

  • Der Roman von Doris Brehm aus den 1950er-Jahren erzählt von Widerstand, Menschlichkeit und Mut, von der Emanzipation einer Frau während des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit.
  • Eine Buchhandlung in Wien: Versteckt hinter Büchern, die nicht mehr existieren dürfen, rettet Gerda mehr als nur Worte, schafft einen sicheren Ort, grenzt die Zerstörung aus.

 

 


Mumie, Museum … Mord? Die neue Krimödie von Tatjana Kruse

Was eigentlich eine feierliche Eröffnung von Polly Obermosers erster kuratierter Ausstellung von Artefakten aus dem Alten Ägypten sein sollte, fühlt sich auf einmal an wie ein Escape Game im Museum: Plötzlich kommt ein Museumsmitarbeiter nach dem anderen spektakulär zu Tode, und nach einem Hackerangriff geht das Museum in den Lockdown-Modus. Polly muss also selbst Nachforschungen anstellen – ausgerechnet mit Daphne Gamser, der Tochter der Museumseignerin, die auch noch daran glaubt, dass eine blutrünstige Mumie im Museum ihr Unwesen treibt. Aber das kann rational gesehen doch gar nicht sein … oder?

In diesem Beitrag kannst du einen ersten Blick in das neue Buch „Mumien morden mittwochs nie“ werfen. Außerdem stellt dir Autorin Tatjana Kruse, die Queen of Krimödie, einige ausgewählte Protagonist*innen vor. Inklusive Traum-Casting für den nächsten Hollywood-Blockbuster. Garantiert spoilerfrei!

 

Klapp diesen Block aus, um die gesamte Leseprobe zu sehen!
 
Sein keuchendes Erscheinen löste die ominöse Stille auf, die Pelzer verströmte. Das – und das Gelächter aus der Lobby, wo die angeheiterte Journaille ihre alkoholinduzierte gute Laune zelebrierte, indem ebenso lautstark wie zweideutig mit den Serviermädels geflirtet wurde.
 
Pelzer berührte das nicht weiter. „Das Böse ist hier mitten unter uns!“, erklärte er final, wenigstens etwas leiser, und formte mit beiden Händen einen Halbkreis des Schreckens in der Luft. Brack schürzte die Lippen.
 
„Was genau wollen Sie damit sagen?“
 
„Die alten Ägypter wussten um Kräfte, die uns Heutigen verborgen sind“, erläuterte Pelzer mit einer Nüchternheit, die seiner Aussage tatsächlich eine gewisse Autorität verlieh. „Wir pflegen unsere Eichensärge mit Lack zu beizen, damals umhüllte man die Sarkophage und alle Grabbeigaben mit einer für uns unsichtbaren Powerschicht. Der Sarkophag hier im Museum ist durch und durch getränkt von einer … lassen Sie es mich Frequenz nennen, die keinen, der die Totenruhe stört, unberührt lässt. Die Mumie muss nicht selbst Hand anlegen, um ihren letzten, innigsten Wunsch durchzusetzen“, erklärte Pelzer und zitierte: „Noli perturbare circulos meos.“
 
Störe meine Kreise nicht. Das waren angeblich die letzten Worte von Archimedes gewesen, wie Polly wusste, also eine völlig andere historische Epoche und zudem in Griechenland, nicht in Ägypten. Aber Pelzer dachte offenbar: He, was soll’s, Hauptsache, es klingt gut.
 
Sie atmete genervt aus. Wenn sie für jedes genervte Ausatmen an diesem Morgen zehn Euro bekommen hätte, könnte sie sich jetzt schon eine Flasche ihres Lieblings-Champagners gönnen. Taittinger forever! 
 
„Die Totenruhe wurde gestört. Alle, die in Kontakt mit diesen Grabbeigaben kamen, sind nun in akuter Gefahr. Jedem einzelnen Artefakt wohnt diese Frequenz inne, die dazu führen wird, dass schlimme Dinge geschehen.“ Pelzers Augen hinter der Hornbrille schauten hypnotisch. „Wie ein Virus, über Jahrtausende eingelagert, springt die Frequenz auf uns über. Wer die Artefakte berührt hat, ist gezeichnet vom Fluch des Toten.“

Der Toten, wollte Polly sagen, weil es sich einigen Inschriften zufolge um die Grabbeigaben einer Frau handelte, aber Daphne war schneller.

„Das sind doch meine Worte“, erklärte sie pathetisch und verschränkte die Arme. „Die Mumie war’s!“

„Wie oft muss ich noch sagen, dass es hier keine Mumie gibt?! Der Sarkophag war leer!“ Polly brüllte es fast.

Daphne ließ sich davon nicht erschüttern. Wenn sie jedes Mal zurückzucken würde, nur weil sie jemand aufgrund ihrer personifizierten Ahnungslosigkeit anschrie, käme sie aus dem Zucken auch gar nicht mehr heraus. Stattdessen entschied sie sich dafür, ihre Aussage zu modifizieren. Sie ließ ihren Blick über alle Anwesenden schweifen und bühnenflüsterte kassandrisch: „Es war der Geist der Mumie, der in jemanden von uns gefahren ist. Und er wird weiter morden!“

© Jürgen Weller

Tatjana Kruse, geboren 1960 in Schwäbisch Hall, schreibt seit 1996 Krimi-Kurzgeschichten und seit 2000 Kriminalromane. Sie gehört zu den beliebtesten Krimiautorinnen im deutschsprachigen Raum. Zahlreiche Veröffentlichungen, die auch in Fremdsprachen übersetzt wurden sowie mehrfache Auszeichnungen erhalten haben.

Polly Obermoser, frisch gebackene Ägyptologin und freie Kuratorin, hat es geschafft: Gleich in ihrer ersten Ausstellung kann sie einen Sensationsfund aus der siebten Dynastie präsentieren. Alles könnte so wunderbar sein!

 

Das ist Dr. Apollonia Obermoser!

Herausragendste Leistung des letzten Jahres:

Sie hat promoviert und ist jetzt Doktorin der Ägyptologie.

Ihr Beruf:

Freie Kuratorin

Wie sie von ihren Freund*innen genannt wird:

Polly

Wie ihre vier Brüder sie nennen:

Töröö! (In Anspielung auf ihr Hüftgold, das angeblich an einen Elefanten erinnert – wenn auch an einen süßen. Dabei sind die vier Metzgersöhne in vierter Generation selbst gebaut wie Schränke.)

Ihr Styling-Prinzip:

Sie trägt ausschließlich selbstgeschneiderte Kleidung im Stil der 1950er Jahre – privat gern getupfte Kleider mit Petticoat, im Job meist etwas Klassisch-Strenges im Stil von Christian Dior.

Ihr Liebesleben:

Eigentlich verlobt mit Timothee de Monbataille – Betonung auf eigentlich.

Was sie besonders gern mag:

Schaumbäder. Schweizer Schokolade in Form von Pyramiden. Alles, was mit dem Alten Ägypten zu tun hat.

Was sie hasst:

Unordnung. Unpünktlichkeit. Untreue. Im Grunde alles, was mit Un- beginnt …

Fun Fact:

Sie kann mit den Ohren wackeln, und wenn sie das tut, tanzen ihre Augenbrauen den Mambo.

Lebensmotto:

Just do it. (Gerade, wenn man vor etwas Angst hat, muss man es tun – dann kriegt es die Angst mit der Angst zu tun und verschwindet.)

Ihr markantestes Zitat:

„Der Drache ist nicht der Feind der Frau. Schwerter schwingende Ritter, die uns den Schoß-Drachen rauben wollen, sind es.”

Welche Schauspielerin sollte sie im Falle einer Hollywood-Verfilmung spielen:

Emily Blunt.

Aber es kommt ja immer anders, als man plant. Aus Pollys seriöser Ausstellung macht Museumsdirektor Pucci ein nachgerade abgeschmacktes Medienspektakel.

 

Zu Pollys Konsternation wohnt der Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung nicht die Museumsbesitzerin bei, Milliardärin Gamser, sondern deren Tochter Daphne. Eine Fleisch gewordene Barbie ohne eine einzige Hirnzelle, wie Polly findet.

 

Hier findest du alles zu Daphne Gamser!

Herausragendste Leistung des letzten Jahres:

Hat als angesagtes It-Girl die 1-Million-Follwer*innen-Grenze geknackt

Wie sie von ihren Freund*innen genannt wird:

Duffy

Wie ihre Familie sie nennt:

Ihre Familie besteht allein aus ihrer milliardenschweren Mutter, und die nennt sie Daphne.

Ihr Styling-Prinzip:

Ich folge keinen Trends, ich sette sie!

Ihr Liebesleben:

Sie kann alle haben und nutzt das auch lustvoll aus. Daphne liebt das Leben und die Liebe – und überhaupt alles.

Was sie besonders gern mag:

Champagner. Champagner bei Sonnenuntergang. Champagner im Privatjet ihrer Mutter. Und Polo spielen.

