„Es muss ein Bewusstsein geschaffen werden für das, was in diesem Haus passiert ist – und in diesem Land.“ Christoph W. Bauer zur Erinnerungskultur

Der größte noch bestehende NS-Bau in Tirol ist das Neue Landhaus in Innsbruck, das 1938/39 als Gauhaus für Parteidienststellen errichtet wurde. In diesem Machtzentrum wurde der menschenverachtende NS-Terror in Tirol und Vorarlberg geplant und bürokratisch in die Wege geleitet. 1955 zog die Tiroler Landesregierung in das Gebäude ein. Die historischen Hintergründe des Baus wurden lange verleugnet und verdrängt. Im Herbst 2023 startet die erste öffentlich zugängliche Ausstellung im Landhaus, die die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit in diesem Gebäude anstoßen soll. Der Schriftsteller Christoph W. Bauer hielt anlässlich der Ausstellungseröffnung eine Rede, die zum Nachdenken anregt. 

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich gestehe es, es ist ein ungewöhnlicher Rahmen für mich, ein wenig mulmig zumute ist mir, und wenn ich heute diese Rede anlässlich der Ausstellungseröffnung Vom Gauhaus zum Landhaus halten darf, ist mir das Würdigung meiner Arbeit wie Last zugleich. Denn dieses Haus ist von der allergrößten Bedeutung für die jüngere Geschichte Tirols, es polarisiert, es löste zahlreiche Debatten aus und wird für weitere sorgen, was unser Demokratieverständnis betreffend nur zu befürworten ist. Ich bin kein Historiker, ich bin Schriftsteller und als solcher gestalte ich meine kurze Rede, ohne dabei im Detail auf Inhalte der Ausstellung einzugehen, das werden Hilde Strobl und Christian Mathies später tun.

Im Jahr 1975 wurde ich schulpflichtig, auf vier Jahre Volksschule in Kirchberg in Tirol, folgte das Gymnasium in St. Johann im Tiroler Unterland. Ich hatte auch gute Lehrerinnen und Lehrer, das muss hier gesagt werden, vor allem im Fach Geschichte, ich lernte viel über die Historie Tirols, über Margarete Maultasch, über Friedl mit der leeren Tasche, über die Schatzkammer im Schloss Ambras, über die Habsburger, über den Kampf gegen Napoleon, ich lernte über einen Hofer alles, über einen anderen nichts, nicht einmal namentlich wurde Franz Hofer im Geschichtsunterricht erwähnt.

Freilich, ich erfuhr viel über den Nationalsozialismus, aber die Darstellung in den Geschichtsbüchern und Reden meiner Lehrerinnen und Lehrer rückten ihn in eine weite Ferne. Als hätte sich der ganze Schrecken nicht auch hier bei uns, vor der eigenen Haustür zugetragen. Ich hörte von den Novemberpogromen in Wien, in Berlin, in München, in Nürnberg und in anderen deutschen Städten, ich erfuhr nichts von der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in Innsbruck und in Tirol. Ich erfuhr von Dachau, Mauthausen, Buchenwald, von Auschwitz und Treblinka, ich hörte nichts vom Lager in der Reichenau, und von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen war überhaupt nie die Rede. Auch nicht von jenen Menschen, die in den Baracken hausen mussten, an denen mein täglicher Weg in die Volksschule vorbeiführte, Zigeuner hat man sie despektierlich genannt, auch noch in meiner Kindheit und Jugend. Zunächst nach Innsbruck abgeschoben, wurden sie später nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Oder um Ihnen noch ein anderes Beispiel zu geben, wie mein Unterricht aussah:

Ein Verkehrsknotenpunkt ist Wörgl, das lernte ich in der Schule, ich erfuhr von der Giselabahn, die durchs Brixental führt, wo ich aufgewachsen bin. Namenspatronin der Bahn ist Erzherzogin Gisela Louise Marie von Österreich, die zweite Tochter von Franz Joseph I. Mit Fertigstellung der Bahntrasse im Jahr 1875 begann Wörgls Aufschwung, zuvor war der Ort ein Bauerndorf gewesen, an einer alten Durchzugsstraße im Inntal gelegen. Auch das war Schulstoff.

Christoph W. Bauer, geboren 1968 in Kärnten, wuchs in Tirol auf, wo er heute noch lebt. Er verfasst Lyrik, Prosa, Essays, Hörspiele, Übersetzungen und erhielt zahlreiche Auszeichnungen dafür, u.a. den Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb (2002), Outstanding Artist Award und Tiroler Landespreis für Kunst (beide 2015) sowie zuletzt den Anton-Wildgans-Preis (2023).

Foto: © Haymon Verlag / Fotowerk Aichner

Begleiten Sie mich, sehr geehrte Damen und Herren, ein Stück durch die Bahnhofsstraße von Wörgl, wir bleiben stehen vorm Haus Nr. 21. Dort also gingen die Heimischen in den 1920er-Jahren ein und aus, um einzukaufen „beim Jud“, wie das Geschäft im Volksmund genannt wurde. Besitzer des Geschäfts war Rudolf Gottlieb, der sich mit seiner Frau Elisabeth 1906 in Wörgl niedergelassen hatte, die Stadt war in wenigen Jahren zu einem Handels- und Gewerbezentrum geworden. Reaktionen auf den ersten Zuzug eines jüdischen Ehepaars sind nicht bekannt, die beiden mieteten zunächst eine Wohnung in besagtem Haus. Gut zwei Jahre später bekamen sie mit der Familie Ostermann neue Nachbarn, was den Wörgler Pfarrer offensichtlich erzürnte, vorwurfsvoll wandte er sich an den Vermieter: „Z’erst nimmst an Juden, und iatz gar no an Protestanten.“

Gleichwohl begann das Ehepaar Gottlieb mit dem Aufbau eines Textilgeschäfts, das regen Zuspruch fand und bald den Kauf des Hauses in der Bahnhofstraße ermöglichte. 1916 erhielt die Familie Gottlieb, mittlerweile um die drei Kinder Otto, Erwin und Irma angewachsen, das Heimatrecht in Wörgl – von größter Bedeutung für die Erringung der Staatsbürgerschaft nach Kriegsende. Diese feite sie freilich nicht vor den aggressiven Verbal-Attacken des „Tiroler Antisemitenbundes“, der 1919 gegründet wurde.

Zu tätlichen Übergriffen kam es in der Zwischenkriegszeit nicht, auch nicht in den Tagen nach dem sogenannten „Anschluss“. Das Geschäft wurde indes umgehend „arisiert“ und den Gottliebs eine Frist gesetzt, Wörgl zu verlassen. Dies geschah im März 1939, die Familie wurde nach Wien ausgewiesen. Von dort konnten die Söhne Otto und Erwin nach Shanghai flüchten, Irma und ihr Mann versuchten, mit einem illegalen Schiffstransport über die Donau ins Schwarze Meer und weiter nach Palästina zu gelangen. Das Zufrieren der Donau nötigte sie jedoch, den Winter 1939 in einer kleinen jugoslawischen Hafenstadt zu verbringen; sie durften nicht von Bord. Im Sommer 1940 wurden sie mit anderen Vertriebenen in die Nähe von Belgrad verlegt, eine Weiterreise scheiterte. Im Zug des Balkanfeldzugs 1941 holte die Wehrmacht die Flüchtlinge ein und internierte sie in Baracken am Ufer der Save.

Sondereinheiten erschossen in einer „Sühneaktion“ im Oktober 1941 alle Männer unter den Gefangenen, darunter auch Irmas Ehemann Karl Rosenberg. Frauen und Kinder wurden in ein KZ in Belgrad gebracht, wo man ihnen eine „Umsiedlung“ vorgaukelte, täglich kamen zwei Lastwägen ins Lager. Und so stieg auch das jüngste Kind von Rudolf und Elisabeth Gottlieb im Frühjahr 1942 in den Laderaum und wurde während der Fahrt durch eingeleitete Abgase ermordet. Irmas Leiche verscharrte man in Alava bei Belgrad.

In Anbetracht ihres Alters hatten die in Wien zurückgeblieben Eltern kaum noch eine Möglichkeit, die Stadt zu verlassen. Mit Ausbruch des Kriegs verschlechterte sich ihre Situation drastisch. Zuletzt lebte das Ehepaar Gottlieb im II. Bezirk in der Großen Mohrengasse 14. Im Oktober 1942 wurde es nach Theresienstadt verschickt und überlebte die katastrophalen Zustände dort nur um wenige Monate.

Davon erfuhr ich in der Schule nichts. Man mag einwenden, dass die Aktenlage damals noch eine andere war und die Archive für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschlossen waren, das stimmt zweifelsohne. Aber mittlerweile hat sich die Lage geändert, Dank der Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck wurde vieles sichtbar gemacht, wie auch durch Künstlerinnen und Künstler und andere kritische Geister in diesem Land. Das Schicksal der Familie Gottlieb ist bekannt und sollte Schulstoff sein. Wie auch die Geschichte dieses Hauses, in dem wir uns befinden, Schulstoff sein sollte, denn was in diesem Haus damals beschlossen und angeordnet wurde, hatte weitreichende und verheerende Folgen. Wer in diesem Haus seit seiner Errichtung und bis Kriegsende ein und aus ging, wer hier Dekrete diktierte, wer sie unterschrieb und weiterleitete, hat sich mitschuldig gemacht. Da gibt es nichts zu beschönigen, das muss sichtbar gemacht werden. Und darum geht es in dieser Ausstellung: um Sichtbarmachung von Geschichte. Um Sichtbarmachung, so hoffe ich, vor allem auch für junge Menschen.

Aber warum denn das alles, kann man diese Geschichte nicht endlich ruhen lassen? Nein, das kann man nicht, mehr noch: das darf man nicht! Und die Frage ist ja nicht neu, ich hörte sie bereits in meiner Kindheit und Jugend, ich hörte sie als Schriftsteller, als ich über das Schicksal der Familie Graubart schrieb und über weitere jüdische Familien, die aus Tirol vertrieben wurden. Über die Familien Bauer und Schwarz, über die Familie Pasch, über Hans und Felix Heimer, über Abraham Gafni und Peter Gewitsch, Menschen, die ich in Israel und England aufsuchte, mit denen ich Gespräche führte, Gespräche führen wollte und musste, ehe es dafür zu spät ist. Die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen haben mir ihre Geschichten anvertraut, Geschichten, die ihre Schicksale am Leben erhalten über ihren Tod hinaus. Meine Arbeit verstehe ich in diesem Sinn auch als ein Anschreiben gegen das Vergessen.

Und ich will und werde nicht lockerlassen, im Auftrag des Tiroler Landestheaters habe ich in den vergangenen Monaten ein Stück geschrieben, das bald Premiere haben wird. Kein herkömmliches Stück, nein, ein Klassenzimmerstück, das von Flucht und Vertreibung in der Zeit des Nationalsozialismus spricht und Jugendlichen die Thematik näherbringen soll. Mobiles Theater in ganz Tirol, von einer Klasse in die nächste, ein Stück für Jugendliche, das Geschichte sichtbar machen und ihr ein Gesicht geben soll. Von Verantwortung ist in dem Stück die Rede, von der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen, oder um es mit dem bildendenden Künstler Franz Wassermann zu sagen: Wir haften für unsere Geschichte. Aber nichts ist falscher, fataler als Jugendlichen gegenüber heute von Schuld zu sprechen, das greift zu kurz und darüber hinaus längst nicht mehr, damit erreichen wir junge Menschen nicht. Abgesehen davon, sie haben selbstredend keine Schuld, wie auch ich in meiner Schulzeit keine hatte, die drei Jahrzehnte nach Kriegsende begann.

Aber haben Jugendliche heute nicht andere Probleme? Haben sie. Und mir ist klar, dass auch der Unterrichtstoff inzwischen enorm angewachsen ist. Mit einem befreundeten Lehrer, der Geschichte an einer Hauptschule unterrichtet, habe ich oft darüber gesprochen. Der Fall der Mauer, der Zerfall Jugoslawiens und der Sowjetunion, die Balkankriege, 9/11 all das ist mittlerweile Lehrstoff. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass die Auseinandersetzung mit der regionalen Geschichte während der Zeit des Nationalsozialismus von immenser Wichtigkeit ist, da sie den Blick schärft und in der Folge über den eigenen Tellerrand schauen lässt.

Und dieser Teil der regionalen Geschichte beginnt ja nicht am 11. März 1938 und endet im Mai 1945, er beinhaltet auch die Jahre des Austrofaschismus und die Nachkriegszeit, in der sich viele Menschen in diesem Land der Verantwortung entledigten wie eines abgetragenen, zerfledderten Anzugs. Oder ihre Gesinnung weiterhin ohne jegliches Schuldbewusstsein schamlos zur Schau stellten.

Während der Arbeit an dieser Rede, kam mir ein alter Mann im Dorf meiner Kindheit in den Sinn. Meine Freunde und ich spielten oft auf einem Feld nahe dem Haus des Alten Fußball und jedes Mal stapfte er wütend auf uns zu, wild mit seinem Gehstock fuchtelnd und bellte uns an auf gut Brixentoierisch: I drah enk s Gas ob. Auf seiner Oberlippe ein Hitlerbart.

Und ich erinnerte mich an die Landsergrauen Gestalten, die ich bei jedem Kirchgang beim Kriegerdenkmal stehen sah, sie gingen ja lieber ins Wirtshaus, Gottgläubige eben durch und durch. Hoben sie das Glas auf ihn, den Gauleiter, als der im Jahr meiner Einschulung 1975 in Mühlheim an der Ruhr eines natürlichen Todes starb, ohne je für seine Schandtaten zur Verantwortung gezogen worden zu sein. Der hier in diesem Haus bis 1943 ein und ausging, ehe er von Bozen aus seine menschenverachtende Politik weiter betrieb. Der hier in diesem Haus die Fäden in der Hand hatte; der hier in diesem Haus sich rühmte, den Gau „judenrein“ gemacht zu haben, ehe er in eine Bar ging, um sich zu treffen mit Seinesgleichen, in die Hiebl-Bar eines Totenkopf-SSlers in der Maria-Theresien-Straße, ein arisiertes Lokal, das man der Familie Schindler gestohlen hatte. Alles ging über seinen Tisch im Gauleiterzimmer, dessen Einrichtung Bände spricht vom Geschmack des ehemaligen Radioverkäufers und Briefmarkendiebs.