Was sie hasst:

Vorgefasste Meinungen. Und dass alle sie für ein dummes Blondchen halten. Ja, Ästhetik ist ihr wichtig, aber sie hat mehr zu bieten als nur eine geile Optik und das Geld ihrer Mutter.

Fun Fact:

Sie kann in 14cm High Heels schneller rennen als viele andere in High-Tech-Marathonschuhen.

Lebensmotto:

Just do it! (In einer völlig anderen Interpretation als der von Polly, nämlich so: Immer das tun, worauf man Lust hat – ganz egal, ob es verboten oder gefährlich ist.)

Ihr markantestes Zitate:

„Die Mumie war’s!”

Welche Schauspielerin sollte sie im Falle einer Hollywood-Verfilmung spielen:

Margot Robbie.

Polly sieht in der Milliardärinnentochter auch deshalb nichts weiter als ein hirnloses Nepo-Baby, weil Daphne schamlos mit ihrem Verlobten flirtet, dem französischen Adligen Timothee, in dessen Schlosskeller die sensationellen ägyptischen Artefakte gefunden wurden, seinerzeit während der napoleonischen Feldzüge nach Frankreich gebracht von seinem Urururgroßvater.

 

Hier kannst du Timothee de Monbataille kennenlernen!

Herausragendste Leistung des letzten Jahres:

Hat seiner alt-adligen Familie in den letzten zwölf Monaten ausnahmsweise mal keine Schande bereitet, was ihm niemand zugetraut hatte.

Was seine Freund*innen zu ihm sagen:

Du bist ja verrückt! (in bewunderndem Tonfall)

Was seine Familie zu ihm sagt:

Mon Dieu, qu’as tu fait maintenant? („Was hast du jetzt wieder angestellt? – in genervtem Tonfall.)

Sein Styling-Prinzip:

Lässig und nonchalant. Das Hemd immer etwas weiter aufgeknöpft, als es eigentlich nötig wäre.

Was er liebt:

Das gute Leben. (Gut im Sinne von Luxus.)

Was er unbedingt will:

Für mehr als nur seinen alt-ehrwürdigen Familiennamen bekannt zu sein. Mit etwas, das er getan hat, in die Geschichte einzugehen.

Was er am besten kann:

Küssen. Zweideutig zwinkern. Immer zuerst an sich selbst denken, aber das so charmant, dass man ihm nicht wirklich böse sein kann.

Was er nicht kann:

Treu sein.

Fun Fact:

Er ist ein begnadet guter Stocherkahn-Lenker.

Sein markantestes Zitat:

„Oh la la!“

Welcher Schauspieler ihn im Falle einer Hollywood-Verfilmung spielen sollte:

Timothée Chalamet.

Während der Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung löst sich ein Scheinwerfer von der Deckenbefestigung und erschlägt einen Mitarbeiter. Wie immer bei Arbeitsunfällen mit Todesfolge wird die Polizei verständigt. Sie erscheint unter anderem in Person von Hauptkommissar Brack.

 

Hauptkommissar Brack geht anfangs von einem Unfall aus. Shit happens. Doch kaum hat er das Museum verlassen, beginnt die eigentliche Katastrophe. Erst wird auf unerklärliche Weise der Lockdown-Alarm ausgelöst – von da an kann niemand mehr das Gebäude verlassen. Dann kommen unseligerweise Schlag auf Schlag noch mehr Menschen zu Tode. Daphne mutmaßt, dass die Mumie von Pharao Teti umgeht. Polly trifft in den dunklen Gängen auf den gutaussehenden Schauspieler, der den Pharao im Werbefilm für die Ausstellung dargestellt hat.

 

Niko Karsoff findest du hier.

Sein Beruf:

Derzeit noch Kunst-Student. Nebenbei verdient er sich als Statist ein Zubrot.

Herausragendste Leistung des letzten Jahres:

Bei seinen illegalen Kunst-Aktionen nicht erwischt worden zu sein. (Spoiler: Diese Erfolgssträhne hat jetzt ein Ende.)

Sein Styling-Prinzip:

Anziehen, was gerade so herumliegt und (noch) nicht müffelt.

Was er liebt:

Workouts im Kraftstudio – die machen den Kopf frei. Architektur. Kunst.

Was er hasst:

Gesellschaftliche Missstände.

Fun Fact:

Als Schauspieler ist er ein Naturtalent.

Sein markantestes Zitat im Buch:

„Kunst ist kein Verbrechen!“

Welcher Schauspieler ihn im Falle einer Hollywood-Verfilmung spielen sollte:

Aldis Hodge.

Während alle außer Daphne auf einen perfiden Serienmörder tippen, gibt es einen unter den im Museum Eingeschlossenen, der fest an den Fluch der Mumie glaubt:

 

Und zwar Meinard Pelzer. Schau hier!

Herausragendste Leistung des letzten Jahres:

Sich als Reinkarnationsfachmann und Aura-Chirurg ein üppiges Auskommen zu sichern.

Sein Styling-Prinzip:

Schwarzer Rollkragenpulli, schwarze Stoffhose mit Bügelfalten, schwarze Lackschuhe. Kurzum: schwarz.

Was er liebt:

Allem eine mysteriöse Bedeutung zu geben.

Was er hasst:

Alles Banale und Normale.

Was er gut kann:

Sich in Szene zu setzen.

Fun Fact:

Liegt zu Hause gern in karierten Boxershorts auf dem Sofa, kratzt sich im Schritt, trinkt Bier und bingewatcht Streamingserien.

Sein markantestes Zitat im Buch:

„Das Böse ist hier mitten unter uns!“

Welcher Schauspieler ihn im Falle einer Hollywood-Verfilmung spielen sollte:

Mark Strong.

Die Morde addieren sich. Nicht alle der hier Vorgestellten werden das Ende des Buches erleben. Das Schicksal schweißt Polly und Daphne zusammen: Gemeinsam machen sie sich in dem von der Außenwelt abgeschnittenen Museum auf die Suche nach der Wahrheit. Aber ist es wirklich vollkommen auszuschließen, dass die Mumie von Teti dem Dritten umgeht? Oder gibt es mehr zwischen Himmel und Erde, als sich unsere Schulweisheit träumen lässt?

 

Hier ist der Steckbrief von Teti III. Traust du dich?

Herausragendste Leistung des letzten Jahres:

Des letzten Jahres? Keine – er ist seit mehreren tausend Jahren tot.

Die herausragendste Leistung seines letzten Lebensjahres? Seinen Bruder zu killen, um dessen Thron und dessen Namen zu klauen.

Sein Styling-Prinzip:

Hauptsache immer viel Gold.

Was er liebt:

Auf den Nil zu schauen und dabei von Sklaven mit Frischluft angefächelt zu werden.

Was er hasst:

Zauberinnen und schwarze Magie.

Fun Fact:

Ist ein guter Tänzer.

Sein markantestes Zitat im Buch:

„So soll man es schreiben, so soll es geschehen.“

Welcher Schauspieler ihn im Falle einer Hollywood-Verfilmung spielen sollte:

Pierce Brosnan.


Lust auf mehr?

Tatjana Kruse wirbelt den Staub des Alten Ägyptens auf! Dabei lässt sie kein Artefakt, äh, keine*n der Museums-Angestellten an Ort und Stelle – eine hinreißende Mischung aus schaurig-rasanter Mörder*innenjagd und Kicher-Comedy! Das Leben ist zu kurz, um ernstgenommen zu werden, findet Kruse, daher fügt sie dem Cocktail aus Krimi und Komödie diesmal eine große Prise Horror hinzu und schüttelt alles tüchtig durch. Mach dich bereit für einen Museumsbesuch der Extraklasse, eine mörderisch spannende Führung durch die neue ägyptische Sammlung ist im Ticketpreis inbegriffen!  Aber Achtung, Tatjana Kruse leitet dich auch zu phantasmagorischen Tatorten und trainiert ganz nebenbei deine Lachmuskeln.

Online erhältlich und überall, wo es Bücher gibt.


Brisante Kunstfunde, kanarischer Kulturgenuss und ein Todesfall – der neue Krimi von Flores & Santana

Eigentlich wollte der Journalist Ben Rodríguez seine Arbeitsreise nach Lanzarote ganz entspannt gestalten: ein wenig kulturelle Recherche, verbunden mit Käseverkostungen und dem einen oder anderen Gläschen Wein. Aber Fehlanzeige! Bens Reisebegleitung Naira Calderón macht ihm einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Die beiden, die schon ewig gut befreundet sind, kommen bei einer Bekannten von Naira, Valeria Moreno, unter – deren Ehemann, Gil Moreno, wurde kurz vor Ben und Nairas Ankunft unter mysteriösen Umständen tot in einer Lavaröhre gefunden. Am Todesort wurden zudem noch Bilder des Künstlers César Manrique gefunden. Natürlich müssen Ben und Naira Valeria investigativ unter die Arme greifen und decken so Spur für Spur auf, was unter der Lavadecke von Lanzarote brodelt.

In diesem Magazinbeitrag findest du erste Einblicke in das neue Buch Lava und Lügen auf Lanzarote“ von Flores und Santana. Außerdem stellen wir dir die wichtigsten Protagonist*innen genauer vor – lerne die Hauptcharaktere Ben und Naira kennen und erfahre mehr über Valeria und Gil. Und was haben eigentlich der Bodega-Besitzer Paco Prieto und seine Frau Lara mit allem zu tun?

 

Die Sonnenstrahlen fielen in einem sehr flachen Winkel durch die Schaufenster von Naira Calderóns Buchhandlung Biblioteca de Babel und erreichten sogar den mittleren Raum. Im Herzen von Santa Cruz de La Palma gelegen, verführte der Buchladen mit seinen wohnlich wirkenden Regalen und Tischen aus kanarischer Kiefer und der beeindruckenden Bücherauswahl zum Verweilen. Der dritte Raum, mit der auch aus gebeizter Kiefer hergestellten Theke für Kaffee, Wein und dem immer vorhandenen Teller mit Mandelkeksen, war zwar wie immer sehr hell, aber keiner direkten Sonne ausgesetzt. Der kleine Innenhof dahinter wurde nur um die Mittagszeit ganz ausgeleuchtet.

Ben Rodríguez saß in seinem Chesterfield-Sessel im Zwischenraum, wie Naira den in der Mitte gelegenen Raum oft nannte, und war so in ein Buch vertieft, dass er nicht nur die Sonnenstrahlen, die inzwischen seine Füße erreichten, nicht bemerkte, sondern auch seinen Kaffee ignorierte.

Egal, wie oft er unter der Woche schon vorbeigeschaut hatte, es war ein Ritual: Jeden Samstag, zwischen elf und dreizehn Uhr, konnte man ihn in der kleinen Buchhandlung finden. Seine Freunde wussten Bescheid. Wenn jemand ihn treffen wollte, funktionierte das zu dieser Zeit, absichtlich oder zufällig, ausgezeichnet.

Naira hatte ihm vorhin ein frisch erschienenes Buch über die Altkanarier in die Hand gedrückt und Ben war bereits darin vertieft.

© Karin Wernig

Flores & Santana, das sind Rotraut Schöberl und Erwin Riedesser. Gemeinsam haben sie 1994 die Wiener Kultbuchhandlung Leporello gegründet. Ein Herzensprojekt, das sie nach 30 Jahren in andere Hände gegeben haben, um als Autorenduo die Seite zu wechseln und sich dem Schreiben zu widmen. Rotraut Schöberl ist unter anderem bekannt für ihre Buchempfehlungen, die sie jahrelang im österreichischen Frühstücksfernsehen geteilt hat. Ihr Co-Autor Erwin Riedesser hat als ehemaliger Juryvorsitzender des Perutz-Krimipreises selbst ein gutes Gespür für spannende Geschichten. Inspiriert von ihrer Liebe zu den Kanaren schreiben sie Krimis, die ihre Faszination für die spanische Inselgruppe widerspiegeln. Nach La Palma und Teneriffa entführen sie ihre Leser*innen nun nach Lanzarote.

Naira hat eine herausfordernde Beziehung mit Felipe Barceló, einem Buchhändler auf Teneriffa, glücklich und kinderlos hinter sich gelassen und kam deshalb auf die Nachbarsinsel La Palma zurück, wo sie die Buchhandlung Biblioteca de Babel übernahm, als deren Vorbesitzer in den Ruhestand gehen wollte. Naira hat die Buchhandlung nach ihren Vorstellungen umgestaltet und behandelt sie jetzt als ihr erweitertes Wohnzimmer. Die Buchhandlung ist ein Treffpunkt für die literaturaffinen Einwohner*innen von La Palma, aber abends kommen auch oft Nairas Freund*innen vorbei. Es gibt immer Kaffee, Tee oder ein Gläschen Wein und auch Mandelkekse. Auch Ben kommt gerne vorbei, um neue Bücher zu finden oder sich mit seiner guten Freundin Naira auszutauschen, die ihm nicht nur mit Buchtipps sondern auch immer mit Rat und Tat beiseite steht.

 

Hier findest du alles zu Naira Calderón!

Beruf: Buchhändlerin.

Alter: Anfang 40.

Aussehen: 1,66 m groß, schlank und sportlich, ohne es wirklich zu sein. Außerdem dunkle Augen und dunkelbraune, fast schwarze, lange Haare, trägt meistens einen Zopf.

Kleidung: Gerne individuell und bequem, aber dennoch extravagant. Mag Naturstoffe und Naturfarben.

Haustier: Tigerkater Graf Potocki, genannt „Tocki“.

Herkunft: Hat Guanchenvorfahren, ist in Barlovento auf La Palma geboren, ihre Eltern leben immer noch dort.

Wohnort: Lebt auf La Palma am Stadtrand von Santa Cruz, gleich hinter der Santa Maria (Museumsschiff von Kolumbus) nahe am Meer und pflegt dort ihr wildwucherndes Gärtchen.

Charakter: Sehr sozial und neugierig.

Funfact: Hat keinen Führerschein.

Liebt: Bücher, ihre Buchhandlung, die Natur, den Sternenhimmel über La Palma, interessante Menschen und kräftigen Weißwein. 

Hobbies: Liest seit frühster Kindheit mit Begeisterung und viel, jetzt auch gerne einen Kriminalroman zur Entspannung. Interessiert sich sehr für die Geschichte der Kanaren und ist in einer Krimijury.

Ausbildung: Literaturstudium auf Teneriffa, arbeitete dann einige Jahre in Santa Cruz de Tenerife mit ihrem damaligen Lebensgefährten Felipe in seiner Buchhandlung Liberia Fábrica de Tabaco.

Lebensmotto: „Immer die nächste Tür öffnen, es kann immer noch besser kommen.“  

Ihr bester Freund: Ben, hat in ihm eine verwandte Seele gefunden.

„Sag mal, wie lange lebst du jetzt eigentlich schon auf Lanzarote?“, fragte Naira nach einer Weile.

Valeria dachte einen Moment nach. „Es sind mittlerweile über drei Jahre“, sagte sie dann. „Ich bin damals von Teneriffa hergezogen, du erinnerst dich? Es ging alles so schnell. Ich hatte mich Hals über Kopf in Gil verliebt und wir wollten unser Leben zusammen verbringen. Er war ein besonderer Mensch – so sensibel und tiefgründig. Wir haben uns sofort verstanden, bei der Kunst, beim Design, aber auch in Fragen des Lebens. Es war, als würden wir ständig neue Gemeinsamkeiten entdecken. Dann erhielt Gil das Angebot eines bedeutenden Kunstbuchverlages aus Madrid, eine umfassende Biografie über César Manrique zu verfassen, die auf dem neuesten Stand der Forschung sein sollte. Er war begeistert! Schon deshalb plante er, wieder nach Lanzarote zu ziehen. Es war klar, dass er dafür Jahre brauchen würde.

Für mich war es selbstverständlich, meinen Job auf Teneriffa aufzugeben. Zunächst habe ich noch ein wenig – digital – für meine Kunden auf Teneriffa von Tías aus weitergearbeitet, aber irgendwann war klar, dass mein Lebensmittelpunkt nun hier ist. Und ich wurde so herzlich auf der Insel aufgenommen, nicht zuletzt, weil Gil hier viele Leute kannte.“

Valerias Stimme klang leise und sanft, während sie sprach.

Valeria war Gil sehr verbunden und ist dementsprechend niedergeschlagen, als Naira und Ben nach Gils Tod zu ihr kommen. Trotzdem ist sie eine gute Gastgeberin, die Naira und Ben nicht nur großzügig Platz bei sich anbietet, sondern die beiden auch kulinarisch bestens versorgt. Gerne nimmt sie die Hilfe der beiden an, will sie doch wissen, was wirklich mit ihrem Mann geschehen ist …

 

Mehr Infos zu Valeria Moreno gibt es hier!

42 Jahre alt.

Ist 1,63 m groß und zierlich, hat dunkle Haare, einen modischen Kurzhaarschnitt und gleichmäßige Gesichtszüge.

Nairas Schulfreundin.

Arbeitet selbstständig als Grafikerin, unter anderem für den Weinbetrieb Bodega Cumulus, Jameos de Agua und die Fundación César Manrique, hat ihr Büro zuhause.

Geboren auf La Palma in der Nähe von Barlovento, dort leben auch ihre Eltern.

Wohnt in Tías.

Hat auch auf Teneriffa zusammen mit Naira studiert.

Blieb lange Zeit auf Teneriffa, zog vor einigen Jahren der Liebe wegen nach Lanzarote.

Klicke hier, um über Gil Moreno (verstorben) zu lesen.

48 Jahre alt.

Ist 1,65 m groß und schlank, hat schulterlange dunkle Haare.

Valerias Ehemann, lernte vor über 10 Jahren Valeria bei einer Ausstellung in Santa Cruz de Tenerife kennen.

Arbeitete an einer umfassenden Biografie von César Manrique.

Malte zur Entspannung auch in seinem Atelier im Privathaus und schrieb Tagebuch.

Kunst-& Managementstudium.