Und ich erinnerte mich an das Raunen, das jedes Mal anhob, wenn die Rede – etliche Jahre später, ich lebte bereits in Innsbruck und recherchierte für ein Buch, dessen Inhalt die Stadt Innsbruck selbst ist – wenn also die Rede auf das Gauleiterzimmer kam oder auf den Gauleitertresor, als würde es sich um Mysterien handeln, die viele Jahrzehnte durch Köpfe spukten – und denen diese Ausstellung Abhilfe schafft.

Dieses Haus ist ein Unikum, es findet keinerlei Entsprechung in anderen Gauhäusern der damaligen Gauhauptstädte. Es wurde geplant als Zeichen der Macht und ist dem Baustil jener Zeit geschuldet, darüber werden Sie später mehr hören. Schaue ich mir alte Ansichten von Innsbruck an, wirkt das Haus noch wuchtiger und ich bekomme ein Gespür dafür, wie das Haus damals auf die Menschen gewirkt haben muss, ein beinahe angsteinflößender Bau, der Ansitz uneingeschränkter Macht. Aus heutiger Sicht bietet das Haus die Gelegenheit zur direkten Konfrontation mit der Vergangenheit. Und ich selbst lerne durch die Ausstellung und das Buch Vom Gauhaus zum Landhaus von Hilde Strobl und Christian Mathies neues hinzu.

Vor fünfzehn Jahren erschien mein Buch Graubart Boulevard. Es handelt von der Familie Graubart, die einst aus Galizien über Wien nach Innsbruck kommt. Simon Graubart eröffnet hier im Jahr 1888 ein Schuhgeschäft, das Schuhhaus Graubart, das sich zuletzt in der Museumstraße 8 befindet. Simon Graubart ist zweimal verheiratet, er hat drei Söhne – Siegfried, Alfred und Richard – die alle in Innsbruck geboren werden, hier die Schule besuchen und später zu arbeiten beginnen. Die Familie ist – wie die meisten anderen jüdischen Familien in Innsbruck auch – nicht sehr religiös, sie will nicht auffallen, sie will einfach, was auch andere Menschen in der Stadt wollen, ein gutes Leben führen, sommers auf Berge kraxeln, im Winter Schifahren oder Rodeln gehen.

Als Simon Graubart 1936 stirbt, ist die Bestürzung über seinen Tod in der Stadt groß, was eine Todesanzeige in den Innsbrucker Nachrichten bezeugt, dem Vorläuferblatt der heutigen Tiroler Tageszeitung. Zwei Jahre nach Simon Graubarts Tod wird sein jüngster Sohn Richard in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in seiner Villa in der Gänsbacherstraße Nummer 5 von einem Rollkommando der SS ermordet, eines von vier Todesopfern jener Schreckensnacht. Graubarts Frau Margarethe und seine damals vierjährige Tochter Vera werden nach Wien abgeschoben, von dort gelingt ihnen die Flucht nach England.

Was ich damals, als ich an dem Buch schrieb, noch nicht wusste – und das bringt mich jetzt auf das Gauhaus zurück, dass zu dessen Errichtung andere Gebäude auf dem Areal geschleift werden mussten. Das Problem aber war, dass diese Häuser bewohnt waren und man für die Bewohnerinnen und Bewohner neue Unterkünfte auftreiben musste. Die Saggener Villa der Graubarts mit zwei Wohnungen war bereits vergeben, dort lebten der Bürgermeister von Innsbruck und der Direktor der Stadtwerke, aber es gab ja noch die drei Wohnungen über dem arisierten Schuhgeschäft in der Museumstraße, die auch der Familie Graubart gehörten. Also bot man unter anderen auch diese Wohnungen an. Was ich damit sagen will: Die Beschäftigung mit der Vergangenheit kommt nie an ein Ende, sie liefert immer wieder neue Einsichten.

Was reitet der Bauer bloß immer auf der Vergangenheit herum, wir leben im Hier und Jetzt! So ist es, sehr geehrte Damen und Herren, wir leben im Hier und Jetzt, und gerade deshalb scheint eine Beschäftigung mit der Vergangenheit aufs Äußerste geboten zu sein. Wir leben in einer Zeit, in der antisemitische Stereotypen wieder durch die Hintertür hereinkommen, in einer Zeit, in der Jüdinnen und Juden erneut Übergriffe fürchten müssen. Und wie erklären wir einem Kind oder Jugendlichen, warum Polizei vor der Synagoge in der Sillgasse Aufstellung nimmt, um das Gebetshaus und jene, die es betreten oder verlassen, zu schützen. Wer also behauptet, mit der Vergangenheit haben wir nichts mehr am Hut, der oder die irren ganz gewaltig. Auf diese Art und Weise wird unsere Demokratie aufs Spiel gesetzt.

Wir leben in einer Zeit der Islamophobie, der Homophobie, in einer Zeit des Populismus, ob der nun von rechts oder links kommt, spielt keine Rolle. Wir leben in einer Zeit, in der ein Begriff wie Faschismus inflationär verwendet wird, was darauf schließen lässt, dass jene, die das Wort im Mund führen, einfach nichts wissen, ja, wir leben in einer Zeit des Unwissens. Was daraus resultiert, ist offensichtlich, wir leben in einer Zeit des Fremdmachens, was nicht hierher passt, wird fremdgemacht, es wird diskriminiert, es muss weg. Auf diese Methode verstanden sich schon die Nationalsozialisten, wohin das geführt hat, ist wohl jeder und jedem hier bekannt.

Wir müssen uns der Vergangenheit stellen, wenn wir nicht wollen, dass sie uns zur Gegenwart wird. Wir dürfen Kindern, Jugendlichen, wir dürfen Menschen nicht nehmen, worauf sie ein Recht haben: ein Recht auf Wissen.

Diese Ausstellung sorgt für Wissenserweiterung. Aber die Ausstellung darf nicht nur ein Punkt auf der Tagesordnung bleiben, eröffnet, rasch abgehakt und weiter geht’s. Die Inhalte der Ausstellung müssen ins Bewusstsein der Menschen übergehen. Es muss ein Bewusstsein geschaffen werden für das, was in diesem Haus passiert ist – und in diesem Land.

Es ist nie zu spät, Verantwortung zu übernehmen, wenngleich es selbstverständlich längst an der Zeit gewesen ist, die Geschichte dieses Hauses sichtbar zu machen. In diesem Sinne danke ich jenen, die dies ermöglicht haben, so wie ich Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, für Ihre Aufmerksamkeit danke. Herzlichen Dank.

 

Christoph W. Bauer am 4. Oktober 2023

Coming of Age in Österreich: Drei Haymon-Autor*innen im Interview

Ach, Kindheitserinnerungen: Mit dem Postbus ewig in die Schule brauchen, Jollyeis im Freibad im Sommer genießen, Skifahren lernen (bevor man überhaupt Lesen und Schreiben kann) … Viele Erinnerungen teilen wir mit anderen, viele sind ganz unterschiedlich: Es gibt unzählige verschiedene Lebenswelten in diesem Land, so viele einzigartige Kindheiten und Coming-of-Age-Erlebnisse in Österreich. Vieles, was fast schon als kollektives Kindheitsgedächtnis zählt, ist nur eine Seite, eine Perspektive. Jede*r hat schöne, aber auch schwere Erinnerungen. Vielleicht auch welche, an die man nicht so gern zurückdenkt oder auch erst als Erwachsene*r richtig einordnen kann. Was hat sich seitdem geändert, was ist genau gleichgeblieben? Was vermisst man – und was gar nicht? Im Interview erzählen Nada Chekh, Herbert Dutzler und Precious Chiebonam Nnebedum vom Eiskunstlaufen und Comiclesen, von den Süßigkeiten, die unsere uns Eltern niemals erlaubt hätten (hätten sie davon gewusst) und von den Lektionen, die sie erst heute verstehen gelernt haben …

Nada Chekh ist kritisch, laut und ehrlich. In den 1990ern und 2000ern wuchs sie im Wiener Gemeindebau auf. Heute schreibt sie als Journalistin darüber, was die multiethnische Community in Österreich bewegt.
Foto: © Zoe Opratko

Was ist deine prägendste oder präsenteste Kindheitserinnerung?

Nada Chekh: Es gibt viele Erinnerungen aus meiner Kindheit, die mir – je nach Gefühlslage – in den Kopf kommen. Als ich zwölf Jahre alt war, wollte ich unbedingt Eiskunstläuferin werden. Mich in einem Verein anzumelden, konnten sich meine Eltern damals nicht leisten, aber dafür hat mein Vater mich mehrmals die Woche zu einem Eislaufplatz gebracht, wo ich nach der Schule abends zwei Stunden lang üben konnte. Einmal hatte ich den ganzen Platz im Außenbereich für mich alleine, und es schneite gerade so richtig dicke Flocken, und der Himmel war ganz erleuchtet davon, obwohl die Sonne bereits vor Stunden untergegangen war. Ich drehte ganz glückselig ein paar einfache Pirouetten vor mich hin und spürte so eine Ruhe in mir, wie selten zuvor. Lustigerweise erinnert mich der Song „Blue Dress“ von Depeche Mode an diesen Moment, obwohl ich mir gar nicht sicher bin, ob dieses Lied damals über die Anlage gespielt wurde.

Herbert Dutzler: Wenn ich versuche, mich zurückzuerinnern, fallen mir fast nur Szenen im Freien ein, wo ich mit anderen Kindern zusammen war. Meist beim Radfahren, Fußball spielen oder einfach nur im riesigen Haselnussbusch herumhängen. Ein besonderer Nachmittag sticht aber heraus: Ich war in Bad Aussee bei einem Schulfreund zu Besuch, der eine riesige Sammlung von Micky-Maus-Heften hatte. Ich bin den ganzen Nachmittag auf der Veranda gesessen, der Regen rauschte durch die Bäume im Garten, und ich war völlig in die Comics vertieft.

Precious Chiebonam Nnebedum: Die präsenteste Erinnerung, die ich an meine Kindheit habe, muss mein siebter Geburtstag sein. Das war das Jahr, in dem ich jeden einzelnen Tag genossen habe, und es scheint wirklich sehr, sehr bedeutsam in meiner Erinnerung zu sein. Um ehrlich zu sein, habe ich an dem Tag nicht viel gemacht, aber eine Sache, die ich sehr lebhaft erinnere, ist, dass ich zu Hause einen kleinen Kuchen mit meinen Cous*inen gegessen habe, die zu Besuch gekommen waren. Danach habe ich ein bisschen Geld von der Familie bekommen, und es war nicht einmal viel, aber für eine Siebenjährige war ich reich. Ich bin damit mit meinen Cous*inen zum Laden an der Ecke gegangen und habe Süßigkeiten und Milchpulver gekauft, denn das war für uns damals eine Delikatesse, R.I.P. an unsere Zähne.
Ich bin mir zwar nicht hundertprozentig sicher, aber ich glaube ich habe auch eine Geburtstagskarte bekommen. Es muss eine rosa und blau glitzernde Geburtstagskarte gewesen sein, ich habe vergessen, von wem. Und ich war einfach glücklich. Es ist nicht viel passiert, aber aus irgendeinem Grund wusste ich, dass dieses Alter der Höhepunkt war. Und jedes Mal, wenn ich denke, oh Mann, Erwachsensein ist eine Abzocke, erinnere ich mich an mein siebtes Jahr zurück. Denn damals war ich einfach am glücklichsten.

Herbert Dutzler ist in den 1960er Jahren in Altaussee im Salzkammergut großgeworden, heute schreibt er Bestseller.
Foto: © Haymon Verlag / Fotowerk Aichner

 

Was waren die größten Kämpfe, die du als junge*r Erwachsene*r ausfechten musstest?

Precious Chiebonam Nnebedum: Ich bin sehr dankbar und erkenne an, dass ich zu den wenigen POC in Österreich gehöre, die das Privileg hatten, in sehr jungen Jahren die Möglichkeit geboten zu bekommen, einflussreich zu werden und eine beeindruckende Liste von Erfolgen anzuhäufen. So sehr ich weiß, dass dies eine lobenswerte Tatsache ist, ging es auch mit vielen Unsicherheiten, Zweifeln und Fragen einher. Eine der größten hatte definitiv damit zu tun, ob ich überhaupt das Recht hatte, in bestimmten Räumen zu sein, in die ich hineinging. Ich betrat politische Räume, ich betrat leitende, autoritäre Räume und Rollen, und jedes Mal hinterfragte ich die Tatsache, ob es einer jungen Schwarzen Frau erlaubt war, dort zu sein, ob sie dort sein sollte und ob sie überhaupt etwas Wertvolles beizutragen hatte oder ob sie einfach nur eine Beobachterin sein durfte. Ich denke, das Schwierige daran war, dass mir klar wurde, dass das nur in meinem Kopf war, aber aus irgendeinem Grund war es dennoch sehr schwer, diese Hürde zu überwinden und einfach zu handeln.
Ich muss wirklich Anerkennung zollen, wo Anerkennung gebührt, und offenlegen, dass es nur durch die Gnade Gottes war, dass ich in den meisten Fällen tatsächlich gehandelt und gesprochen habe. Ich habe eine Einstellung entwickelt, die besagt: „Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn nicht ich, wer dann?“ Ich könnte nie sagen, dass es allein meine Leistung war. Ich verdanke das dem Support und Rückhalt von den Menschen um mich herum – meinen Geschwistern, meiner Familie, meinem Partner, meiner Community. Menschen, die Dinge in meinem Leben gesehen und über mich gesprochen haben, so oft, dass ich einfach daran glauben musste. Ich musste daran glauben, um weiterzukommen, und letztendlich habe ich das getan.