Verträumter und sensibler Mensch, wäre gerne Künstler gewesen und hasst eigentlich Typen wie Paco Prieto.

„Kannst du mir etwas über Paco Prieto erzählen? Wie ist der denn so?“

„Ich bin der Meinung, er ist machtgierig, geltungssüchtig und skrupellos.“

„Starke Ansage. Hat der Mann Familie?“, fragte Naira.

„Hat er. Prieto hat eine wesentlich jüngere Frau und mit ihr zwei Kinder. Für ihn sind sie vermutlich ebenso Statussymbole wie seine Autos und Motorräder. Seine erste Frau, die sehr wohlhabend war und die er beerbte, starb bei einer eigentlich einfachen Schönheitsoperation. Bis heute ist völlig ungeklärt, warum sie ins Koma gefallen und nie wieder aufgewacht ist. Das war lange Zeit Gesprächsthema auf der Insel.“

„Und seine neue Frau?“ Ben wurde neugierig.

„Lara ist sympathisch und überraschend bescheiden. Sie stammt aus Arrecife, ihr Vater hatte eine Autowerkstatt und sie war bereits mit siebzehn Miss Lanzarote. Aber Lara hat jetzt nicht viele Freiheiten, Prieto hält sie möglichst von allem fern, obwohl nicht nur ich, sondern auch andere viel besser mit ihr als mit ihm zusammenarbeiten könnten. Und: Sie besitzt ein ausgeprägtes Gespür für Design und hat einen deutlich feineren Geschmack als er. Was möchtest du sonst noch wissen?“

Die Beziehung von Paco und Lara ist keine gute, schränkt Paco sie doch ein und zwängt ihr seine Lebenserwartungen auf. Dennoch bleibt Lara eine sympathische Frau, mit der sich insbesondere Naira gut versteht – obwohl Naira und Ben ihren Ehemann Paco mehr als verdächtig finden. Ob Lara den beiden bei ihren Ermittlungen helfen kann?

 

Das ist Paco Prieto!

49 Jahre alt.

Ist 1,60 m groß und hat dichte, schwarze, glatte Haare und blendende falsche Zähne.

Ein verschlagener Typ, falsch, immer auf seinen Vorteil bedacht, mafiös und ein Anführertyp. Hat bereits in der Schule seine Mitschüler*innen ausgenützt.

Er mag Zigarren, Bourbon Whiskey, sein Luxusauto und sein Motorrad.

Hat von seinem Vater ein Hotel, eine Bodega und ein kleines Weingut geerbt.

Besitzt Weingut Bodega Cumulus, eine Käserei und einige andere Firmen. Will alle Weintrichter auf Lanzarote besitzen, seit er ein Kind ist.

Seine erste Frau, die reich & älter war, starb nach zwei Jahren bei einer Schönheitsoperation. Erbte dadurch viel Geld und weitere Weinberge sowie die Finca de Fechas.

Seine jetzige, zweite Frau ist 20 Jahre jünger und für ihn ein Statussymbol. Ist ihr gegenüber sehr einschränkend und kontrollierend.

Lara Prieto kannst du hier kennenlernen!

32 Jahre alt.

Ist 1,72 m groß und blond, hübsch, hat an Misswahlen teilgenommen.

Pacos Frau, er bestimmt alles für sie.

Hat zwei Kinder, Alejandro und Maria del Carmen.

Sehr intelligent und geschickt, kann Autos und Motorräder reparieren. Ihr verstorbener Vater hat ihr das in seiner Werkstatt beigebracht.

Organisierte Motorradausflüge auf Lanzarote, so lernte sie Paco kennen. Eigentlich wollte sie studieren.


Neugierig geworden?

Als Guides mit einem scharfen Gespür für Spannung führen uns Flores & Santana durch Lanzarote – idyllische Landschaften, interessante Anekdoten und Verkostungen lokaler Spezialitäten inklusive. Authentisch, atmosphärisch, aber alles andere als 08/15, macht ihr neuer Kanarenkrimi auch vor den dunkleren Seiten der sonnenverwöhnten Vulkaninsel keinen Halt. Einfach zurücklehnen, Urlaubsfeeling genießen und Seite für Seite mit Ben Rodríguez und Naira Calderón auf Verbrecherjagd gehen.

Online erhältlich und überall, wo es Bücher gibt.


Lust auf mehr?

Mach hier unseren Persönlichkeitstest und finde heraus, welche Kanareninsel zu dir passt. Alle Bilder sind von Flores selbst aufgenommen!

 

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Weitere Informationen

Magazin

„Inklusion muss überall gelebt werden“ – ein Interview mit Gunnar Mertz und Lina Maisel

Mehr als 10 % der österreichischen Bevölkerung müssen in Leichter Sprache lesen. Dennoch gab es bis jetzt keine inklusive, barrierearme Aufarbeitung des Holocaust und des Zweiten Weltkriegs in Österreich. Geschichte muss verständlich und zugänglich sein, damit die Erinnerungskultur funktioniert. Und mit der Mitverantwortung Österreichs am Holocaust und am Zweiten Weltkrieg geht die Verantwortung einher, Bildungs- und Forschungsarbeit zu leisten. Diese Bildung darf und soll von allen Menschen erfahren werden, unabhängig von (An-)Alphabetismus, Lernfähigkeit oder Sprachverständnis. Deshalb ist es umso wichtiger, vielschichtige, sensible und komplexe Themen verständlich und begreifbar zu machen.

Gunnar Mertz und Lina Maisel leisten mit ihrem Buch „National-Sozialismus in Österreich in Leichter Sprache“ einen wichtigen Beitrag zur Bildungsarbeit und zur Aufarbeitung des Holocaust und Nationalsozialismus in Österreich – es ist das erste Buch, das diese Themen in Leichter Sprache aufbereitet.

Wir haben mit Gunnar Mertz und Lina Maisel darüber gesprochen.

Euer Buch ist das erste, das sich in Leichter Sprache mit dem Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg in Österreich befasst. Was ist die Leichte Sprache und weshalb ist es so wichtig, eine barrierefreie und zugängliche Sprache einzusetzen?

Maisel: Leichte Sprache ist eine einfachere Version unserer Alltagssprache. Sie hat viele Regeln: Zum Beispiel müssen die Sätze sehr kurz sein oder es dürfen keine Fremdwörter verwendet werden. Leichte Sprache ist sehr wichtig für viele Menschen. Sie macht Informationen für viele Menschen zugänglich und ermöglicht die Teilhabe. Im Fall unseres Buches: die Teilhabe an unserer Geschichte und der Erinnerung daran.

Mertz: Aus der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen kann für Menschen mit Behinderungen ein Anspruch auf verständliche Informationen abgeleitet werden. Diesem Anspruch wird im öffentlichen Raum zu wenig entsprochen. Auch in der Erinnerungskultur zum Nationalsozialismus mussten in Österreich sehr viele Barrieren überwunden werden. Die Republik Österreich bekannte sich erst Anfang der 1990er Jahre zu ihrer Verantwortung. Mit dem Buch wird nun eine weitere kleine Barriere überwunden. Leichte Sprache ist aber auch für Menschen ohne Behinderungen hilfreich, um dieses schwierige Thema zu erfassen.

Wie und wo wird Leichte Sprache eingesetzt und gibt es unterschiedliche Ausführungen davon?

Maisel: Leichte Sprache kann und sollte überall eingesetzt werden: von Medienberichten über Gesetzestexte bis hin zu Literatur. Es gibt sogar erste Theaterstücke in Leichter Sprache. Inklusion muss überall gelebt werden. Es gibt verschiedene Formen der Leichten Sprache. Man unterscheidet vor allem zwischen Leichter und Einfacher Sprache. Leichte Sprache hat ein klares Regelwerk. Und vor allem muss eine Prüfgruppe von Menschen aus der Zielgruppe den Text lesen und auf Verständlichkeit prüfen. So haben wir es auch bei unserem Buch gemacht. Ein sehr spannender Prozess! Einfache Sprache hat weniger starre Regeln, wird nicht geprüft und ist weniger vereinfacht als die Leichte Sprache.

Wie wird man Übersetzer*in für Leichte Sprache und in welchen Tätigkeitsbereichen wird man eingesetzt?

Maisel: Es gibt eigene Ausbildungen zur zertifizierten Übersetzerin für Leichte Sprache. Die Übersetzer*innen übersetzen alles Mögliche, je nach Auftrag. Im Sinne der Barrierefreiheit gibt es da keine Grenzen.

 

Woher kam die Idee, ein Buch in Leichter Sprache über den Nationalsozialismus in Österreich zu schreiben?

Mertz: Durch berufliche Tätigkeit lernte ich die Arbeit der Behindertenanwaltschaft und den Behindertenanwalt Hansjörg Hofer kennen. Die Anwaltschaft ist oftmals die letztmögliche öffentliche Ombudsstelle für Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung Diskriminierung erfahren. Durch die Sensibilisierung für barrierearme Informationsvermittlung in der Behindertenanwaltschaft kam dann irgendwann die Projektidee. Mehrere österreichische Bildungseinrichtungen mit Bezug zum Nationalsozialismus boten bereits leicht verständliche Informationen an, wobei der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim schon im Jahr 2014 Pionierarbeit geleistet hatte. Eine Gesamtdarstellung stand aber noch aus. Hansjörg Hofer unterstützte das Projekt von Anfang an und half den Grundstein zu legen.