Herbert Dutzler: Da ging es vor allem um Kleidung und Haare. Meine Eltern hatten wenig Verständnis dafür, dass es unbedingt Jeans sein mussten, und noch dazu welche einer bestimmten Marke (Levis). Später mussten Jeans her, die einen V-Cut am Knie hatten, der irgendwann in den Siebzigern ein modisches Must-have war. Und unten mussten sie so weit ausgestellt sein, dass man die Schuhspitzen drinnen verstecken konnte. Die Haare waren auch ein ständiges Thema. Sie mussten zumindest so lang sein, dass man sie unterhalb der Ohren zusammenführen konnte, sonst war man komplett und völlig out. „So stellt sich der Bub nicht unter den Christbaum!“, hieß es, wenn die Frisur für die Feiertage dem Vater unpassend erschien.

Nada Chekh: Ich glaube, dass im Allgemeinen der Kampf um meine Privatsphäre der schwierigste in meiner Jugend war. Also nicht nur räumlich – es gab in unserer Wohnung nur drei Schlafzimmer für fünf Kinder und meine Eltern – sondern auch persönlich. Solange man finanziell und strukturell von seiner Familie abhängig ist, gelten auch deren Regeln unter dem Dach. Je erwachsener ich wurde, desto mehr spürte ich gewisse Rollenbilder, die mir als Frau auferlegt wurden. Dazu gehörte nicht nur, keinen Kontakt zum anderen Geschlecht zu haben, sondern auch eine Unfreiheit über meinen eigenen Körper. Als Jugendliche reagierte ich sehr empfindlich und frustriert auf diese Kontrolle, das hat mich ziemlich geprägt. Ich habe mich zudem nie mit meiner Religion wirklich identifiziert, was mich eine Stufe weiter von meiner Familie, meiner Muttersprache und den Sitten entfremdet hat.

 

Precious Chiebonam Nnebedum wuchs in Nigeria und Österreich auf. Nachdem sie zahlreiche Poetry-Slam-Bühnen gestürmt hat, lebt die Lyrikerin und Musikerin heute in Wien.
Foto: © Ella Börner

Gibt es etwas, das dir deine Eltern früher vermittelt haben, das für dich heute noch sehr wichtig ist? Oder gibt es vielleicht Haltungen, Werte, die dir deine Eltern mitgegeben haben, die du irgendwann beim Älterwerden verworfen hast?

Herbert Dutzler: Meine Mutter hat mich ab der ersten Klasse Volksschule wöchentlich in die Bibliothek mitgenommen, wofür ich ihr heute noch dankbar bin. Das Regal mit den Büchern für Leseanfänger war für mich die reinste Wunderkammer, und ich hatte alle Bücher darin noch vor dem Ende der ersten Klasse durch. Die politische Einstellung meiner Eltern und ihre Haltung fremden Menschen gegenüber ist ein Wert, den ich mit etwa 16 endgültig verworfen habe. Ihre Haltung war von distanzloser Verherrlichung einer schrecklichen Vergangenheit geprägt, was später auch zu gröberen Auseinandersetzungen geführt hat, als mein politisches Interesse erwachte und in eine völlig andere Richtung ging.

Nada Chekh: Heute finde ich es sehr schade, dass ich mich in meiner zweiten Muttersprache Arabisch niemals wohlgefühlt habe, obwohl meine Eltern mehrere Offensiven dazu gestartet haben, dass ich richtig lesen und schreiben lerne. Leider hat es mit Diktaten von Koransuren und Gebeten beim Sprachunterricht kaum funktioniert, weil ich nicht religiös war. Das ist so eine Sache, die ich meinen Eltern beim Aufwachsen vorgeworfen habe – dass sie mir die arabische Sprache vor allem über die islamische Religion näherbringen wollten, obwohl ich mich sehr heftig dagegen gesträubt habe. Auch über die Tatsache, dass die Bekannten meiner Eltern sich ohne Weiteres über meinen deutschen Akzent lustig machen konnten, habe ich mich lange geärgert. Mittlerweile sehe ich das gelassener, womöglich weil ich stattdessen Russisch gelernt habe und zuhause mit meinem Mann eine quasi „neue Muttersprache“ spreche, die ich an meine Kinder weitergeben würde, sollte ich eines Tages welche haben.

Precious Chiebonam Nnebedum: Eine der vielen Haltungen, die ich von meinen Eltern übernommen habe, ist die „offene-Haustür-Regel“. Unser Zuhause war immer offen, für jeden, seien es Cous*inen, die kamen und übernachteten. Wir hatten Tanten, Onkel, wir hatten Freund*innen, die kamen und übernachteten. Es wurde nie wirklich in Frage gestellt, ob wir genug zu bieten und teilen hatten, es war einfach die Tatsache klar, dass Menschen Bedarf hatten und wir immer bereit waren, zu helfen. Das ist etwas, dem ich auch heute noch folge. Immer wenn Freund*innen oder Familie oder wer auch immer in meiner Nähe sind, ist meine erste Aussage: „Hast du einen Platz zum Schlafen? Möchtest du bei mir bleiben?“ „Möchtest du abhängen? Ich kann für dich kochen. Du kannst kommen und so lange bleiben, wie du möchtest.“ Das ist mir zuallererst von meinen Eltern eingeprägt worden, bevor es später von Freund*innen und meiner Community verstärkt wurde.
Es gibt jedoch auch bestimmte Dinge, die ich von meinen Eltern gelernt habe und von denen ich mich nun langsam distanziere. Eines davon wäre die Vorstellung, dass Kreativität oder der Wunsch, kreativ zu arbeiten und eine Karriere daraus zu machen, definitiv in einer Sackgasse enden wird. Mir wurde tausendmal gesagt: „Ja, du kannst schreiben, du kannst auftreten, du kannst singen, du kannst all das tun. Aber du brauchst einen richtigen Job. Du brauchst einen richtigen Abschluss.“ Ehrlich gesagt sehe ich die Wahrheit in dieser Angst. Aber ich weiß trotzdem, dass es so viel Potenzial gibt, wenn man die Disziplin und die Arbeit und den Aufwand investiert, um eine Karriere im kreativen Bereich zu starten und aufrechtzuerhalten. Etwas, das ich immer noch anstrebe.

Welcher Sache – das kann ein Lied, eine Fernsehsendung, eine Süßigkeit etc. sein –, die es nicht mehr gibt, träumst du heute noch hinterher?

Nada Chekh: Ui, da gibt es mehrere Sachen. Es gab in Wien ein supertolles Café namens Berfin, das ich als junge Studentin mit meiner Mutter und meinen Geschwistern gerne besucht habe. Es hatte ein wunderbares orientalisches Flair, ohne kitschig zu sein. Wir waren früher manchmal sogar mehrmals die Woche dort, haben Shisha geraucht und miteinander getratscht, da habe ich sehr schöne Erinnerungen daran. Und das erste (und letzte) Mal, als ich in Ägypten war, war mit sechs Jahren. Ich kann mich gut an den Strand in Alexandria erinnern, wo es Verkäufer gab, die Freska – so eine Art Honigwaffel – verkauften. Als Kind habe ich diese Süßigkeit geliebt, aber eben nur bei diesem einen Besuch gegessen. Bis heute denke ich an diese großen, runden Waffeln und frage mich öfter, ob ich sie jemals wieder essen werde.

Herbert Dutzler: Die großen Samstagabendshows, die es heute kaum mehr gibt, waren absolute Straßenfeger, und die ganze Familie saß gebannt vor dem Fernseher. Die beliebteste von allen war „Einer wird gewinnen“ mit Hans Joachim Kulenkampff. Und den habe ich sogar einmal auf dem Balkon seines Pensionszimmers in Bad Aussee gesehen (von unserer Terrasse aus). Das war eine echte Sensation. Allerdings gibt es die meisten dieser Shows auch heute noch zu sehen – Youtube vergisst nichts!

Precious Chiebonam Nnebedum: Definitiv die Fernsehsendung: „The Grim Adventures of Billy and Mandy“ aus meiner Kindheit!

Warum wir 2023 noch über die Protagonistinnen der 1848er-Revolution diskutieren müssen und wie sich Geschichtsvernebelung aus dem 19. Jahrhundert bis in unsere Zeit fortschreibt. Ein Interview mit Andreas Kloner

Der Zauberer vom Cobenzl“ von Bettina Balàka ist eine mitreißende und kuriose Geschichte von einem schillernden Wissenschaftler und Entdecker, der dem Altersstarrsinn anheim fällt und sein Denkmal beschädigt. Der Roman ist auch ein lebendiges Epochenbild, das uns Leser*innen aus einer weiblichen Perspektive heraus eintauchen lässt in eine Zeit der Umbrüche, in eine Zeit des erwachenden Widerstands und die Geburtsstunde der ersten politisch organisierten Gruppe, die sich im Kaiserreich der Gleichstellung von Frauen und Männern verschrieb.

Während so manche Begegnung und Bekanntschaft in Bettina Balàkas fiktivem Roman geschichtlich nicht belegbar ist, fußen viele Begebenheiten auf breitem historischen Konsens: Etwa die Rolle der ersten Wiener Frauendemonstration 1848 kurz vor der sogenannten Praterschlacht, oder der solidarische Einsatz des „Ersten Wiener Demokratischen Frauenvereins“

Der Journalist und Autor Andreas Kloner arbeitet seit 2003 als Sendungsgestalter für den Österreichischen Rundfunk, Deutschlandradio Kultur, Radio France und andere europäische Kultursender.
Fotocredit: privat

Obwohl die Ereignisse des Revolutionsjahrs gut dokumentierter Gegenstand geschichtlicher Forschung sind und sich auch im Stadtbild verschiedentlich manifestieren (so gibt es etwa einen Platz der Erdarbeiterinnen im 2. Bezirk), kamen schon während der Recherche am Roman und nach der Veröffentlichung Widersprüchlichkeiten und weit verbreitete Fehlannahmen ans Tageslicht.

Immer wieder wurden wir zum Beispiel mit dem Wikipedia-Eintrag des Protagonisten Karl von Reichenbach konfrontiert, der eine der Hauptfiguren, Ottone, fälschlicherweise nicht anführt. Wo liegt die Ursache für faktische Fehlinformationen, fehlende Quellen und offensichtliche Geschichtsklitterung, die anscheinend unwidersprochen kursieren?

Wir haben Andreas Kloner interviewt, um das herauszufinden, der Journalist und Schriftsteller forscht aktuell selbst für ein Buch über Karoline Perin. Über die 1848-er Revolution, Stolpersteine bei der Recherche und patriarchale Traditionen der Geschichtsschreibung haben wir uns mit ihm unterhalten.

Lieber Herr Kloner, Bettina Balàkas Roman versetzt seine Leser*innen in eine bewegte Epoche. 1848 wurde das Kaiserreich von Aufständen erschüttert, neben Autonomiebestrebungen einzelner Kronländer hatte die Revolution auch eine Verbesserung der Lebensumstände der Bevölkerung zum Ziel. Lassen Sie uns kurz in den historischen Kontext eintauchen:

Um die Zusammenhänge während der europäischen Revolutionszeit 1848/49 einordnen zu können, empfehle ich das neue Buch von Christopher Clark „Frühling der Revolution“, in dem der Autor den Leser*innen auf mehr als tausend Seiten eine Gesamtschau der Ereignisse und Beweggründe bietet. In Österreich brach sich die Revolution Bahn von etwa Mitte März 1848, mit der Forderung nach einer Verfassung und nach Pressefreiheit, im Mai 1848 folgte der Studentenaufstand und der damit verbundene Bau zahlreicher Barrikaden innerhalb der Wiener Stadtmauern. Die Geschehnisse gipfelten in der Demonstration der Erdarbeiter*innen und dem Pratermassaker vom 23. August. Die Ermordung des verhassten Kriegsministers Latour, am 6. Oktober 1848, bildete Argument und Auftakt zur Konterrevolution, die den Aufstand Ende Oktober 1848 blutig niederschlagen ließ. Zart gesprossene liberale und demokratische Pflänzchen wurden zertreten. Das nachhaltigste Ergebnis der Wiener Revolution 1848 war die Bauernbefreiung unter der Ägide von Hans Kudlich.

In dieser turbulenten Zeit kommen zwei Protagonistinnen des Romans – Hermine und Ottone – mit revolutionären Kreisen in Berührung und wir erfahren viel über das Engagement von Teilen der Aristokratie und des Bürgertums. Wir lernen im Roman auch Protagonistinnen der entstehenden Frauenbewegung kennen. Welche Rolle spielte etwa der „Erste Wiener Demokratische Frauenverein“ in dieser Zeit?

Ob Hermine und Ottone Reichenbach definitiv mit den revolutionären Kreisen in Berührung gekommen sind, dazu sind die Quellen zurzeit nicht ausreichend. Die literarische Freiheit Bettina Balàkas, die Schwestern Reichenbach als Mitglied des „Ersten Demokratischen Frauenvereins“ aufscheinen zu lassen, könnte allerdings von der Realität durchaus overruled werden, falls in einer Petition des Frauenvereins an den am 17. Oktober 1848 tagenden Reichstag auch die Unterschriften von Hermine und Ottone auftauchen sollten. Da bin ich noch auf der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. An einer kleinen, inneren Revolution haben Hermine und Ottone ohne Zweifel teilgenommen, nämlich die Entscheidung, ihren despotisch-psychopathischen Vater in einer regelrechten Nacht- und Nebelaktion zu verlassen.

Was den „Ersten Wiener demokratischen Frauenverein“ betrifft, bin ich mir nicht sicher, ob sich dieser die politisch heißen Themen, wie Gleichberechtigung oder gleiche Bildung für Frauen, von Anfang an auf die Fahnen geheftet hat. Gegründet wurde der Verein, nachdem ein Protest von Erdarbeitern, aber vor allem auch Erdarbeiterinnen, die wegen einer einschneidenden Lohnkürzung protestiert hatten, von der Exekutive brutal niedergeschlagen wurde. Es gab eine große Anzahl an Toten und Verletzten. Für diese Arbeiterinnen und deren Kinder wollte sich der Frauenverein – so ist es in einem ersten handgeschriebenen Entwurf der Statuten noch zu lesen! – ausschließlich karitativen Angelegenheiten widmen. Wenige Tage später erschienen die Statuten gedruckt. Der karitative Inhalt war jedoch in den Hintergrund gerückt. Plötzlich dominierten die brisanten politischen Forderungen, um offenbar dem Demokratiegedanken dieser Tage Rechnung zu tragen.

Was wurde aus den Forderungen des Frauenvereins und was geschah nach der Niederschlagung der Revolution?

Die Forderungen des 1848er-Frauenvereins, wie Gleichberechtigung und Schulbildung für alle, wurden, wie es bei uns so schön heißt, nicht einmal ignoriert. Allein bei dem Begriff „Gleichberechtigung“ dürften die Männer (aber auch ein Großteil der Frauen) tief nach Luft gerungen haben. – Transferieren wir eine derartig unmögliche Möglichkeit in die heutige Zeit: Vor wenigen Jahren wäre es völlig unvorstellbar gewesen, von rauchfreien Lokalen zu träumen! Heute ist es – zumindest aus meiner persönlichen Erfahrung heraus – eine Selbstverständlichkeit. – Gehen wir einen Schritt weiter, in unsere Tage: Hier wird das Anliegen, neben der männlichen stets auch die weibliche Form zu schreiben und auszusprechen, mehrheitlich noch immer als „Genderwahn“ wahrgenommen. So manchem graut vor einem Gender-Doppelpunkt, -Sternchen, -Binnen-I, -Unterstrich noch immer derartig, als wären sie der in diakritische Zeichen gegossene Gott-sei-bei-uns höchstpersönlich. Die Rede vom alten, weißen Mann ist jetzt zwar auch nur ein Klischee und Narrativ (auch ich bin alt und weiß), aber es gibt ihn immer noch. – Ob die damaligen Forderungen des Frauenvereins nach Gleichberechtigung im Heute des 21. Jahrhunderts bereits zur Gänze angekommen sind, darf sich jede*r selbst ausrechnen.

Bei den Nachforschungen zu ihrem Roman stieß Bettina Balàka auf Ungereimtheiten und Hindernisse. Zur Existenz Ottones von Reichenbach gibt es wohl widersprüchliche Darstellungen, zum demokratischen Frauenverein gibt es noch nicht einmal einen deutschsprachigen Wikipedia-Eintrag (Anm.: Stand 18.10.2023). Sie recherchieren aktuell an einem Buch über Karoline von Perin, die unter anderem die Vorsitzende des ersten politischen Frauenvereins in Österreich war.  Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass die Errungenschaften dieser mutigen Frauen im öffentlichen Diskurs so wenig präsent sind. (Ganz zu schweigen vom hohen Preis, den sie für ihren Einsatz bezahlen mussten.)

Eine sehr komplexe Frage, die einer komplexen Antwort bedarf. Was die Existenz Ottones betrifft, wäre diese gar nicht so widersprüchlich, wenn nicht der Name „Wurzbach“, der Verfasser des „Biographischen Lexikons des Kaiserthums Österreich“, nicht derartig wuchtig nachwirkte. Im konkreten Fall geht es um seinen 150 Jahre alten Eintrag, es habe einen „Otto Eugen“ (Reichenbach) gegeben, während Bettina Balàka in ihrem Roman „behauptete“, es handle sich um eine „Ottone Eugenie“. So.

Wenn nun die in der Gegenwart lebende (weibliche!) Bettina Balàka, die einen historischen Roman geschrieben hat, dem historisch-biographisch arbeitenden (männlichen) Konstantin von Wurzbach – eine beinahe sakrosankt wahrgenommene Institution in der Wiener Geschichtsforschung – gegenübergestellt wird, wem wird letztlich das bessere Wissen zugeschrieben werden? – Richtig! Dann sehen wir, wie tiefgreifend das patriarchiale System in uns allen weiterhin funktioniert. Und wir sehen auch gerade in diesem Fall, wie schwerfällig moderne Enzyklopädien, wie in diesem Fall Wikipedia, darauf reagieren. Offenbar gilt noch immer das Zitat aus dem Western-Klassiker „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“: „Wenn die Legende zur Wahrheit wird, druck die Legende!“

Fundstück: Auszug aus dem Blansker Geburtenregister. „Otto Eugen“ war demnach tatsächlich „Ottone Eugenie von Reichenbach”.
Konstantin von Wurzbachs Lebenswerk, das Biographische Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, gilt als einzigartige und wirkmächtige historische Referenz und scheint auch hier ursächlich für die nachhaltige Löschung Ottones aus den Enzyklopädien zu sein.
Das Register liegt öffentlich zugänglich im Mährischen Archiv zu Brünn auf. (Moravian Provincial Archives – Book #51, Blansko region, Births 1805-1839). Dig. Archivlink.

Kurios: Ausgerechnet Karoline von Perin erlitt ebenfalls ein „Wurzbach-Schicksal“. Bei den Einträgen unter „Pasqualati“ findet sich auch Andreas Joseph Pasqualati, der Vater von Karoline. Allerdings werden lediglich seine Söhne Joseph und Moritz erwähnt. Die Tochter wird totgeschwiegen.
Gedenkstein im Volksgarten
Credit: Geolina163, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Was den noch nicht vorhandenen Wikipedia-Eintrag zum ersten politischen Frauenverein in Österreich betrifft, bin ich schon froh über den Wikipedia-Eintrag, der Karoline von Perin vor wenigen Jahren gewidmet worden ist. Was die historische Faktizität betrifft, möchte ich den gut versteckten, nicht einmal kniehohen Gedenkstein im Wiener Volksgarten als Beispiel nehmen, auf dem sich eine Minimalstbiographie von Karoline von Perin befindet, der sage und schreibe in einem einzigen Satz gleich drei grobe Fehler beinhaltet: Nein, Karoline von Perin wurde nicht 1808 geboren; nein, sie ist nicht die Gründerin des Vereins gewesen; nein, die Vereinsversammlungen fanden nicht regelmäßig im Volksgarten-Café statt.

Die Errungenschaften des Vereins lagen vor allem darin, etwa zwei Wochen nach seiner Gründung ein Statut herausgegeben zu haben, das seiner Zeit um Jahrzehnte voraus war. Die Zeit war einfach noch nicht reif dafür. Um es auf den Punkt zu bringen: Es waren die Menschen, sowohl Männer als auch Frauen, die noch nicht reif dafür waren. Den im Raum stehenden psychoanalytischen Ansatz möchte ich nur andeuten: Wie schützen sich Männer vor starken Frauen? Indem sie etwas per Gesetz verbieten oder gesetzliche Vorgaben ohnehin an der Praxis scheitern lassen! Mit letzterem könnten wir gar in der Jetztzeit gelandet sein.

Sind Sie bei der Recherche zu Ihrem Buch ebenfalls auf Lücken oder gar tätige Geschichtsklitterungen und Hindernisse gestoßen?

Häufig ergeben sich historiographische Fehler aus unabsichtlichen Schlampereien, Missverständnissen, Abschreibfehlern und und und. Klassische Geschichtsklitterungen, im Sinne von absichtlichen Irreführungen, sind mir während meiner Recherche immer wieder untergekommen.

Zwei Beispiele möchte ich nennen, die unterschiedlich motiviert waren: Zum einen hat Karoline von Perin vermutlich selbst geschichtsgeklittert, als sie in ihrem Bericht über ihre Flucht, Gefangennahme und Gefängniszeit dem revolutionären Gedanken abschwor, um durch diese Abbitte wieder Teil der Gesellschaft zu werden. Der Treppenwitz daran: Die Rückkehr in die Gesellschaft wurde ihr zeitlebens nicht mehr gewährt. Man hat an ihr – vermutlich zur Abschreckung – ein Exempel statuiert.

Zum anderen gibt es einen bösartigen Nekrolog auf sie, der – bis auf die Einleitung – im völlig gleichen Wortlaut in zwei unterschiedlichen Tageszeitungen erschienen war. Das Bemerkenswerte daran: Einmal erschien der Artikel bereits vor, im anderen Fall nach dem Begräbnis. Die Einleitung in der ersten Zeitung wurde auf die Zukunft hin formuliert, in etwa: „Kaum jemand wird an ihrem Begräbnis teilnehmen …“, während in der zweiten Zeitung geschrieben stand: „Kaum jemand nahm an ihrem Begräbnis teil …“. Hier wird das ursprünglich noch nicht stattgefundene Ereignis in ein historisches Faktum umgeschrieben. Das ist zutiefst infam und beschämend.

Haben Sie zum Abschluss vielleicht einen Tipp für unsere Leser*innen, die mehr über die Zeit und das Schicksal der ersten politisch organisierten Frauenbewegung erfahren möchten?

Über den ersten demokratischen Frauenverein während der Revolutionszeit sind die Bücher und Artikel von der Historikerin Gabriella Hauch zu empfehlen. Das Schicksal des ersten politisch organisierten Frauenvereins war mit der Niederschlagung der Revolution derartig rasch besiegelt, dass der Verein nach nur zwei Monaten Geschichte war. Spannend wäre es – neben Karoline von Perin – weitere Mitstreiterinnen ausfindig zu machen und deren Lebensläufe nach der Revolution weiterzuerzählen. Etwa jene von der Nichte eines Vereinsmitglieds, die einen Vater hatte, der sich zeit seines Lebens für die Frauenrechte einsetzte, und die als eine der ersten Frauen an der Wiener Universität promovieren konnte: Dr. Isabella Eckardt: „Der Romzug Kaiser Sigmunds (1431-33)“ aus dem Jahr 1902.

 

Möchtest auch du mehr erfahren über eine Zeit im Umbruch, einen Roman, der einen Wissenschaftskrimi beinhaltet und der erlebbar macht, wie Frauen in Wien zum ersten Mal organisiert für bessere Lebensbedingungen auf die Barrikaden gehen? „Der Zauberer vom Cobenzl“ ist in deiner Lieblingsbuchhandlung erhältlich. Alle Infos zum Buch findest du hier!

„Beruflich kenne ich keine Tabus und keine Scheu: Wo immer man eine Leiche findet, da findet man auch mich.“ – Siggi Seifferheld im Interview

Siggi Seifferheld, der charmante Ex-Polizist und Frühpensionist, kommt einfach nicht zur Ruhe. Und das ist auch gut so: Tatjana Kruse, Königin der Krimödie, schenkt ihm mit „Strippen statt sticken!” ein neues Abenteuer, welches Siggi direkt in einen Swingerclub führt – und uns Lachtränen in die Augen treibt. Für uns konnte sich der vielbeschäftigte Ermittler ein paar Minuten freischaufeln, um über seinen bisher schlüpfrigsten Fall zu sprechen. 

 

Hallo Siggi! Wir freuen uns, dass du Zeit für ein Interview mit uns findest. Du bist ja eigentlich im Ruhestand, aber kann es sein, dass du als Frührentner noch weniger zur Ruhe kommst als im aktiven Polizeidienst?

Wenn man so aktiv war wie ich, kann man nicht so einfach von hundert auf null zurückfahren, nur weil man jetzt eine inoperable Kugel in der Hüfte hat. Wann immer in Hall ein Verbrechen passiert, juckt es mich in den Knochen und ich muss los – so schnell es mir meine Gehhilfe erlaubt.

Foto: © Jürgen Weller

Du bist nicht nur ein leidenschaftlicher Sticker, sondern hast sogar eine Männersticker-Radio-Kolumne. Wie bist du zu diesem besonderen Hobby gekommen und was macht dir daran so viel Spaß?

Jetzt muss ich beichten: Anfangs fand ich meine Leidenschaft fürs Sticken, zu der ich nach der Frühverpensionierung durch einen alten Stickrahmen meiner verstorbenen ersten Frau fand, ein bisschen peinlich. Gestandene Männer sticken doch nicht. Das dachte ich zumindest als Kleinstadtbewohner meiner Generation. Aber irgendwann fragte ich mich: Warum nicht? Auch echte Kerle dürfen sticken – sie tun es nur ohne Fingerhut! Je offensiver ich mit meinem Hobby umging, desto mehr Erfolg hatte ich. Der Rest ist Geschichte.

In „Strippen statt sticken!“ heißt es für dich: „Weg mit der Sticknadel und ab in den Swingerclub“. Wie war es für dich, an diesem doch recht ungewöhnlichen Ort zu ermitteln – und das ausgerechnet in einer Kleinstadt wie Schwäbisch Hall?

Ich muss zugeben, in einem Swingerclub war ich als Privatmensch noch nie. Aber beruflich kenne ich keine Tabus und keine Scheu: Wo immer man eine Leiche findet, da findet man auch mich.

Aufgrund deiner Ermittlungen wurdest du von der Lokalpresse vor dem Swingerclub fotografiert. Hättest du je gedacht, mal solche Schlagzeilen zu verursachen?

Klar, dass ich von den Jungs meiner VHS-Männerkochkurs-Truppe aufgezogen wurde. Und klar auch, dass meine ältere Schwester Irmi das nicht lustig fand, von wegen Renommee der Familie und so. Aber kleine Skandälchen zwischendurch sind ja die Würze des Lebens. Und je älter ich werde, desto mehr prallt an mir ab, was andere von mir denken.

Jetzt mal ehrlich, Siggi: Glaubst du, du kannst das Schnüffeln jemals lassen und deine Zeit vollkommen dem Sticken und deiner Familie (inklusive Hund Onis) widmen? Oder würde dir da in Wahrheit ein kleines bisschen langweilig werden? 

Man muss sich nützlich machen, sonst setzt man Moos an. Ich ermittle, solange mich meine Gehhilfe noch trägt. Versprochen!

Rabenschwarz, rasant und unglaublich wortwitzig: „Strippen statt sticken!” von Tatjana Kruse.

 

Seifferhelds Freund und Ex-Polizeikollege Dombrowski (der von der Sitte!) hat Sorgen. Sein Neffe ist nämlich in einen alles andere als sittlichen Fall verwickelt: Der Schriftsteller weilt gerade dank des Comburg-Stipendium im schönen Schwäbisch Hall. Weil man aber nicht immer nur arbeiten kann, sondern auch etwas Abwechslung und Inspiration braucht, hat Dominik Dombrowski einen privaten Swingerclub aufgesucht – rein aus Recherchegründen, versteht sich. Hüstel. Dort verbringt er einen sehr vergnüglichen Abend mit einer jungen Frau. Doch als er mitten in der Nacht in einem der Nebenzimmer aufwacht, liegt die Frau erdrosselt neben ihm.