 

Wie sah der Entstehungsprozess bei eurem Buch aus; wie liefen die historische Recherche, das Kuratieren der Inhalte, die Übersetzung in Leichte Sprache und die Gestaltung ab?

Mertz: Hansjörg Hofer verstarb im Jahr 2022. Das war ein großer Rückschlag für die Behindertenrechtsbewegung und auch für das Buchprojekt. Mit Lina Maisel habe ich eine Partnerin gefunden, mit der das Projekt doch noch möglich wurde. Die Recherche war relativ einfach. Informationen über den Nationalsozialismus in Österreich sind in schwerer Sprache vielfach verfügbar: im Haus der Geschichte Österreich, in der Dauerausstellung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes oder in der Jugendsachbuchreihe „Nationalsozialismus in den Bundesländern“ im StudienVerlag. Beim Kuratieren der Inhalte sollte der aktuelle Forschungsstand abgebildet werden.

Maisel: Viele Überlegungen sind in die grafische Gestaltung des Buches eingeflossen. Es gab einen engen Austausch mit dem Haymon Verlag, dem auf Leichte Sprache spezialisierten Grafiker Marc Derwahl und Selbstvertreter:innen der Mensch-Zuerst-Bewegung. Zum Beispiel: Jedes Kapitel hat eine eigene Farbe, um den doch sehr umfangreichen Text besser in kleinen Einheiten lesen zu können. Das sind dann kleine Häppchen mit maximal 20 Seiten. Damit entsprechen wir den Regeln für Leichte Sprache, nach denen Texte nicht zu lang sein sollten. Ein anderes Beispiel: Schwere Wörter sind bei der ersten Verwendung fett markiert und in einem Wörterbuch am Ende des Buches erklärt.

Mertz: Allgemein war es kein „klassischer“ Zugang der Übersetzung eines vorgegebenen Ausgangstextes. Es war ein viel umfassenderer Austauschprozess mit Lina Maisel und ein vielfaches Hin und Her von Formulierungen. Unsere Zusammenarbeit war vielschichtig verwoben. Ich lernte dazu und versuchte, Sätze bereits in Leichter Sprache einzubringen, während Lina Maisel sich mit geschichtswissenschaftlichen Diskussionen auseinandersetzte.

Maisel: Die Übersetzung in Leichte Sprache war ein mehrstufiger Prozess. Es gab viele Überlegungen und Diskussionen zu einzelnen Begriffen. Es war ein ständiges Abwägen: Wie leicht soll die Übersetzung sein? Wie verhindern wir einen Informationsverlust?

 

Zusätzlich zu den bei Büchern normalen Korrekturschleifen wurde euer Buch beispielsweise auch von einer Prüfgruppe für Leichte Sprache sowie einem historischen Fachbeirat überprüft. Was waren Herausforderungen bei eurem Buch, bei der Recherche sowie beim Schreiben?

Mertz: Wir sind das Buchprojekt nach dem Grundsatz der Mensch-Zuerst-Bewegung „Nichts über uns, ohne uns“ angegangen. Das erfordert die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen. Wir haben eine überregionale Prüfgruppe von fünf Selbstvertreter:innen aus ganz Österreich aufgebaut. Gemeinsam mit dieser Gruppe sind wir den gesamten Text in mehrmonatiger Arbeit durchgegangen. Auf der einen Seite haben sie schwere Begriffe gestrichen, zum Beispiel das Wort „Entnazifizierung“. Auf der anderen Seite ermutigte uns die Prüfgruppe, auch komplexere Sachverhalte einzubeziehen. Der Fachbeirat hat weiteres wertvolles inhaltliches Feedback zum Text gegeben. Es wirkten 15 Personen auf den Text und die Grafik ein. Es war spannend, einige unterschiedliche Standpunkte und Wünsche zu vereinen. Fachbeirat und Prüfgruppe haben uns in der Arbeit sehr bestärkt.

Maisel: In einer abschließenden Sitzung der Prüfgruppe mit dem Fachbeirat haben wir gemeinsam an Formulierungen gearbeitet und letzte Begriffe festgelegt. Beispielsweise haben wir uns gemeinsam entschieden, das schwere Wort „Deportation“ nur einmal im Text zu erklären und sonst das einfachere Wort „Verschleppung“ zu verwenden.

 

Eine inklusive Aufbereitung des Themas ist zuvor nicht wirklich passiert. Wie kommt es, dass eigentlich absolute Grundpfeiler unserer Erinnerungskultur und nationalen Identität bislang nicht barrierearm zugänglich waren?

Mertz: Es ist erschreckend, wie wenig Sachbücher es in Leichter Sprache gibt. Menschen mit Behinderungen sind in Österreich in vielerlei Hinsicht diskriminiert. Man kann sagen, dass Menschen mit Lern- und Sprachschwierigkeiten, funktionalem Analphabetismus und eingeschränktem Sprachverständnis auch in der historischen Erinnerung diskriminiert werden. Wir haben im Zuge unserer Arbeit den Eindruck gewonnen, dass viele Institutionen und Einrichtungen den Bedarf an barrierearmer Kommunikation von Geschichte erkannt haben. Wir schätzen, dass die Verwendung von Leichter Sprache in der historischen Bildungsarbeit zunehmen wird.

 

Wie können solche sensiblen, gesellschaftlichen Themen für alle zugänglich aufgearbeitet werden? Was muss diesbezüglich noch geschehen, was muss sich ändern?

Mertz: In verschiedenen Bereichen, insbesondere auf Websites, sind bereits viele leicht verständliche Informationen verfügbar. Das Genre des Sachbuches in Leichter Sprache muss in Österreich erst noch entstehen. Das wünschen wir uns.


Das erste Buch über den Holocaust und Zweiten Weltkrieg in Österreich in Leichter Sprache.

Ein neues Kapitel der Erinnerungskultur bricht an: Warum brauchen wir dieses Buch? Ganz klar: weil es ein Buch ist, das Pionierarbeit leistet. Das in puncto Inklusivität aufholt, ein Vakuum in der politischen Bildung in Österreich füllt. Mit dem vorliegenden Band liefern Maisel und Mertz die Basis für einen inklusiven Wissenstransfer über den Nationalsozialismus in Österreich und damit für mehr Teilhabe, Verständnis und Empathie.

Erhältlich online und überall, wo es Bücher gibt.

„Die Bewertungen und Verurteilungen rund ums Thema Stillen müssen endlich aufhören!“ – ein Interview mit Britta Fuchs

Ein individueller Stillweg, der gesellschaftspolitische Ebenen wie gleichberechtigte Elternschaft und körperliche Selbstbestimmung einschließt, muss möglich sein. Dafür braucht es Wissen, Sichtbarkeit und das Erkennen, dass Stillen nicht nur Gebärende etwas angeht. Britta Fuchs hat darüber ein Buch geschrieben: „Unstillbar“ – das erste deutschsprachige feministische Sachbuch rund ums Stillen. Wir haben mit ihr über die Idee zum Buch gesprochen, und was sich in unserer Gesellschaft noch ändern muss, sodass ein individueller Stillweg für alle möglich ist.

Das Thema Stillen begegnet spätestens in der Schwangerschaft allen Frauen und Personen, die ein Kind gebären können. Sie spüren den Druck, stillen zu müssen, noch bevor das Baby das erste Mal an den Brustwarzen saugen soll. Sie sind nach der Geburt häufig allein mit dem Schmerz, wenn die Nippel wund sind oder die Milchproduktion zu niedrig ist, werden beschimpft, wenn sie „zu lange“ stillen oder dem Baby das Fläschchen geben, werden sexualisiert, wenn sie in der Öffentlichkeit stillen. Dabei führt diese gesellschaftliche Erwartungshaltung dazu, dass gebärende Personen häufig nicht einmal bewusst entscheiden, ob sie überhaupt stillen wollen – geschweige denn wie.

Liebe Britta, wie bist du auf die Idee gekommen, ein Buch rund ums Thema Stillen zu schreiben?

Ich bin absoluter Büchermensch und habe schon immer versucht, die Welt mithilfe von Büchern zu verstehen. Als ich mich dann mit Elternschaft auf feministischer Perspektive beschäftigt habe, fiel mir auf, dass das Stillen meistens nur in Nebensätzen auftauchte. Ich habe dann explizit nach Büchern zu dem Thema gesucht und im deutschsprachigen Raum kein einziges gefunden – also habe ich beschlossen, es selbst zu schreiben.

Wurdest du während der Recherche zu deinem Buch von einem Fact selbst überrascht und wenn ja, welcher Umstand in Bezug auf das Thema Stillen hat dich am meisten überrascht/gepackt/verärgert/betroffen gemacht?