 

Mehr Infos zu dem Buch gibt es hier.

„Manchmal sind wir die Müllabfuhr des Internets.“ Ein Interview mit der Content-Managerin Hannah Schlüter

In „Unfollow Stella“ von Ellen Dunne muss Kriminalhauptkommissarin Patsy Logan tief in die Schattenseiten der Sozialen Medien eintauchen. Was User*innen und Follower*innen oft nicht sehen, ist Alltag derer, die täglich in die tiefsten Abgründe schauen, um andere vor ihnen zu schützen: Content-Moderator*innen. Hannah Schlüter ist eine von ihnen. 

 

Wie bist du Content-Moderatorin geworden und wie lange bist du schon in dieser Sparte tätig?

Ich bin seit 15 Monaten im Community Management für News tätig. Ich habe Soziologie und im Master Gesellschaftstheorie in Hamburg und Jena studiert, und journalistische Arbeitserfahrung bei Extra3, fluter und freiberuflich schreibend für den Freitag und Missy Magazine gesammelt. Ich war nach dem Studium erst mal freiberuflich unterwegs, habe einen Dokumentarfilm produziert und ein Theaterstück über den Klimawandel geschrieben, für das ich weiter in Regie und Produktion arbeite. Um in schlecht bezahlten künstlerischen Projekten autonom und entspannt zu bleiben, habe ich gemerkt, dass ein Teilzeitjob für mich eine notwendige und gute Ergänzung ist. Das Community Management hat mich aus mehreren Gründen interessiert. Erst mal ist es natürlich so, dass in der Kommentarspalte ziemlich ungefiltert die Meinungen von verschiedenen Menschen zu lesen sind – das ist politisch spannend. Mich hat es gereizt, mit den User*innen kommunizieren zu können – ich finde immer noch, dass der Erfahrungsaustausch, der auf unsere Fragen hin unter Beiträgen manchmal stattfindet, etwas sehr Wertvolles, Schönes und Empathie Förderndes ist – wenn es eben zu diesem respektvollen Austausch kommt.

 

Was würdest du sagen, inwiefern sich die Kommentare und deine Arbeit verändert haben, seit du diese Tätigkeit ausübst? Was sind die größten Herausforderungen für dich?

Als ich im Mai 2022 mit der Arbeit begonnen habe, haben mich vor allem die oft entgleisenden Kommentare zum Krieg in der Ukraine und die Corona-Debatte erschlagen. Da es hier detailreich zugeht und es oft viele medizinische und historische Debatten gibt, habe ich mich ziemlich unwissend gefühlt. Zum Glück war meine Aufgabe hier nicht, alles in Gänze nachzuvollziehen oder Fakten zu checken, sondern zu schauen, wo gegen die Netiquette verstoßen wird oder strafrechtlich Relevantes weiterzuleiten ist wie bspw. Drohungen gegen Karl Lauterbach.

Besonders auffällig finde ich nach wie vor die Häufigkeit, in der Kommentierende die Menschen, die sie ablehnen, pathologisieren und behaupten, diese seien psychisch krank und müssten „in die Psychiatrie“ und „weggesperrt“ werden. Wenn die wütenden Menschen aus den Kommentarspalten politische Entscheidungsgewalt hätten, wären die Gefängnisse und Psychiatrien voll von Politiker*innen.

Die beiden Themen sind noch da, aber deutlich abgeflaut in der Härte und Aggression, in der diesbezüglich kommentiert wird. Als Jina Amini vergangenes Jahr starb, erreichten uns über Wochen und Monate viele Direktnachrichten und Bitten um Berichterstattung. Auf Kommentarebene war es angenehm, die große Solidarität zu erleben. Es ist absurd, dass es dieses Jahr bisher ein bisschen ruhiger wirkt, obwohl wir durch die Klimakrise ja in einer Zeit wachsender Katastrophen leben – aus der Warte von Desinformation und Fake News war es allerdings aufwendiger, mit dem Angriff auf die Ukraine und Corona umzugehen als mit Klimawandelleugnung, die gefühlt etwas weniger präsent ist mittlerweile, auch wenn da einige echt hartnäckig bleiben. In allen Bereichen gibt es zum Glück Engagierte, die informierende Gegenrede leisten und Falschbehauptungen richtigstellen. Die größte Herausforderung ist für mich, der Negativität im Job einen ausgleichenden, sozialen und ausgeschlafenen Alltag entgegenzusetzen, der mir so guttut, dass er den größtmöglichen Kontrast zu den Gewaltfantasien und der Destruktivität darstellt, die ich lesen muss. Ich entscheide genau, mit welchen Themen ich mich zwischenmenschlich und medial in meiner Freizeit und freiberuflich befassen will und kann. So funktioniert es meistens, sich vom Zynismus und der Verbitterung abzugrenzen, die online herrscht. Gut auf mich selbst zu achten, ist durch Schichtarbeit, Früh-, Spät und Wochenendschichten eine Sache, die nicht immer leicht ist, denn manchmal brauche ich mehrere Dinge: Ruhe und Zeit mit meinen Freund*innen oder Sport. Dann muss ich halt entscheiden und irgendwas kommt zu kurz. Mittlerweile bin ich manchmal neidisch auf 9 to 5 und sehne mich nach einem festen, immer gleichen Arbeitsrhythmus.

 

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus – und welche Art von grenzüberschreitenden Kommentaren begegnet dir bei deiner Arbeit am häufigsten?

Je nach Uhrzeit der Schicht und zu betreuendem sozialen Netzwerk, also YouTube, Facebook oder Instagram, sehen unsere Schichten etwas unterschiedlich aus. Gleich ist immer, dass wir bei neu erscheinenden Beiträgen unmittelbar alle Kommentare monitoren und Eingangskommentare mit mehr Infos zum Beitragsthema oder einer Frage an die User*innen setzen. Kommentare, die gegen die Netiquette verstoßen, werden gelöscht, bei starken Verstößen werden die Verfasser*innen verwarnt. Sperrungen erfolgen nach mehreren Verwarnungen. Am häufigsten gibt es, würde ich sagen, rassistische Kommentare. Und sonst alle -ismen durch. Wer vor dem Job noch nicht weiß, was für Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit es gibt, weiß es nach zwei Wochen im CM. Die heftigsten Kommentare sind Morddrohungen und -aufforderungen, Todes- und Gewaltwünsche und Suizidankündigungen. So Leute, die von Selbstjustiz und Todesstrafe fantasieren sind auch arg.

 

Warum glaubst du, schreiben Menschen unangebrachte Kommentare? Welche Intention steckt dahinter?

Ich denke, besonders gut kann es den Menschen, die bei uns hasserfüllt kommentieren, nicht gehen – also sofern sie Privatpersonen sind und nicht politisch motivierte und organisierte Accounts, die bewusst Narrative pushen, indem sie immer dieselben Kommentare posten. Das lese ich viel, so lässt sich wunderbar Stimmung machen. Die Kommentarspalte sehe ich als Kanal für die, die Dampf ablassen müssen und scheinbar nicht wissen, wo sie das analog machen können. Manchmal sind wir da wie die Müllabfuhr des Internets. Mit wenig Material zum Recyceln. Von den Kommentatoren wurden wir auch schonmal „Löschknechte“ getauft, was ich extrem witzig finde. „Meldemuschi“ gab‘s auch schon. Manchmal ist die Kommentarspalte auch ein Kotzbecken, so viele Kotzemojis wie hier gibt’s sonst nirgendwo. Die Intentionen der Kommentierenden sind ganz verschiedene: politische Stimmungsmache oder Aggressionen rauslassen. Dann gibt’s Leute, die Lust haben zu provozieren und rum zu trollen. Und dann eben solche, zum Glück, die Interesse am Austausch mit anderen haben, sich für andere Meinungen interessieren und bereit sind, eigene blinde Flecken zu erkennen und dazuzulernen, ohne sich angegriffen zu fühlen. Die Konstruktiven.

 

Manche Kommentare sind nicht auf den ersten Blick beleidigend oder diskriminierend. Wie entscheidest du bei Grenzfällen? Oder: Wie entscheidest du darüber, welche Kommentare grenzüberschreitend sind?

In manchen Kommentaren ist die Beleidigung sehr metaphorisch oder implizit. Zum Beispiel „Du hast wohl mit der Schaukel zu nah vor der Wand gestanden.“ Es gibt Beleidigungen, die ich als noch nicht grenzüberschreitend genug bewerte, „Torfkopf“ zum Beispiel oder „Vogel“. Es gibt auch ständig Diskussionen zwischen User*innen, die sich gegenseitig auf verschiedenste Weisen als „dumm“ bezeichnen, auch das finde ich nicht grenzüberschreitend genug. Was ab wann eine Grenze überschreitet und schon eine Beleidigung ist oder nicht, ist ein Stück weit subjektiv, das ist auch an den unterschiedlichen Gerichtsurteilen, zum Beispiel bei Renate Künast, zu sehen. Bei Grenzfällen schauen wir auch auf den Kontext, ob die Diskussion kaputtgemacht wird und sie andere abschreckt, sich zu beteiligen. Bei starken Unsicherheiten besprechen wir uns im Team und entscheiden gemeinsam.

 

Manche Kommentare treffen einen, auch wenn sie nicht an einen selbst gerichtet sind. Wie gehst du damit um, wenn dich verfasste Kommentare persönlich betreffen? Wie schützt du dich selbst? Gibt es eine Möglichkeit zur Supervision für dich und deine Kolleg*innen?  

Wenn mir in einem Beitrag Kommentare zu nahe gehen und ich merke, dass ich wütend oder traurig werde, kann ich immer entscheiden, das Ticket an Kolleg*innen abzugeben. Es hilft, gemeinsam über den Frust zu sprechen, den Kommentare bei uns auslösen und wir haben zum Glück eine hochkompetente Supervisorin, mit der wir über die Mechanismen und Hintergründe sprechen können.  Und wie immer mit Gefühlen: zulassen. Ist noch nicht oft gewesen, aber ich schätze, ich habe schon zwei bis dreimal geheult während der Arbeit oder der Supervision. Ich schütze mich vor allem, indem ich den Job nur Teilzeit mache und meine Freiberuflichkeit mit konstruktiven Tätigkeiten fülle, in denen ich handlungsfähiger bin. Ich suche mir also aktiv Austausch, inhaltlichen und körperlichen Ausgleich.

 

Welche Konsequenzen gibt es für Personen, die unangebrachte Kommentare schreiben im schlimmsten Fall? Bringt ihr auch Anzeigen ein?

Strafrechtlich relevante Kommentare leiten wir natürlich an die Zuständigen weiter, da kann auch Gefahr im Verzug sein. Um daraus folgende Anzeigen und notwendige Aktionen kümmern sie sich – je nach dem, um was es geht, folgen dann polizeiliche oder rechtliche Schritte. Bestenfalls kann da eine Gewalttat oder ein Suizid verhindert werden.

 

Ein Blick in die Zukunft: Denkst du, die Möglichkeit der ungebremsten Meinungsäußerung, selbst wenn diese voller Hass ist, wird zu Nachrichtenthemen dauerhaft bestehen bleiben?

Es gibt Nachrichtenformate, die ihre Kommentarsektionen geschlossen haben – verständlich ist das allemal. Denn sie aufzuräumen und zu einem sicheren Raum für alle zu machen, ist aufwendig, teuer und belastend. Ich finde es persönlich begrenzt sinnvoll, News zu kommentieren, sehe es aber auch gerade als Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Medien, das Netz als Diskursraum ernst zu nehmen.

Ich lese zu viele autoritäre Fantasien, um die Idee zu mögen, dass die Kommentarsektionen besser geschlossen werden. Sie müssen – wie jeder Ort, an dem viele Menschen kommunizieren möchten – gut moderiert werden. Diese Kapazitäten können und wollen sich nicht alle leisten. Hier wird insbesondere von den sozialen Netzwerken zu wenig Verantwortung übernommen. Ich muss bspw. keine Videos schauen. Die weit schlechter bezahlten Content-Moderator*innen des globalen Südens sind hier wie so oft die Leidtragenden, weil sie die schlimmste Arbeit für Meta und Co. übernehmen. Hier hoffe ich, dass sehr bald KI diese Arbeit übernehmen kann, weil diese Arbeit Menschen schnell zugrunde richtet. Ich fände es gut, wenn es im Netz weiter viele Diskussionsmöglichkeiten gibt. Ich sehe nur so die Möglichkeit, dass Gesellschaften lernen zu differenzieren zwischen freier Meinungsäußerung und Gewalt. Ich glaube, eigentlich haben fast alle Menschen ein ganz gutes Verständnis davon, was respekt- oder gewaltvoll ist und was nicht.

Über die Zukunft des Ganzen kann ich letztlich wenig sagen; was mit und wegen KI passiert, ist auch hier nicht absehbar. Wenn man sich vorstellt, dass die jetzt schon präsenten Sex-, Krypto- und Liebeszauber-Bots noch mehr werden und gar nicht mehr unterscheidbar ist, welche Kommentare von realen User*innen kommen und welche gefakt sind, wären offene Kommentarspalten tatsächlich für die Katz.

Dublin online und offline: „Unfollow Stella“ von Ellen Dunne.

 

Die irische Hauptstadt mit ihren Gassen, Pubs und dem idyllischen Straßenbild ist ein absoluter Sehnsuchtsort – und Patsys alte Heimat. Auch Stella Schatz war vor ihrem Verschwinden dabei, auf der Insel heimisch zu werden. Die Ermittlungen von Patsy und Sam allerdings ergeben, dass Stella kürzlich eine neue Arbeit angetreten hat – in einer Agentur für Content-Prüfung, dort, wo sich die dunkelsten Abgründe der virtuellen Welt auftun. Welche Folgen das für den Menschen hinter den Bildschirmen haben kann, wird von Kapitel zu Kapitel deutlicher. Hat Stella im Netz etwas gesehen, was niemand sehen durfte? Hat ihr Job sie auf unbekannte und gefährliche Wege geführt?

 

Mehr Infos zu dem Buch gibt es hier.