Als ich die Idee für „Unstillbar“ hatte, habe ich mir schon gedacht, dass das Stillen ein Thema ist, das eine größere Bedeutung hat, als wir oft annehmen. Aber auf wie viele Lebensbereiche es wirklich einen deutlichen Einfluss hat – das war mir damals noch nicht klar. Es begegnet uns direkt oder indirekt einfach in so ziemlich allen Bereichen der Elternschaft. Vieles beeinflusst das Stillen und umgekehrt genauso.

Eine Erkenntnis beim Schreiben, die mir bis heute noch nachhängt, ist, dass ich in meiner ersten Stillzeit gar nicht gemerkt habe, wie sehr ich mich eingeschränkt habe, weil ich anfangs nicht in der Öffentlichkeit stillen wollte. Bei meiner Recherche erfuhr ich dann von diesem gewissen Ort, der Stillenden zugewiesen wird, am besten draußen, in einiger Distanz oder zuhause, wo sie andere Menschen nicht mit dem Akt des Stillens irritieren. Es nimmt Stillenden natürlich einen Teil ihrer Teilhabe am sozialen Leben, wenn sie beispielsweise im Café Gefahr laufen, missbilligende Blicke zu ernten oder abfällige Kommentare hören zu müssen.

Was muss sich deiner Meinung nach gesellschaftspolitisch noch am meisten ändern, sodass ein individueller Stillweg für alle möglich ist?

Ich glaube, ganz wichtig ist, dass wir als Gesellschaft, es schaffen, von diesem vermeintlich eindeutigen Bild vom Stillen wegzukommen. Er scheint ja immer so klar zu sein, was Stillen ist, aber am Ende können die Menschen, die es betrifft, gar nichts zu 100 Prozent richtig machen. Sie stillen entweder zu kurz oder zu lang. Oder zu öffentlich. Und wenn sie es gar nicht machen wollen, ist das auch wieder falsch, gesellschaftlich gesehen. Diese Bewertungen und Verurteilungen müssen aufhören.

Das braucht natürlich auch politische Anstrengungen: angemessene Vergütung für alle relevanten Berufsgruppen, wie Hebammen und Laktationsberater*innen, die gesetzliche Verankerung von einem Recht aufs Stillen in der Öffentlichkeit, Geld für Forschung und (Weiter-)Bildung – und langfristig eine ganze Reihe Maßnahmen, die reproduktive Rechte und die Selbstbestimmung von Eltern fördern.


 

Über die vielen Dimensionen des Stillens, ständige Bewertung und echte Selbstbestimmung

Das erste feministische Sachbuch rund ums Stillen – über Tabus, Dauerbewertung und der Weg zur Individualität
Britta Fuchs setzt sich kritisch mit dem Thema Stillen auseinander, bringt dabei neben eigenen Erfahrungen auch wissenschaftliche Daten und historische Entwicklungen und Erkenntnisse ein, beleuchtet die vielen Dimensionen, die darauf einwirken. Dieses Sachbuch ist ein Gegenentwurf zu Brust vs. Flasche: Es soll informieren, Veränderungen anstoßen, enttabuisieren.

Online und überall erhältlich, wo es Bücher gibt.

„Ihr werdet mich wahrscheinlich hassen für dieses Buch über Liebe“ – ein Interview mit Beatrice Frasl

Kaum etwas wird mehr romantisiert als romantische Liebe … kaum etwas hat diese Romantisierung weniger verdient!

Die Liebe – sie wird seit Jahrhunderten leidenschaftlich in Liedern besungen, in der Literatur wird ihr gelobhudelt, und in Filmen wird sie selbst in ihren toxischsten Ausformungen glorifiziert. Wir haben die romantische Liebe trotz ihrer Volatilität und meist relativ kurzen Dauer zu einem zentralen gesellschaftlichen Organisationsmodell gemacht. Romantische Liebe ist das, was uns pausenlos und von klein auf als unerlässlicher Bestandteil von Lebensglück und Erfüllung ins Hirn gehämmert wird. Dabei ist ihre Realität alles andere als romantisch – und das vor allem für Frauen. Heteroromantische Beziehungen bilden den Rahmen dafür, dass Frauen zwei Drittel der unbezahlten Arbeit übernehmen, weniger verdienen und in Abhängigkeiten rutschen. Unverheiratete Frauen ohne Kinder sind dagegen die glücklichste und gesündeste Bevölkerungsgruppe. Sie haben eine höhere Lebenserwartung als verheiratete, während verheiratete Männer länger leben als unverheiratete. Romantische Beziehungen mit Männern schaden Frauen: gesundheitlich, emotional und wirtschaftlich.

„Ihr werdet mich wahrscheinlich hassen für dieses Buch über Liebe”, sagt die Autorin über ihr neues Buch „Entromantisiert euch!“. Warum wir es trotzdem lesen sollen? Wir haben mit Beatrice Frasl darüber gesprochen.

Liebe Beatrice, wie würdest du selbst dein Buch beschreiben?

„Entromantisiert euch!” ist ein Buch, das sich kritisch mit der romantischen Liebe auseinandersetzt und sich ebenso kritisch ansieht, welche Rolle die romantische Liebe in kapitalistischen, aber vor allem auch in patriarchalen Verhältnissen spielt.

Der Titel deines Buches ist sehr prägnant, eine ganz klare Aufforderung. Warum sollen wir uns alle entromantisieren?

Ich glaube, wir sollten uns alle kritisch mit der eigenen Beziehungspraxis auseinandersetzen und uns vielleicht auch überlegen, inwiefern sie uns schadet. Wir sollten Normen im Bezug auf Liebe hinterfragen und die romantische Liebe als zentralen Ordnungspunkt unseres Lebens vom Thron stoßen. Gleichzeitig sollten wir anderen Formen von Liebe mehr Raum geben und kritisch darüber nachdenken, was uns eigentlich als romantische Liebe verkauft wird. Insbesondere müssen wir auch reflektieren, welche sehr toxischen, schwierigen oder schädlichen Ideen von Liebe uns als romantisch nahegelegt werden, es aber vielleicht gar nicht sind.

Beim Lesen deines Buches wird schnell deutlich: Viele Menschen profitieren nicht von der romantischen Liebe. Wer kann einen Nutzen aus der romantischen Liebe ziehen und warum?

Von der heteroromantischen Liebe profitieren vor allem Männer. Studien belegen, dass Männer, die mit Frauen verheiratet sind, länger leben, glücklicher sind und dass sie auch gesünder sind. Bei Frauen ist es umgekehrt, sie leben circa um ein Jahr kürzer und weniger gesund. Die Lebenserwartung sinkt, wenn sie mit Männern zusammen sind. Sie sind statistisch auch weniger glücklich als Männer, aber auch als Frauen, die keinen Partner haben. Männer profitieren insbesondere von der heteroromantischen Liebe, von der romantischen Liebe an sich profitiert in besonders großem Ausmaß auch der Kapitalismus. Es gibt ganze Wirtschaftszweige, die ohne romantische Liebe nicht funktionieren würden. Damit sind nicht Valentinstagsgeschenke, Candlelight-Dinner oder Wellnessurlaube zu zweit gemeint, sondern auch Dating Apps, Paarcoaches bis hin zu Scheidungsanwält*innen. Auch die Schönheitsindustrie profitiert davon, weil vor allem Frauen von klein auf beigebracht bekommen, dass sie sich auf einen männlichen Blick zurichten müssen und diesen männlichen Blick dann auch sehr internalisieren. Deshalb würde es die Schönheitsindustrie in ihrer derzeitigen Form wahrscheinlich ohne das Ideal der romantischen Liebe und ohne das Romantikprimat nicht geben.

Freund*innen werden oft an zweite Stelle gesetzt, wenn jemand in einer romantischen Paarbeziehung ist, obwohl Freund*innenschaften oft länger halten als eine romantische Paarbeziehung. Warum sind Freund*innenschaften gerade heute so wichtig, warum sollen wir sie pflegen?

Immer mehr Menschen leben als sogenannte Singles, vor allem Frauen. Die Scheidungsrate steigt, die Verheiratungsrate sinkt, die heterosexuelle Paarbeziehung und die Paarbeziehung an und für sich verliert gesellschaftlich immer mehr an Stellung oder Bedeutung. In der nächsten Zeit wird es notwendig sein, dass wir uns über die Bedeutung von Familie jenseits der Paarbeziehung und der Kleinfamilie Gedanken machen. Wir müssen versuchen, neue Formen von Familie und von Liebe zu etablieren und möglicherweise auch rechtlich abzusichern.

Oft wird die romantische Paarbeziehung als ein Heilmittel gegen eine Pandemie der Einsamkeit gesehen. Warum geht diese Gleichung nicht auf?