Leseprobe aus „Eine Blume ohne Wurzeln“ von Nada Chekh

Coming of Age – zwischen Wiener Gemeindebau und rigiden Rollenbildern:
Nada Chekh wuchs zwischen den moralischen Vorstellungen und Werten ihrer Eltern, dem wachsamen Blick „ihrer Community“ und jenen, zu denen sie gehören will und eigentlich auch gehört, auf. Aber Zugehörigkeit ist so viel mehr als nur ein Wort. Und schwer zu finden, wenn man in mehreren Welten lebt. Dann sind da noch die eigenen Wünsche und die Bedürfnisse, das Leben selbst zu gestalten. Mit viel Einfühlungsvermögen und Humor reflektiert Nada Chekh über das Erwachsenwerden in verschiedenen Kulturen. In eindringlichen Anekdoten lässt sie uns ganz nah an sich heran, nimmt uns mit in das Daheim ihrer Kindheit und Jugend. Nimmt uns an der Hand und zeigt uns, wie Selbstermächtigung aussehen kann. Sie schreibt über das Aufstehen im Religionsunterricht, über die Komplikationen, die für eine junge Frau wie sie bei Dates oder Student*innen-Parties lauern. Sie erzählt von der selbstverständlichen Bewertung von Mädchen und Frauen, vom Risiko, eigene Entscheidungen zu treffen, und vom Risiko, es nicht zu tun. Es geht aber auch um das Zusammenfinden, immer und immer wieder, das aufeinander Zugehen, Stück für Stück. Denn manchmal ist es gerade der Abstand, der zu einer neuen Nähe – und zu sich selbst – führen kann.

Vorwort

Das vorliegende Buch ist die Nacherzählung einer Geschichte, die ich selbst nicht glauben würde, hätte ich sie nicht durchlebt. Womöglich ist „Geschichte“ auch nicht der passende Begriff für diese langwierige Reise zu meinem heutigen Leben, das sich so stark von jenem unterscheidet, das mir vorgelebt wurde.

Als Tochter arabisch-muslimischer Migranten, die in den 90ern und frühen 2000ern in einem Gemeindebau, wie die in Wien typischen sozialen Wohnbauten genannt werden, in Wien-Favoriten aufwuchs und dort zur Schule ging, habe ich nie Frauen aus der Community gesehen, die so waren, wie ich es heute bin. Weltoffenheit und Toleranz, zum Beispiel gegenüber der LGBTQ+-Community, weibliche Unabhängigkeit oder Freizügigkeit sind keine erstrebenswerten Dinge in der Community, in der ich, gemeinsam mit meinen Geschwistern, in erster Generation unserer Familie in Österreich aufwuchs. Dieses Aufwachsen, diese Reise erstreckt sich über viele Etappen und birgt auch einige dunkle Abschnitte, mit denen ich mich bis zu dem Moment, in dem ich sie für dieses Buch aufarbeitete, nicht beschäftigen wollte – oder konnte.

Dieses Buch handelt von der Erfahrung, in einer Welt zu leben, in der es ein „Wir“ und ein „die Anderen“ gibt, und reicht bis zu der Erkenntnis, dass selbst, wenn ich mich zu den „Anderen“ zugehörig fühlen würde, diese mich niemals als eine von „ihnen“ sehen würden. Es geht um einen Kampf um Privatsphäre, um das Recht, über meinen Körper und mein Leben verfügen zu können, den ich zuerst mit mir selbst führen musste, bevor ich mich außenstehenden Gegnerinnen und Gegnern stellen konnte. Eine große Stütze beim Schreiben über diese Vergangenheit waren meine persönlichen Tagebücher, die ich umso minutiöser führte, je einsamer ich mich auf diesem Weg fühlte. Bei all der Dramatik erlebte ich aber auch freudige Momente beim Schreiben dieses Buches, in denen sich unerwartete Verbindungen erschlossen oder auch schöne und skurrile Erinnerungen miteinflossen.

Für manch einen Leser oder eine Leserin mag es eine gewöhnliche, wenn nicht sogar banale Sache sein, sich gegen die eigene Familie aufzulehnen, und, wenn nötig, auch einen Bruch mit ihr in Kauf zu nehmen. Doch aus einer Community kommend, in der Familie über allem steht, waren meine Entscheidungen, die ich damals treffen musste, kein leichtes Unterfangen. Ich weiß, dass es gerade sehr viele junge Frauen gibt, die auf eine Geschichte wie meine warten – egal, ob sie ebenso aus muslimischen Familien stammen oder auch anders kulturell geprägt sind, oder ob sie einfach wissen, wie sich religiös-konservative und patriarchale Strukturen am eigenen Leib nun einmal anfühlen.

Nicht nur im Zuge meiner Tätigkeit als Journalistin bei dem transkulturellen Magazin biber, sondern auch als Speakerin an Wiener Schulen begegne ich immer wieder Mädchen und jungen Frauen, die einen ähnlichen Hintergrund haben wie ich, von denen manche sagen: „Du hattest einfach Glück mit deiner Familie, dass du dein Leben selbst in die Hand nehmen konntest.“ In Wahrheit ist dies jedoch das Ergebnis eines phasenweise endlos scheinenden, oft auch schmerzhaften Prozesses – wie man hier nachlesen wird –, den ich ohne jene wunderbaren und ermutigenden Menschen, die ich kennenlernen durfte, nicht hätte durchstehen können.

Auch wenn ich selbst ohne Vorbilder aufgewachsen bin, mit denen ich mich identifizieren hätte können, bin ich mir ihrer Wichtigkeit bewusst. Es kommt vor, dass ich gefragt werde: „Was bedeutet es, den Mut aufzubringen, sich von konservativen und religiösen Vorstellungen zu lösen?“ Die ehrliche Antwort sieht so aus: Ich bin keine „mutige“ Frau. Im Gegenteil, in meinem bisherigen Leben war ich in vielerlei Hinsicht von tiefer Angst getrieben. Die Angst davor, ein Leben führen zu müssen, das nicht meinen eigenen Überzeugungen entspricht, wurde jedoch an einem bestimmten Punkt noch größer als die Angst, von meiner Familie verstoßen zu werden, weil sich unsere Weltansichten nicht vereinbaren ließen. Rückblickend kann ich sagen, dass ich viele Dinge auch aus Notwendigkeit tun musste, um meine Integrität und Eigenständigkeit überhaupt installieren zu können. Es ist denkbar schwer, seine persönlichen Grenzen festzusetzen und Privatsphäre einzufordern, wenn man nie vermittelt bekommen hat, dass man – gerade als Frau – eine schützenswerte Privatsphäre hat.

Bevor wir uns nun gemeinsam in meine Geschichte stürzen, möchte ich noch einige wichtige Anmerkungen vorweg anführen: Bis auf wenige Ausnahmen wurden alle Namen in diesem Buch zum Schutz der Identität der realen Personen geändert. Zudem möchte ich noch erwähnen, dass ich genderinklusive Sprache in diesem Buch aus Gründen der Einfachheit und zum Erhalt des Leseflusses nach eigenem Ermessen verwendet habe. Mit dem generischen Maskulinum sind selbstverständlich alle Menschen, unabhängig von ihrer persönlichen Identifikation oder Nicht-Identifikation mit dem männlichen Geschlecht mitgemeint, sofern sie sich mitgemeint fühlen.

Dieses Buch soll keine Anleitung zum Ausbruch aus konservativen Familien darstellen, sondern gibt meine individuelle Erfahrung in dieser Sache wieder. Sollte Dich das Lesen von Szenen über Krieg, Gewalt, Depression, Selbstverletzung und ähnlich „triggernde“ Themen verstören, so möchte ich hier davor warnen.

Nachdem wir das alles nun geklärt haben und Du immer noch weiterlesen möchtest: Wollen wir auf eine Reise gehen?

 

Aus dem Buch „Eine Blume ohne Wurzeln“ von Nada Chekh, ab 31. Oktober 2023 überall, wo es Bücher gibt, erhältlich. 

Nada Chekh ist kritisch, laut und ehrlich. Interkulturelle Konflikte, die tief in den persönlichen Lebensalltag und die engsten Beziehungen eindringen, hat sie hautnah erlebt. Ihre Erfahrungen prägen, was sie heute tut: Als Journalistin, die ihre Anfänge unter dem Namen Nada El-Azar bei „biber“ machte, schreibt sie darüber, was die multiethnische Community in Österreich bewegt, rüttelt an den Missständen in unserer Gesellschaft, fordert Debatten heraus und spricht über Langzeittabus, aber auch Potenziale, die ein Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen bereit halten kann.

Wenn die Realität der Fiktion in nichts nachsteht. True Crime von Mark Benecke und Romy Hausmann

Mark Benecke und Romy Hausmann denken sich nicht nur ihre eigenen Kriminalgeschichten aus, sondern bereiten in ihren Büchern auch tatsächliche Mordfälle auf. Sie nehmen uns mit zu forensischen Untersuchungen, lassen uns an den Ermittlungen teilhaben, bringen die Hintergründe ans Licht und geben Einblicke ins Denken von Täter*innen und die Empfindungen von Opfern und Hinterbliebenen.

Massenphänomen mit Tradition

Wenn wir ehrlich miteinander sind, dann ist sie schon etwas makaber, unsere Lust an Kriminalfällen abseits der Fiktion. War es in unseren Breiten lange ein Nischeninteresse für eingeschworene Kenner*innen – Medical Detectives um 02:00 auf Vox –, für das man zuweilen verstörte Blicke erntete, hat True Crime in den letzten Jahren einen absoluten Boom erlebt. Podcasts schossen wie Pilze aus dem Moos. Zahlreiche TV-Produktionen über die unglaublichsten Morde und abscheulichsten Serientäter*innen wurden aus dem Boden gestampft.

Das Interesse für wahre Kriminalfälle war allerdings immer schon da.

Im 19. Jahrhundert etwa hielt die Boulevardpresse ein Millionenpublikum in Atem, das gespannt die Gräueltaten von Jack the Ripper mitverfolgte. Doch was macht sie nun aus, unsere Faszination für die schonungslose Realität, die oft grausamer ist als die Fiktion selbst?

Nervenkitzel oder Verteidigungsstrategie?

Ist es etwa das Adrenalin, das unser Hirn überschwemmt und uns süchtig macht, daheim unter der sicheren Decke? Ist es die Neugier, einen Blick in den Kopf von Gewalttäter*innen zu wagen, in menschliche Abgründe zu blicken, immer in der Hoffnung, dass niemand zurückblickt? Ist es eine fast schon spielerische Freude am Rätsel oder gar der Wunsch nach Gerechtigkeit, der uns über ungelöste Kriminalfälle brüten lässt? Oder geht es um einen Lerneffekt, um Wissen, das hilft, nicht selbst zum Opfer zu werden?

Die Grenzen zum Voyeurismus sind fließend und schnell vergessen wir, dass es sich nicht nur um echte Fälle, sondern auch um echte Personen handelt, die diesen spektakulären Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sind. Individuen mit Gefühlen, mit einer Vergangenheit und einer Zukunft, die ihnen gewaltsam geraubt wurde. Um sich mit True Crime jenseits von Sensationsgier und Effekthascherei zu befassen, braucht es vor allem eines: Empathie; die Bereitschaft, sich nicht nur in die Opfer sondern auch in deren Angehörige hineinzuversetzen, die nicht nur mit dem Verlust, sondern auch damit leben müssen, dass ihre ganz persönliche Tragödie öffentlich diskutiert und in gewisser Weise auch vermarktet wird.

Romy Hausmann, fotografiert von Christian Faustus.

Romy Hausmann: viel mehr als Fakten

Eine Autorin, die Unterhaltung und Feingefühl souverän verbindet, ist Romy Hausmann. Die Spiegel-Bestseller-Autorin ist nicht nur für ihre Thriller bekannt, sondern zeigt in ihrem Buch „True Crime. Der Abgrund in dir“ (2022, dtv), dass das echte Leben mit jedem Thriller mithalten kann.

Einfühlsam sammelt sie nicht nur Fallbeispiele, sondern verdichtet die Erkenntnisse, die sie im Gespräch mit Opfern, Hinterbliebenen und Expert*innen gewonnen hat in Tagebucherzählungen, die abseits von reinen Fakten auch die Gefühle der Betroffenen in den Blick nehmen und auch danach fragen, wie diese mit dem Unfassbaren abschließen können.

Dipl.-Biol. Dr. rer. medic., M.Sc., Ph.D. Mark Benecke

Mark Benecke fotografiert von Thomas van de Scheck.

Mark Benecke: von Insekten und Kannibalen

Tiefe Einblicke in die Welt der Kriminalbiologie und forensischen Entomologie – also die Wissenschaft von Krabbeltierchen und wie man sie für Ermittlungen nutzen kann – gibt Dr. Mark Benecke, Tausendsassa und einer der prominentesten Sterne am heimischen True Crime-Himmel. Obwohl Stern vielleicht der falsche Begriff ist, denn Mark Benecke findet man eher auf der dunklen Seite des Mondes, gilt seine Leidenschaft nicht nur der Forensik, sondern auch düsterer Musik, Vampiren, Tattoos und der Gothic-Szene. In seiner Rolle als True Crime Experte, sei es in TV-Serien oder seinen eigenen Büchern, zeigt der Kriminalbiologe immer wieder, dass es sich lohnt, auf das vermeintlich Unscheinbare zu achten und das scheinbar Unmögliche in Betracht zu ziehen. Mark Beneckes Expertise und besondere Perspektive fließt auch in seine Kriminalromane ein. Zuletzt erschienen ist „Kannibal. Jagdrausch“, in dem bei den Ermittler*innen der grausige Verdacht aufkommt, dass sie es vielleicht mit einem Fall von Kannibalismus zu tun haben.

„Jeder Roman ist ein Versuch, die Welt zu begreifen.“ Ein Blick in die Werkstatt von Gudrun Lerchbaum

Gudrun Lerchbaums Sprache fesselt, rüttelt wach, zeichnet und verwischt Konturen von Protagonist*innen, die uns auch nach dem Lesen noch lange begleiten. In ihrem neuen Roman „Zwischen euch verschwinden“  folgt sie der Spur einer Frau, die viele Frauen ist. Doch woher kommt die Idee zu Maria, was hat die Autorin bewegt, inspiriert, getrieben? Ein Gastbeitrag von Gudrun Lerchbaum.