Die romantische Paarbeziehung ist die Beziehung, an die wir denken, wenn wir das Wort „Beziehung“ hören. Die romantische Beziehung hat alles an unserem Sprechen über Liebe vereinnahmt. Wenn wir über Liebe, über Beziehung, über Partnerschaft sprechen, sprechen wir über die romantische Paarbeziehung. Das ist sozusagen der Inbegriff für eine Beziehung überhaupt und wird ganz oft als Gegenteil der Einsamkeit verstanden: „Alle, die single sind, sind einsam, alle, die in einer Beziehung sind, sind nicht einsam.“ Wenn man allerdings einen Blick auf Studien wirft, sieht man, dass gerade Menschen, die nicht in romantischen Paarbeziehungen sind, eigentlich sozial viel besser eingebunden sind. Sie haben ein sehr enges Netzwerk an tragenden Bindungen, ganz oft sehr enge Freund*innen, und sie sind auch in der Gemeinschaft engagierter, indem sie beispielsweise ehrenamtlich arbeiten. Das bringt also allen etwas! Dieses Klischee, dass es gerade die romantische Paarbeziehung ist, die gegen Einsamkeit hilft, stimmt so nicht. Eigentlich ist es so, dass viele Menschen, die in romantischen Paarbeziehungen sind, von einer ganz besonderen Art der Einsamkeit sprechen, weil die romantische Paarbeziehung oft damit einhergeht, dass Menschen sich in kleine Beziehungsinseln zu zweit vereinzeln. Alles außenherum wird dann oft vergessen, vor allem auch andere Beziehungen und Bindungen. In der Freundschaftsforschung sehen wir, dass pro romantischer Paarbeziehung statistisch sogar zwei enge Freund*innen verloren gehen. Das heißt, dass die romantische Paarbeziehung eigentlich eine Beziehung ist, die uns aus anderen wichtigen Beziehungen herausreißt und uns viel einsamer macht, als wie wir es ohne sie wären. Dieser Sog der Isolation, der uns in diese Beziehungsinsel hineinbringt, der uns hineinvereinzelt mit einer anderen Person, wird von außen und von innen oft als etwas Normales betrachtet, weil wir davon ausgehen, dass die romantische Paarbeziehung die wichtigste aller Beziehungen ist, die es auch verdient hat, dass wir uns nur auf sie konzentrieren. Das kann im schlimmsten Fall auch gefährlich werden, etwa wenn man mit jemanden zusammen ist, der beispielsweise gewalttätig ist.

Die romantische „Liebesheirat“ ist ein gut eingeführter Evergreen unserer Kulturgeschichte. Wie kommst du auf die Idee, ein Konzept zu hinterfragen, das viele wohl als „naturgegebenen“ Lauf der Dinge voraussetzen?

Tatsächlich ist die Liebesehe, wie wir sie heute vielleicht je nach ideologischer Ausrichtung als „naturgegeben“ oder „gottgegeben“ empfinden, ein historisch sehr neues Phänomen, das erst im Laufe des 19. Jahrhunderts dominant wurde. Davor haben Menschen aus anderen Gründen geheiratet: Der Adel hat geheiratet, um Frieden zu sichern oder das Reich zu erweitern, das Bürgertum hat geheiratet, um Besitztümer zu sichern oder zu erweitern. Gundula Windmüller beschreibt das sehr lustig mit „Mein Acker, dein Acker, mehr Acker.“ Die Gründe, weswegen geheiratet wurde, waren sehr pragmatisch und ökonomisch. Sie hatten weniger damit zu tun, dass man die Person, die man heiratete, tatsächlich mehr mochte. Ein weiterer Grund war die Reproduktion, der aber auch nicht unbedingt mit dem Mögen des/der Reproduktionspartner*in verknüpft war. Liebe war nicht im Zentrum der Ehe. Enge, emotionale Bindungen hatte man eher zu anderen Menschen, wie beispielsweise in Freund*innenschaften. Im Laufe des 19. Jahrhunderts, im Zeitalter der Industrialisierung, wurde diese Idee der Liebesehe sehr dominant. Im Zuge der Industrialisierung gab es eine Trennung von privat und öffentlich. Plötzlich haben sich diese Sphären nicht mehr vermischt. Man hat zum Beispiel nicht mehr zuhause den Acker bearbeitet, während die Kinder nebenan waren, man sie versorgt hat und sie vielleicht auch mitgeholfen haben. Viel eher ging man jetzt außer Haus zu seinem Unternehmen, zur Fabrik, um dort Lohnarbeit zu verrichten. Dinge wie Haushalt oder Kinder mussten zuhause versorgt werden. So entstand eine Trennung zwischen privat und öffentlich, wobei die private Sphäre der unbezahlten und unsichtbaren Arbeit stark weiblich und die öffentliche Sphäre der Lohnarbeit stark männlich konnotiert waren. Im Zuge dieser Trennung wurde die Idee von Liebe auch immer relevanter, denn die Liebe war die Ideologie, die dazu geführt hat, dass Frauen dann diese unbezahlte und unsichtbare Arbeit auch gemacht haben. Durch die fehlende Bezahlung und die Existenz im Unsichtbaren zuhause waren sie in einer untergeordneten Position, einer Form der Unterdrückung. Es brauchte einen guten Grund dafür, warum Frauen das alles machen, obwohl sie nicht dafür bezahlt wurden. Der Grund war dann eben Liebe. Es war nicht nur so, dass diese unbezahlte und unsichtbare Arbeit dann als die „natürliche Aufgabe“ von Frauen angesehen wurde, sondern es wurde plötzlich auch erwartet, dass sie es gern und „aus Liebe“ machen, weil sie natürlich nur dann gute Ehefrauen und Mütter sind. So wurde diese Idee von Liebe, die mit der privaten Sphäre verknüpft war, im Zuge der Industrialisierung ganz besonders wichtig. Die Vorstellung der Liebesehe und auch Liebe als Ideologie sind sehr eng mit dem Anspruch an Frauen verknüpft, gratis als Arbeiterinnen im Privaten zur Verfügung zu stehen.

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Eine provokante Wutschrift aus feministischer Perspektive


In diesem großartigen Essay arbeitet Beatrice Frasl diese Ungerechtigkeiten auf und plädiert für ein Umdenken. Denn: Romantische Liebe ist eine patriarchale Indoktrinationskampagne, deren Narrativ sich seit Jahrhunderten durchsetzt. Wie gut, dass wir sie nicht brauchen. Dass wir selbstbestimmt entscheiden können, was Liebe für uns bedeutet.

Online und überall erhältlich, wo es Bücher gibt.

„Man könnte sagen, ich schreibe meine inneren Bilder ab“ – Interview mit Isabella Feimer

Isabella Feimers Lyrik spiegelt die Bewegung der Zeit wider – manchmal fließend, manchmal staccato –, sie fängt die Schönheit des Vergänglichen ein. Sie wirft Blicke auf Details; die Sprache in ihrer Zartheit und ihrem mitunter Minimalismus rahmt sie: den Wolkenausschnitt, den Zuckerguss, die Wintervögel und die Frühlingsknospen, den Saum des Nachthemds und den Balanceakt zwischen einem Ich und einem Du. Sie verfasst Poesie, die verborgene Gefühle an die Oberfläche trägt und uns die Zerbrechlichkeit und Stärke der menschlichen Existenz spüren lässt. Wir haben uns mit ihr über ihren neuen Lyrikband, den Einfluss der visuellen Künste auf ihr Schreiben und über Reisen unterhalten: 

 

Dein neuer Lyrikband „Versuch einer Verpuppung“ entstand auch inspiriert von mehreren Reisen, unter anderem spielt die abgelegene Insel Achill Island eine große Rolle – was hat dich an diesem abgelegenen Ort besonders berührt oder beeinflusst, und wie spiegelt sich das in deinen Texten wider?

Das Reisen ist der Flow, in dem für mich die meiste und auch intensivste Inspiration zu finden ist; es gibt so wundersame Orte, die ich bereisen durfte, da passiert das Schreiben fast von selbst. Achill Island war einer dieser Orte. Abgeschieden, karg und eine immense Weite innehabend. Weite ist ein guter Nährboden für Poesie; je weiter und einsamer ein Ort, desto aufdringlicher will es aus mir schreiben. Ich glaube, das hat damit zu tun, dass sich der Blick ändert, wenn er in Karges und aus der Fülle genommen wird. Der Blick fokussiert dann auf das Kleine und Zarte, und manchmal auf ein Nichts, in dem man nicht anders kann, als zu fühlen. Aber auch aus der überfordernden Fülle können meine Texte entstehen, dann, wenn ich mich nach Einsamkeit und Weite sehne.

Als Regisseurin und jemand mit einem starken Bezug zur Fotografie – inwiefern beeinflusst das Visuelle, das Bildhafte, deine lyrische Sprache? Gibt es Bilder oder Filmszenen, die als Auslöser für Gedichte dienen?

Das Visuelle hat für mich im Schreiben eine vorrangige Rolle. Als Erstes gibt es immer dieses innere Bild, eine Art emotionale Fotografie oder eine Art Filmstill, das vor allem anderen da ist, und dieses Bild begleitet mich dann eine Weile, manchmal Sekunden, manchmal Tage trage ich es in meinen Gedanken, bevor daraus dann die Worte entstehen und das Bild formen und transparent machen. Man könnte sagen, ich schreibe meine inneren Bilder ab. Bilder, Filme, Fotografien folgen mir und führen mich durchs Sein – schon immer, und ja, meine Sprache formt sich aus Visuellen, und ja, sie finden sich dann auch in meinen Texten wieder … so ist, zum Beispiel, ein Gedicht dem Bild „Die Riesin“ von Leonora Carrington gewidmet, und Bilder wie dieses oder auch einzelne Filmmomente, wie es einer in dem Film „A Crack in the World“ gewesen ist, bringen dann meine eigenen Geschichten ans Licht.