Immer geradeaus marschiere ich durch geisterstille Straßen auf den Stadtrand von Wien zu, die Sonne im Rücken. Rot-weiße Plastikgirlanden verhängen den Zugang zum Park. Eine Frau wechselt die Straßenseite, sobald sie mich sieht. Fremder Atem kann tödlich sein.

Aufwärts denkt es sich leichter

Gudrun Lerchbaum, fotografiert von Teresa Wagenhofer.

Es war im Mai 2020 während des Lockdowns, als ich überraschend ein Mail von der Dramaturgin eines deutschen Radiosenders bekam: Ob ich ihr ein Konzept für ein Krimihörspiel schicken wolle. Ein Lichtblick – mein erstes Hörspiel!

Erst wenige Wochen zuvor hatte mir die Verlegerin meines letzten Buches eröffnet, dass mein in Arbeit befindlicher Roman nicht ins Programm passe: zu phantasievoll, zu wenig hart. Nun gehört Verlagssuche nicht gerade zu den angenehmen Seiten des Schriftstellerinnendaseins. Jedes meiner bis dahin drei Bücher war in einem anderen Verlag erschienen, weil ich mich auf der Suche nach der besten Geschichte nicht gern von Genregrenzen einhegen lasse. Mit anderen Worten: Ich war auch ohne Pandemie mies drauf.

Und weil ich immer raus muss, irgendwo rauf muss, wenn ich nicht weiß, wie ich weitermachen soll, hastete ich damals den Wilhelminenberg hinauf. Ich erreichte die Weinberge und fühlte, wie sich mit dem Blick auch meine Gedanken weiteten.

Die Sorge um andere als Fundament der Gesellschaft

Ich hatte Glück. Ich musste die Pandemie nicht mehr als Alleinerzieherin in einer kleinen Wohnung durchstehen. Meine Familie kam mit den Belastungen einigermaßen zurecht und die 24-Stunden-Pflegerin der Schwiegermutter hatte sich nicht in ihre Heimat geflüchtet, sondern hielt nun schon den dritten Monat die Stellung, weil ihre Ablöse nicht einreisen durfte.

Trotz meiner beruflichen Probleme kreisten meine Gedanken um Fürsorge. Für mich ist das normal, doch vielen Menschen war erst unter dem Druck der Pandemie klargeworden, dass die Sorge um andere im Zentrum einer funktionierende Gesellschaft steht. Und schon sind sie dabei, es wieder zu vergessen.

In der Wiese auf der Hügelkuppe sitzend, erdachte ich eine Frau, die ungesehen für andere sorgt: Maria. Ihre Patientin ist in der Nacht verstorben, erstickt, ohne dass sie hätte helfen können. Verstört von dieser Erfahrung verlässt sie das Haus, um kurz Luft zu schnappen, und wünscht sich plötzlich nichts sehnlicher als – was? Ein üppiges Frühstück, das sie nicht selbst zubereiten muss. Als sie zurückkommt, steht die Polizei vor dem Haus.

Ein Anfang, eine Versuchsanordnung, wie sie jeder meiner Geschichten zugrunde liegt. Jetzt hieß es herauszufinden, was geschehen war. Hatte Maria aus Mitleid nachgeholfen? Warum sonst sollte sie nun Hals über Kopf fliehen? Ja, natürlich: Sie wusste selbst nicht, ob sie Schuld trug. Ihr Alltag verlief so eintönig, dass ihr manchmal Zeit und Realität entglitten.

Wenn die Figuren der Autorin das Heft aus der Hand nehmen

Okay, Maria ist um die vierzig, unauffällig, hat sich selbst nie wichtig genommen. Eine schweigende Antiheldin …

Halt! Ich springe auf, mache mich auf den Weg ins Tal. Bitte nicht! Eine Schweigende in einem Hörspiel? Unmöglich!

Aber was soll ich machen? Maria kriegt nun mal den Mund nicht auf. Andere müssten über sie reden. Doch bevor ich Ermittler:innen und eine empörte Öffentlichkeit über sie urteilen lasse, muss ich ihr Gelegenheit geben, die Geschehnisse aus ihrer Perspektive zu erzählen. Das klingt eher nach dem nächsten Roman, quasi als Vorarbeit zum Hörspiel. Eine spannende Story über eine auf den ersten Blick höchst langweilige Frau. Ob ich dieser Herausforderung gewachsen bin? Es gab nur eine Art, das herauszufinden!

Wie Marias Schicksal wohl mit dem der rumänischen Pflegerin zusammenhing, die ich beim Öffnen der Haustür plötzlich ganz deutlich spürte, energisch und redselig, mit rauchiger Stimme und brutal zerschlagenem Gesicht? Ich lud sie auf einen Kaffee ein, um herauszufinden, was sie mit Maria ausheckt. Gibt es noch andere Tote? Kann Maria dennoch unschuldig sein?

Aufwühlend und augenöffnend:  „Zwischen euch verschwinden“.

Von der Inspiration an den Schreibtisch getrieben

Doch bevor ich diesen Roman schreiben durfte, musste ich erst den anderen fertigstellen, den kürzlich abgelehnten. Story und Charaktere waren zu aufregend, um sie fallenzulassen. Das fand wenig später zum Glück auch Linda Müller vom Haymon Verlag. Meine Lieblingskollegin Ellen Dunne, inzwischen Glauser-Preisträgerin, hatte mich mit ihr in Verbindung gebracht. 2022 erschien dieser Roman bei Haymon unter dem Titel „Das giftige Glück“.

Endlich durfte ich mich Maria widmen, sie auf ihrer Flucht vor sich selbst und zu sich selbst begleiten. Eine weibliche Odyssee, ein spannender Entwicklungsroman. Mit Blut. Es sammelt sich am Boden zwischen den Stühlen von Krimi und Roman.

Ich glaube nicht an die oft kolportierte Regel, dass ein Buch zu 10 % aus Inspiration und zu 90 % aus Transpiration, also harter Arbeit, besteht. Für mich macht die Inspiration mindestens 51 % aus, denn ohne sie beginne ich kein Buch. Und nichts treibt mich so schnell an den Schreibtisch wie eine neue Idee, die darauf drängt, mit Leben gefüllt zu werden, sobald das aktuelle Projekt abgeschlossen ist. Ob etwas ins Genre oder ins Verlagsprogramm passt, in diese oder jene Schublade, darauf kann ich dabei keine Rücksicht nehmen.

Meine Arbeit ist es, Geschichten zu schreiben und die neueste heißt: „Zwischen euch verschwinden“.

Gudrun Lerchbaum nimmt uns mit auf eine rasante Reise entlang der Schicksale jener Frauen, die ungesehen bleiben: da ist die pflegende Angehörige schwerkranker Eltern, da ist die Kellnerin in Schwarzarbeit, die ausgebeutet und erpresst wird, da ist die Ehefrau, die sich vor ihrem prügelnden Mann ins Frauenhaus rettet, und die 24-Stunden-Pflegekraft, von der viel mehr als nur Pflege erwartet wird.
Marias Wechselspiel aus Passivität und radikalen Befreiungsschlägen lässt sie dich spüren: die Hilflosigkeit und den lodernden Zorn, die aus Ungerechtigkeit und Unterdrückung entstehen.

Mehr Infos zum Buch gibt es hier!

„Es sind die Tiefen und die Wahrhaftigkeit der Personen, die mich interessieren.“ – Theresa Prammer im Interview

Auf der Bühne verkörpert Theresa Prammer die Charaktere anderer und inszeniert Geschichten. In ihren Büchern erweckt sie ihre eigenen Figuren zum Leben. Buch oder Bühne? Für Theresa Prammer ist klar, es muss kein Entweder-Oder sein. Nach wie vor ist die Autorin auch als Schauspielerin und Regisseurin tätig. Für ihre Leser*innen öffnet sie, vor allem durch die Schauspielschülerin Toni in „Schattenriss“, weit den Theatervorhang und lässt hinter die Kulissen blicken.

Du erzählst nicht nur in deinen Büchern, sondern auch auf der Theaterbühne Geschichten. Welche Gemeinsamkeiten gibt es bei den verschiedenen Erzählarten und welche Unterschiede? Welche Herausforderungen begegnen dir dabei und wie gehst du damit um?

Ich liebe beides, beim Roman entstehen die Bilder im Kopf, im Theater auf der Bühne. Beim Schreiben sehe ich die Szene immer vor mir – beim Buch eher wie im Film, die fünf Sinne der Protagonisten, ihr Innenleben und die Umgebung/Atmosphäre spielen eine große Rolle. Beim Schreiben eines Stücks ist das zwar auch wichtig, aber da fokussiere ich mich mehr auf die Interaktionen und den Dialog.

Die Herausforderungen sind immer die gleichen – die Seele und das Hirn beim Schreiben auf einen Nenner zu bringen.

Wie bereitest du dich für die Verkörperung von Rollen vor und wie gehst du bei der Erschaffung von Figuren vor?

Theresa Prammer, fotografiert von Janine Guldener.

Das Wichtigste in beiden Fällen, egal ob Rolle oder Figur, ich muss sie verstehen. Und zwar richtig verstehen, ihre Geschichte, ihre Vergangenheit, ihre Beweggründe. Im Theater kann ich den Subtext nur zeigen – das, was die Rolle vielleicht überspielt, nicht zugeben will, während sie mit dem Text etwas anderes sagt. Im Roman habe ich mehr Freiheit, ich kann die Leser ganz nah an die Person heranführen, sie in die Seele hineinführen und diese Ambivalenz direkt miterleben lassen. Ob Theater oder Buch, in beiden Fällen sind die Tiefen und die Wahrhaftigkeit der Personen das, was mich interessiert. Und ich bin sowohl beim Schreiben als auch auf der Bühne immer ein bisschen verliebt in meine Figuren.

Inspirieren dich Theater und Film für deine eigenen Geschichten als Autorin?

Unbedingt. Und auch Musik und Bücher (ich könnte ohne Buch nicht einschlafen).

Helfen dir deine Erfahrungen als Schauspielerin und Regisseurin als Autorin oder greifen diese Tätigkeiten sogar ineinander?

Auf jeden Fall. Ich glaube generell, die eigene Kreativität ist wie eine große üppige Torte. Und alles, was man kreativ tut, dekoriert diese Torte. Da kommen brennende Kerzen dazu, eine weitere Cremeschicht, Zuckerguss, Marzipan, etc. Diese Torte gehört gepflegt und beschützt, sonst schmilzt sie dahin.

Einen Einblick in ein Leben auf der Bühne erlaubst du deinen Leser*innen mit der Schauspielschülerin Toni, welche Edgar Brehm bei seinen Ermittlungen unterstützt. Wie entscheidest du, wie weit du den Vorhang für deine Leser*innen lüftest?

Ich schreibe immer mit ganz weit geöffnetem Vorhang 🙂 .

Zum Mitfiebern: „Schattenriss” von Theresa Prammer.

Decken sich Tonis Erfahrungen als Schauspielschülerin mit deinen eigenen?

Was die Schauspiel-Übungen betrifft – alles was Toni macht, habe ich auch gemacht. Und da mein Mann und ich seit sieben Jahren eine Schauspielakademie für Jugendliche leiten, bin ich da auch recht nah dran. Tonis direkte Erfahrungen decken sich vielleicht manchmal mit meinen eigenen, aber in ganz anderer Form.

Welche Tipps würdest du Toni und anderen angehenden Schauspieler*innen für ihren Traumberuf geben?

Glaub an dich. Hör nie auf zu lernen und dich weiterzuentwickeln.
Sei mutig und radikal ehrlich zu dir selbst. Finde etwas an jeder Rolle, das du liebst.
Geh mit ganzem Herzen rein, riskiere es, Fehler zu machen und zu scheitern.
Wenn du mit Rückschlägen kämpfst, frage dich: Warum geschieht das FÜR mich?
Hör dir Kritik von den für dich richtigen Leuten an. Wenn sie dich trifft, schlaf drüber, schreib deine Gedanken dazu am nächsten Morgen auf und entscheide dann, ob sie (oder welcher Teil davon) berechtigt ist. Und vergiss nie, alle „kochen nur mit Wasser“.

Edgar Brehm, ehemaliger Kommissar und jetzt Privatdetektiv, verschlossen und mürrisch, aber mit einem riesigen Herz, und Toni Lorenz, Schauspielschülerin am Konservatorium in Wien, offen, mutig und mit ihrem persönlichen Rucksack voller negativer Erfahrungen beladen: ein Ermittlerteam, das ungleicher nicht sein könnte. Und dabei doch so gut zusammenpasst.
Wenn Toni und Edgar an einem Fall arbeiten, gönnt uns Theresa Prammer keine Atempause: auf Theaterbühnen und Filmsets, auf den Straßen Wiens, von der Donau bis in den Prater lösen die beiden Fälle, die unter die Haut gehen. Emotional, aufwühlend und mitreißend bis zum letzten Wort.

Mehr Infos zum Buch gibt es hier!

„Gewalt ist ein Mittel, um Frauen auf die ihnen zugeschriebene Rolle zu verweisen.“ – Interview mit dem Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser

Bist du schon einmal alleine unterwegs gewesen – nur du und die Angst, dir könnte genau jetzt etwas passieren? Etwas Schreckliches, angetan von einem anderen Menschen? Wenn du eine Frau bist oder einer in dieser Hinsicht vulnerablen Gruppe, wie zum Beispiel queeren Menschen, angehörst, kennst du dieses Gefühl mit sehr großer Wahrscheinlichkeit. Dabei ist das Gewaltrisiko in den eigenen vier Wänden statistisch gesehen am größten. Aktuelle Untersuchungen ergeben: Jede dritte Frau in Österreich ist von körperlicher und/oder sexueller Gewalt innerhalb oder außerhalb von intimen Beziehungen betroffen. Was wird dagegen unternommen? Wir haben uns mit dem Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser darüber unterhalten.