© Manfred Poor

Isabella Feimer, geboren 1976 in Niederösterreich, studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft und arbeitet seit 1999 als freie Regisseurin und Schriftstellerin in Wien. 2008/2009 Besuch der Leondinger Akademie für Literatur und 2011 Teilnehmerin des Mentoringprojekts des Bmukk. Sie schreibt Prosa, Essays, Lyrik und Theatertexte und veröffentlichte seit 2009 in diversen Literaturzeitschriften und Anthologien. Sie erhielt zahlreiche Stipendien und Preise. Zu ihren Inspirationsquellen zählen ihre Reisen, die sie gepaart mit Wanderlust und Wissensdrang auf alle fünf Kontinente führten, und die intensive Beschäftigung mit Bildender Kunst, Fotografie und Film.

Der Titel deines Bands ist „Versuch einer Verpuppung“ – ein Übergang, eine Transformation. Wie verstehst du diesen Begriff im Kontext deiner Arbeit zwischen Literatur, Film und Bildender Kunst? Ist das Schreiben für dich auch eine Form des Häutens oder Sich-Verwandelns?

Ja, der Prozess des Schreibens ist eine Häutung, ist eine Transformation, der man sich erst dann bewusst ist, wenn ein Text oder ein Band abgeschlossen ist. Für mich ist es so, dass ich das Gefühl habe, mit jedem Buch ein Stück weiterzukommen, mit mir, mit der Welt. Das Häuten geht Hand in Hand mit der Beschäftigung mit der Welt und den inneren – sagen wir mal – Abläufen. Und jetzt – da du fragst – merke ich erst, was in dem Titel steht, nämlich: der Versuch. Der Versuch, sich zurückzuziehen, sich auf das Innere zu besinnen, sich dem Inneren zu stellen und sich in dieser Konfrontation zu verwandeln. Auch glaube ich, dass es immer diesen ersten Schritt nach innen geben muss, um mit der Kunst, die man macht, nach außen gehen zu können.

Der verpuppte Kokon kennzeichnet auch ein Zwischenstadium zweier Erscheinungsformen, er steht symbolisch für einen Übergang und kann auch sinnbildlich für die Dichotomie zwischen Innen und Außen stehen. „Dazwischensein“, die Opposition zwischen Innenwelt und Außensicht, nicht zuletzt auch ein formales Changieren hin zu erzählerischeren Gedichten in den letzten Zyklen – glaubst du, dass dieses Dazwischensein einen gemeinsamen Nenner deiner hier versammelten Lyrik darstellt?

Ich möchte in meiner künstlerischen Arbeit dem Dazwischen so viel Raum wie nur möglich geben. Ich möchte ausprobieren, in den Inhalten und im Formalen. Gerade was Form betrifft, möchte ich mich nicht einschränken. Der freie Vers kann, so glaube ich, auch gern ein bisschen ins Erzählerische gehen – oder weiter ins Fragmentarische oder überhaupt in die Auslassung an sich. Und auch ein Erzählen darf lyrisch sein und voll der Poesie. Vielleicht ist das Dazwischen auch die Chance, die Innenwelt und die Außenansicht einander anzunähern, vielleicht löst sich im Dazwischen der Widerspruch auf und Innen und Außen schieben sich übereinander. Ergeben dieses Andere, dieses Etwas, das in den Zeilen vibriert.

Gibt es eine Frage, die du selbst gerne zu deinem Lyrikband gefragt werden würdest oder die du dir selbst stellst?

Vielleicht würde ich mich fragen wollen, warum es Liebesgedichte in „Versuch einer Verpuppung“ sind … vermutlich würde ich diese Frage aber nicht beantworten wollen.


Lyrik, die die Komplexität von Liebe, Verlust und Sehnsucht auf eindringliche Weise einfängt

Die Seele findet ihre eigene Sprache und erzählt: von inneren Kämpfen, stiller Freude und den ungesagten Worten, die tief in uns verborgen liegen. In drei Zyklen schreibt sich Isabella Feimer durch Orte, Zeiten, endlose Weiten und winzige Feinheiten.

 

 


Wer sind Fink & Denk? Im neuen Krimi von Ingrid Walther ermitteln eine Vogelkundlerin und eine Philosophin auf Teneriffa

Die Pension auf Teneriffa verbringen – so lautet prinzipiell der Plan von Amalia Fink, Vogelkundlerin, und ihrer besten Freundin Lydia Denk, ihres Zeichens Salzburgs bekannteste Hobbyphilosophin. Amalia will die kanarische Vogelwelt beobachten und ein Buch über sie schreiben, Lydia lenkt sie mit Vergnügen davon ab. Die beiden weilen gerne auf der Kanareninsel und genießen den Urlaub. Bis eine junge Frau namens Katie (laut Amalia ein Rotkehlchen) verschwindet, was Amalia und Lydia nicht ganz geheuer ist. Die beiden Freundinnen beginnen, ihre eigenen Nachforschungen anzustellen, und entwirren dabei ein Gestrüpp an Verstrickungen, das den gewöhnlichen Urlauber*innen verborgen bleibt …

Wir geben dir mit dieser kurzen Leseprobe einen ersten Einblick in das Buch und stellen dir die beiden Protagonistinnen genauer vor – die Autorin Ingrid Walther zeigt in ihren Steckbriefen Eigenheiten, Fähigkeiten und andere Kennzeichen von Amalia und Lydia und erklärt, was die beiden miteinander verbindet.

 

© Fotohofer.at

Ingrid Walther, geboren 1950, hatte als Soziologin, Kommunikationstrainerin und Coach schon immer mit Menschen zu tun. An den Kragen geht sie ihnen seit 2020. Natürlich nur auf schriftstellerischem Wege, denn in diesem Jahr erschien der erste Band ihrer Provence-Krimireihe rund um Florence Beaumarie, die einfach die Pension genießen will, aber so gar nicht dazu kommt. Ganz ähnlich ergeht es den Protagonistinnen in ihrem neuen Kanarenkrimi „Das Schweigen der Kanarienvögel” (HAYMONtb 2025), in dem sie Lavendelfelder gegen Vulkanlandschaft tauscht.

 

Amalia Fink und Lydia Denk …

… sind zwei ganz verschiedene Freundinnen! Die eine Vogelkundlerin mit guter Beobachtungsgabe, die andere Philosophin mit gutem Gedächtnis. Auch optisch sind sich die zwei nicht ähnlich: Amalia ist klein und kleidet sich minimalistisch, Lydia ist groß und trägt am liebsten bunte Kaftans. Und wo beispielsweise Amalia gerne schwimmt und wandert, herrscht bei Lydia eine strikte „no sports!“ Regel. Selbst in ihrem Frühstücksgeschmack unterscheiden sich die beiden …

Aber schau selbst:

 

(Bild gezeichnet von Ingrid Walther)

Amalia ist – irgendwie selbsterklärend – ein Girlitz, also ein Fink.

(Bild gezeichnet von Ingrid Walther)

Lydia ist laut Amalia ein Graureiher.

 

Und was verbindet Amalia Fink und Lydia Denk miteinander? 

Vor allem eine kongeniale Freundschaft seit der gemeinsamen Kindheit. Die beiden kennen sich, seit sie zusammen in der ersten Klasse waren. Außerdem: viel Humor! Amalia und Lydia nehmen sich, auf gut Österreichisch, gerne auf die Schaufel. Aber auch ernsthaft – obwohl sie beide sehr verschieden sind, finden sie viel Akzeptanz , Verbundenheit sowie Vergnügen an genau dieser Diversität. Beide haben Freude an ihrer jeweiligen Arbeit und (mindestens ebenso wichtig!) am Genuss, was wir in ihrem Urlaub oft sehen können. Also: Amalia und Lydia sind zwei ganz unterschiedliche, starke Freundinnen, die vor allem beide auch nichts dagegen haben, wenn sie als Emanzen bezeichnet werden. Lieben wir so sehr wie Amalia Vögel liebt!

 


Lust auf mehr?

Du willst wissen, wie Amalia Fink und Lydia Denk zusammen versuchen, das Verschwinden von Katie aufzuklären? Ingrid Walther nimmt uns mit zu schwarzen Stränden, dschungelartigen Lorbeerwäldern und kargen Vulkanlandschaften und lässt uns nicht nur Vögel beobachten, sondern auch die beiden Freundinnen gern gewinnen und natürlich mitfiebern!

„Das Schweigen der Kanarienvögel” erscheint am 10.04.2025 und ist schon jetzt in deiner Lieblingsbuchhandlung und überall, wo es Bücher gibt, vorbestellbar!