Eure Arbeit erstreckt sich von der Frauenhelpline über Aufklärungsarbeit in verschiedensten Formen bis hin zur Umsetzung von EU-weiten Projekten und Kampagnen. All dies eint das Ziel, über das Thema Gewalt gegen Frauen und Kinder zu informieren und dafür zu sensibilisieren. Diese angesprochene Gewalt ist dabei sehr vielschichtig und komplex und wirkt sich auf das ganze Leben der Betroffenen aus. Könnt ihr uns erklären, was es für Frauen und auch Kinder bedeutet, häuslicher Gewalt ausgesetzt zu sein?

Frauen sind vielen verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt: körperlicher, sexueller, psychischer und ökonomischer Gewalt sowie Gewalt im Internet, die natürlich auch in vielen Fällen ineinandergreifen. Sich in einer gewalttätigen Beziehung wiederzufinden ist ein schleichender Prozess, die Gewalt nimmt oft mit der Zeit an Häufigkeit und Schwere zu. In dieser Gewaltspirale wechseln sich Phasen der Kontrolle, Einschüchterung, emotionaler Erpressung/Missbrauch und Aggression mit Phasen von Entschuldigungen und Versprechung von Wiedergutmachung seitens des Täters ab. Den Betroffenen wird auch durch teilweise subtile Manipulationen des Täters die Schuld an seinem Verhalten zugeschoben. Besonderer Gefahr sind Frauen in der Trennungsphase ausgesetzt, in dieser Zeit finden besonders häufig auch Femizide und Fälle von schwerer Gewalt statt. Betroffene Frauen befinden sich oftmals in prekären Abhängigkeitsverhältnissen, vor allem auch, wenn gemeinsame Kinder da sind und es kaum Zugang zu leistbarem Wohnen gibt. All das lässt die Aussage, sich doch „einfach zu trennen“, nicht legitimieren, die schmerzhafte Realität gewaltbetroffener Frauen wird dadurch verharmlost. Die Trennung von einem gewalttätigen Partner ist ein langwieriger, belastender Prozess, sowohl in ökonomischer, juristischer, emotionaler und psychischer Hinsicht. Darüber hinaus ist die Trennung die gefährlichste Phase für eine gewaltbetroffene Frau – zu diesem Zeitpunkt werden die meisten Morde an Frauen durch einen gewalttätigen Partner begangen. Kinder sind bei häuslicher Gewalt immer mit betroffen – entweder direkt, indem sie selbst Misshandlungen ausgesetzt sind, oder indirekt, weil sie die Gewalt, die ihre Mutter erleiden muss, hautnah mitbekommen.

Häufig wird betont, dass Gewalt gegen Frauen ein strukturelles Problem ist, bei dem gerade auch staatliche Institutionen nicht genug sensibilisiert sind oder sogar an der Reproduktion von Strukturen beteiligt sind, in denen diese Gewalt möglich ist. Welche strukturellen und politischen Veränderungen müssen stattfinden, um Frauen vor Gewalt zu schützen? 

Eigentlich haben wir in Österreich gute Gesetze zum Schutz vor Gewalt, jedoch werden diese oft nicht wirksam angewendet oder ausgeschöpft, z.B. werden gefährliche und polizeibekannte Gewalttäter oft nur auf freiem Fuß angezeigt oder sogar freigesprochen, was oft zu schwereren Gewalttaten bis zu Femiziden führt. Obwohl immer mehr Frauen den Mut aufbringen, Anzeige gegen ihre Misshandler zu erstatten, bleibt die Tat für die Gewaltausübenden leider nach wie vor oft ohne ernsthafte Konsequenzen.
Für eine echte Gleichstellungs- und Gewaltschutzpolitik wäre das Wichtigste eine langfristige und gesicherte Finanzierung. Das Budget des Frauenministeriums und spezifisch der Bereich für Gewaltprävention ist grundsätzlich (auch im Vergleich zu anderen Ressorts und Ministerien) viel zu niedrig. Angesichts der immens hohen Folgekosten von Gewalt braucht es eine Erhöhung der Mittel für das Frauenministerium. Dringend finanziert werden müsste z.B. auch eine langfristige österreichweite Bewusstseinskampagne gegen Gewalt an Frauen, besonders auch für die breitere Bekanntwerdung der Nummer der Frauenhelpline (0800 222 555). Darüber hinaus benötigt es 3000 neue Vollzeitstellen im Gewaltschutzbereich und für Betreuung und Begleitung der betroffenen Frauen und ihrer Kinder.
Frauen werden in unserer Gesellschaft strukturell abgewertet – frauenspezifische Tätigkeiten wie Care-Arbeit, also Kindererziehung, Haushalt oder die Pflege kranker oder älterer Angehöriger, werden schlecht bis gar nicht entlohnt. Oft sind diese Tätigkeiten unsichtbar und werden als selbstverständlich hingenommen. Es findet eine Ausbeutung dieser reproduktiven Tätigkeiten statt, die oft rund um die Uhr geleistet werden. An diesen Ausbeutungsverhältnissen gilt es anzusetzen, es muss eine gerechte Entlohnung, z.B. in Pflegeberufen, gewährleistet werden und eine gesellschaftliche Aufwertung dieser Tätigkeiten stattfinden.

Um betroffenen Frauen wirkungsvoll helfen zu können, braucht es Wissen – Wissen um diese strukturellen Probleme und um die Faktoren, die Gewalt gegen Frauen begünstigen. Wann sind Frauen, wann bin ich selbst besonders gefährdet, Opfer von Gewalt zu werden?

Gewalt an Frauen passiert überall auf der Welt und ist ein weltweites Problem. Sie kommt in allen gesellschaftlichen Schichten vor und hängt weder mit Einkommen oder Bildung, noch mit der Herkunft oder Staatszugehörigkeit zusammen – Frauen bzw. Migrantinnen aus anderen Herkunftsländern sind also generell nicht häufiger von Gewalt betroffen, jedoch haben es gewaltbetroffene Migrantinnen aufgrund von prekären Lebensumständen (Flucht, etc.) besonders schwer, sich aus einer Situation häuslicher Gewalt zu befreien. Diese Faktoren bzw. Hindernisse machen die Situation von gewaltbetroffenen Migrantinnen im Vergleich zu betroffenen Österreicherinnen schwieriger.

Ein besonders wichtiger Faktor, um der Gewalt gegen Frauen entgegenzuwirken bzw. sie zu verhindern, ist die Prävention gegen Gewaltbereitschaft. Was sind eurer Meinung nach sinnvolle Präventionsmaßnahmen?

Wie in anderen Ländern leben wir auch in der österreichischen Gesellschaft in einem Patriarchat. Gewalt ist ein Mittel, um Frauen auf die ihnen zugeschriebene Rolle zu verweisen.
Es fehlen langanhaltende, flächendeckende und umfassende Kampagnen zum Thema Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, um das Bewusstsein und das Wissen in der breiten Bevölkerung zu erhöhen. Eine gute und effektive Maßnahme, um patriarchalen und frauenverachtenden Einstellungen in der Gesellschaft entgegenzuwirken, sind möglichst flächendeckende Präventionsworkshops und Seminare in Schulen zu häuslicher Gewalt und Geschlechtergerechtigkeit, besonders auch für Burschen zu den Themen toxische Männlichkeit und stereotypische Frauen- und Männerbilder, um Gewalt schon im Vorhinein zu verhindern.

Viele betroffene Frauen schämen sich für das, was ihnen passiert, oft kommt es zu einer Täter-Opfer-Umkehr und sie sind gesellschaftlichen Verurteilungen ausgesetzt. Wie kommt es zu den vielen Vorurteilen, mit denen dieses Thema behaftet ist, und wo muss hier ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden? Wie kann das am besten gelingen?

Trotz aller Fortschritte seit den 1970er Jahren ist das Thema geschlechtsspezifische Gewalt leider immer noch mit Scham assoziiert. Es wird selten darüber gesprochen und oft bekommen die Betroffenen vom Umfeld keinen Rückhalt, sie werden noch immer für die Tat des Mannes verantwortlich gemacht (sogenanntes victim blaming). Das hat leider oft zur Folge, dass sich gewaltbetroffene Frauen keine Hilfe holen.
Patriarchale Vorstellungen von Geschlecht spielen dabei ebenfalls eine große Rolle. Wir haben in Österreich seit Jahren Regierungen mit Beteiligung (rechts-)konservativer Parteien – im rechten bzw. konservativen politischen Spektrum wird Gewalt an Frauen verharmlost und oft als ein „importiertes Problem“ dargestellt. Gewalt von Männern gegenüber Frauen wird immer noch viel zu oft im Sinne eines patriarchalen Männlichkeitsbildes mit „Männer sind halt so“ abgetan und verharmlost und diese Männer werden auf diese Weise nicht zur Verantwortung für ihr eigenes Verhalten gezogen.
Auch verbale Gewalt an Frauen wird oft gesellschaftlich toleriert und Hass im Netz hat sich in den letzten Jahren deutlich gesteigert. Hierbei hat die Verrohung der Sprache im Umgang und Diskurs deutlich zugenommen. Gewalt durch Worte ist auch psychische Gewalt und der Weg von der psychischen Gewalt zur körperlichen Gewalt ist oft ein kurzer.
In der Berichterstattung der Medien über Gewalt an Frauen, besonders im Boulevard, werden leider nach wie vor immer wieder patriarchale Klischees reproduziert. Immer noch werden Fälle von Gewalt von Männern an Frauen als „Familientragödie“, „Beziehungsdrama“ oder „Einzelfall“ verharmlost sowie der Täter entschuldigt. Von den Medien wünschen wir uns, dass Journalist*innen sich über verantwortungsvolle und sensible Berichterstattung zum Thema Gewalt an Frauen und Kindern informieren – z.B. über den vom Verein AÖF erstellten Leitfaden zu verantwortungsvoller Berichterstattung – und diese auch anwenden.

Gemeinsam mit diesem Umdenken muss auch das Gespür dafür geschärft werden, wo jede*r einzelne aktiv werden kann. Wie übernimmt man als Einzelperson Verantwortung und kann betroffenen Frauen am besten helfen?

Um gesellschaftliche Veränderungen zu schaffen, braucht es flächendeckende langfristige Bewusstseinsarbeit. Das kann u.a. durch Projekte, wie das Nachbarschaftsprojekt „StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt“ erreicht werden, das der Verein AÖF aktuell in mehreren Wiener Bezirken und an insgesamt 25 Standorten in ganz Österreich durchführt.
„StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt“ ist ein nachhaltiges und zukunftsorientiertes Gesamtpaket in der Gewaltprävention, das alle Menschen, insbesondere Nachbar*innen einlädt und befähigt, sich aktiv gegen Femizide und gegen häusliche Gewalt an Frauen und Kindern zu engagieren. Es richtet sich explizit und direkt an die Zivilgesellschaft, bindet diese aktiv ein und weist ihnen konkrete und anwendbare Handlungsmöglichkeiten auf, um sie zu involvieren und zu zeigen, was jede*r Einzelne*r beitragen kann. Durch das Aufzeigen von Unterstützungsmöglichkeiten klärt StoP auf, was bei Verdacht auf Partnergewalt zu tun ist, wie sich Nachbar*innen selbst schützen und wie sie Gewalt verhindern können. Nachbar*innen können z.B. die Gewalthandlung unterbrechen, indem sie anläuten und nach etwas Unverfänglichem fragen (z.B. Zucker ausleihen). Auf diese Weise wird dem Täter signalisiert, dass die Nachbarschaft mithört und der Betroffenen wird signalisiert, dass sie nicht allein ist. Nachbar*innen verbünden sich mit anderen Personen, wie Familie und Freund*innen, informieren sich und überlegen, wie sie helfen können. Zudem können Nachbar*innen betroffene Frauen und Kinder niederschwellig über wichtige Notrufnummern, wie z.B. die Frauenhelpline 0800 222 555, Anlaufstellen, etc. informieren. StoP ermutigt Personen, eine klare Haltung gegen (häusliche) Gewalt/Partnergewalt einzunehmen, genau hinzuschauen und zivilcouragiert zu handeln. Entsprechend ist StoP auch ein Appell an die österreichische Zivilgesellschaft, sich aktiv einzusetzen und sich eindeutig und klar gegen Gewalt an Frauen und Kindern zu positionieren. Mehr Informationen auf stop-partnergewalt.at.

 

Es gibt zahlreiche Initiativen und Plattformen, die über häusliche Gewalt informieren und Hilfe bieten. Hier ein paar davon:

Das Start-Up Frontline entwickelt Trainings und digitale Tools für Betroffene und jene, die mit Opfern häuslicher Gewalt in Kontakt stehen.

SOS@Home bietet Aufklärungsarbeit sowie ein Netzwerk aus Hilfeleistenden und Initiativen.

In Deutschland:

Das bundesweite Hilfetelefon richtet sich an Frauen*, die Gewalt erfahren haben, aber auch Angehörige sowie Freund*innen werden anonym beraten. Es ist jederzeit und kostenfrei unter +49(0)8000 116 016 erreichbar.

Hier können Frauenhäuser und Fachberatungsstellen in ganz Deutschland gesucht werden.

In Österreich:

Frauenhelpline gegen Gewalt, rund um die Uhr, anonym, kostenlos und mehrsprachig: 0800 222 555 www.frauenhelpline.at

Onlineberatung für Mädchen und Frauen im HelpChat, täglich 18-22 Uhr und jeden Freitag von 9-23 Uhr, mehrsprachig: www.haltdergewalt.at

Frauenhäuser bieten Frauen*, die häusliche Gewalt erleben, und ihren Kindern eine sichere Wohnmöglichkeit. Frauenhäuser sind für alle Gewaltopfer offen, unabhängig von Nationalität, Einkommen oder Religion.

Das Nachbarschaftsprojekt „StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt“ setzt da an, wo häusliche Gewalt passiert, am Wohnort, in der Nachbarschaft, und hilft, häusliche Gewalt früh zu erkennen und zu unterbrechen.

BAKHTI – EmPOWERmentzentrum für gewaltbetroffene Mädchen* mit einem Zusatzangebot für mitbetroffene Burschen*: www.bakhti.at  und www.burschen.bakhti.at

Infowebsite für Kinder und Jugendliche: www.gewalt-ist-nie-ok.at